Archive for Februar 3rd, 2010

Dieser Text entstand ursprünglich für das Berliner Stadtmagazin zitty, dort wurde der Auftrag aber an zwei Autoren gleichzeitig vergeben.

Mein Strohhalm war kürzer.

Deshalb hier die ganze Rezi.

Philip K. Dick
Unterwegs in einem kleinen Land

Vier Sterne

Vielleicht ist es ein Mißverständnis, dass Philip K. Dick („Blade Runner“, „Der dunkle Schirm“) als Science-Fiction-Autor betrachtet wurde. Klar ist, der Kalifornier wollte lange Zeit keiner sein. Ende der fünfziger Jahre verabschiedete er sich für eine Weile ganz vom Genre. In dieser Zeit entstand über ein Dutzend absolut realistischer Romane. Kein einziger von ihnen fand zu Lebzeiten Dicks einen Verleger. „Unterwegs in einem kleinen Land“ gehört dazu. In Dicks Werk verdient er die Stellung als autobiographischer Schlüsselroman des damals noch nicht dreissigjährigen Autors.

Unschwer ist in dem unzufriedenen TV-Verkäufer Lindahl Dick zu erkennen (der sich selbst lange als Verkäufer über Wasser hielt), und in dessen unglücklicher Ehe Dicks eigene frische Scheidung. Lindahl versucht es mit Fremdgehen und beruflicher Verbesserung, aber am Ende fährt er doch immer wieder die selben Strecken auf den kalifornischen Highways, hin und zurück und nirgendwo sonst hin – ein kleines Land. Ein perfekt konstruierter Roman, in dem Dick einmal mehr seine volle Zivilisationsskepsis offenbart. (Stefan Pannor)

Liebeskind, 380 S.; € 22,00

Deliege/ Piroton
Die Gifticks

Was war das eigentlich damals mit Rolf Kauka und den ganzen Winzfiguren in seinen Comicheften? Neben den Schlümpfen erschienen in Fix & Foxi und den zahlreichen Ablegerprodukten noch regelmäßig die Minimenschen, die nur unschwer als Schlümpfe-Rip-Off konzipierten 7 Schnuckel und die Gifticks. Allesamt gnomenhafte Gestalten von jeweils kaum handspannenhoher Größe.

War es einfach nur eine Vorliebe für winzige Figuren, oder zeigte sich darin ein David-Komplex des im Vergleich zu den Disney-Comicheften kommerziell und imagemäßig stets Zweiten Rolf Kauka?

Nachdem die Minimenschen bereits seit geraumer Zeit eine sauber durchkonzipierte Comic-Gesamtverwertung erfahren, schließen sich die Gifticks an. Der rührige Mirko Piredda, ehemaliger Zack-Chefredakteur und seit geraumer Zeit Betreiber seines eigenen Albenverlages, veröffentlicht sämtliche Comicgeschichten der in den siebziger Jahren von Paul Deliege und Arthur Piroton kreierten Figuren neu. Viel Material ist es nicht nicht – drei Bände á 112 Seiten decken alles ab.Es sind Comics aus Zeiten, in denen man Männer noch daran erkannte, dass sie wie Schlote rauchten und Frauen daran, dass sie dumme Fragen stellten, in denen Kinder noch im Wald spielten und man Sachen sagte wie „Potzteufel“. Kurz: es sind Geschichten aus einer gemütvolleren Zeit und sie haben seither ordentlich Staub und Patina angelegt. Deshalb vermag die Ruppigkeit der dereinst wohl als Anti-Schlümpfe konzipierten Gifticks auch nur noch bedingt zu begeistern. Ja, sicher, sie spielen mit Messern und Pistolen, planen die Weltherrschaft an sich zu reißen (Denkst du das Gleiche, was ich gerade denke, Pinky?) und überhaupt steckt kein Funken Sympathie für irgendetwas an ihnen.

Im damaligen Kontext der Comic-Knuddel-Figuren mag diese radikale Abkehr von jeglicher Liebenswürdigkeit und Herzigkeit faszinierend gewirkt haben. Aus heutiger Sicht kommen die Geschichten behäbig daher, wirken die Figuren blaß (zumal sich deliege mit sich selbst nicht ganz einig zu sein scheint, was seine drei Gnome nun alles können und wollen, und was nicht) und die Bedrohung durch sie konstruiert. In der Tat haben es die um einiges biedereren Schlümpfe aufgrund häufig hintergründigen Humors sehr viel besser geschafft, ihren Charme und ihre Frische zu bewahren.

So bleibt ein Viertel-Klassiker, nicht ganz uninteressant, aber auch nie wirklich mitreißend. (112 S.; € 27,50)

Mehr zu Mirko Pireddas Comics hier, hier, hier und hier. Eine Leseprobe zu den Gifticks auf der Seite des Verlages.

Giffen/ DeMatteis/ Watson
Hero Squared

Unter den wenigen nennenswerten Superhelden-Comics der Neunzigerjahre wird stets die Interpretation der Justice League von Keith Giffen und Jean-Marc DeMatteis herausragen: eine herrliche Serie über drittklassiger Helden, die mehr damit beschäftigt waren, sich gegenseitig vollzutexten als vertragsgemäß die Welt zu rennen. Es war der vielleicht erfolgreichste Ausflug der Superhelden-Comics in das Genre der Screwball-Comedy, und es dauerte fünf ganze Jahre und rund hundert Hefte, ehe DC den Stecker zog.

War damals alles erzählt? Seither gab es immerhin zwei kurze Wiederbelebungsversuche des damaligen Erfolgsrezeptes, und ein dritter steckt in den Startlöchern. Und auch Hero Squared scheint nicht viel anderes als eine Resteverwertung damaliger Ideen. Mit einem Unterschied: wo DC als großer Verlag damals noch ein paar respektable Zeichner hat springen laßen, müssen sich die Autoren beim Kleinverlag Boom! für Hero Squared mit dem begnügen, was übrig bleibt. Das war schon bei den ersten zehn oder so Heften der eher mäßig talentierte Joe Abraham, der sich dann auch noch selber inken mußte. Für die abschließende Trilogie wurde ein No-Name-Zeichner namens Nathan Watson engagiert, der seinen Vorgänger nochmal ordentlich untertrifft und die eigentlich ganz nette Serie um einen Filmfreak und dessen Doppelgänger aus einem anderen Universum, der in Wirklichkeit ein Superheld ist, eher unwürdig zu Ende bringt.

Aber an Watson allein liegt es nicht. Das Garn mit den interdimensionalen Verwicklunge ist abgespult und die Auflösung der Geschichte nur noch das nötige Aufräumen. Wie zwei Wonder Boys spulen Giffen und Matteis hier nochmal ein paar ihrer alten Dialog-Kunststückchen runter, mit Figuren, die zum Teil verblüffend jenen ähneln, die sie damals für die Justice League geschrieben haben. Und wie jede Reunionen, und wenn sie noch so geglückt ist, haftet auch dieser etwas Tragisches an: so gut wie früher wird’s nie wieder.