Archive for Januar 22nd, 2010

Niemand käme auf die Idee, Matt Groening zu verklagen. Es wäre vermutlich in jeder Hinsicht ein Selbstmordunternehmen.

Als in der vergangenen Woche die Irland-Episode der Simpsons Deutschland-Premiere hatte, war darin auch eine deutliche Hergé-Referenz zu sehen: Bart hatte als Reiselektüre die amerikanische Ausgabe von Die Krabbe mit den goldenen Scheren bei sich – deutlich war das Cover des Bandes in Großaufnahme zu sehen.

Und natürlich war es eine lobende Hommage – Marge bezeichnete den Band als Barts „Lieblingscomic“. Da würde niemand klagen. Doch nicht für ein Bild. Oder?

Für zwei Bilder verklagt wurde allerdings der Tim & Struppi-Fan Bob Garcia. Tim & Struppi ist auch sein Lieblingscomic. Cory Doctorow berichtet in seinem Blog von einer erfolgreichen Klage, die der Anwalt Nick Rodwell gegen den britischen Tintinologen angestrengt hat. Rodwell ist nicht nur der Rechtsvertreter von Hergés Erben, sondern zugleich der jetzige Ehemann der Hergé-Witwe Fanny.

Bob Garcia hatte demnach vor einiger Zeit fünf Artikel über Tim & Struppi als Hefte auf einer Non-Profit-Basis publiziert (man könnte auch Fanzine dazu sagen) und dabei in zwei Fällen Bilder Hergés zur Illustration verwendet. Die Hefte befassten sich u.a. mit Verbindungen zwischen Tim & Struppi und Sherlock Holmes sowie mit filmischen Anleihen in den Comics Hergés. Die Druckauflage der Hefte lag jeweils unter 500 Exemplaren. Ein britisches Gericht befand Garcia für schuldig: 35.000 Pfund Schadensersatz muß er nun zahlen. Anderenfalls erfolg eine Zwangsvollstreckung.

Natürlich ist Tim & Struppi weiterhin einer der populärsten Comics auf diesem Planeten, mit Übersetzungen in über 50 Sprachen und über einer Viertelmilliarde verkauften Exemplaren weltweit. Die Comics und deren Nachverwertung in allen Formen sind eine Goldgrube – und wer würde eine Goldgrube nicht aufmerksam bewachen?

Aber wie stark? Das gefällte Urteil ist fraglos von extremer Härte. Fans vermuten den 2011 in den Kinos anlaufenden ersten Tim & Struppi-Film von Steven Spielberg als Ursache – die Hergé-Erben sind an den Einnahmen aus diesem und den folgenden Filmen beteiligt: „Mr. Rodwell versucht vor dem Film noch Klar Schiff zu machen, was alles und jeden angeht, der über Tim & Struppi redet, um die absolute Kontrolle über die Marke zu erlangen“, zitiert der Londoner Telegraph Bob Garcia.

Andere Blogs listen akribisch auf, weshalb Rodwell so unbeliebt bei den Fans ist:

Hugues Dayez, the author of Tintin Et Les Heritiers (Tintin And The Inheritors), a very critical view on the way Moulinsart is curating Hergé’s legacy, is also the creator of a documentary film that proved, amongst others, that Moulinsart keeps a black list of journalists and Tintin specialists who are to be discredited at all times.

Inzwischen kursieren Boykott-Aufrufe gegen den Spielberg-Film, der Regisseur selbst wurde von Fans gebeten, schlichtend einzugreifen.

Wie gesagt: niemand würde gegen Matt Groening klagen. Es hat nur dummerweise nicht jeder das Glück, Matt Groening zu sein.