In aller gebotenen Kürze – meine wöchentliche Comic-Rezension, in dieser Form auch veröffentlicht auf satt.org.

Scott McCloud
Comics machen

Comics machenScott McCloud ist der bekannteste Comicerklärer der Welt. Seit 1993 sein Buch „Comics richtig lesen“ erschien, wird es immer herangezogen als Musterbeispiel sowohl für die Analyse des Mediums wie auch als herausragender Sachcomic. Ein Comic über Comics. Nur eines hat McCloud, der oberste Comicversteher, nie so recht vollbracht: einen wirklich herausragenden Comic produziert, der nicht erklärt, sondern einfach nur erzählt.

„Comics machen“ ist in dem Sinne also eine Selbsttherapie. Es schliesst – nach dem etwas seltsamen „Comics neu erfinden“ – die Trilogie der Bildgeschichtenanalyse ab. „Ihr wollt also Comics machen?“ fragt Scott McCloud seine Leser gleich zu Beginn des Buches. Und sicher wird McCloud mit diesem Buch viele Comicaspiranten ansprechen. Mehr noch aber wird er jene Leser erreichen, die, als Macher oder Leser, das Medium verstehen wollen. Denn obwohl „Comics machen“ über weite Strecken von der Wahl der richtigen Perspektive und vom richtigen Zeichenstift handelt, ist es nicht annähernd einer der handelsüblicher Zeichenkurse.

Von denen gibt es nämlich zu viele, wie auch McCloud in seinem Buch zurecht beklagt. Die meisten ermuntern die Käufer höchstens zum fröhlichen Plagiieren der gezeigten Vorlagen. McCloud aber will, dass seine Leser Comics verstehen. Deshalb erzählt er, der Halbgescheiterte, in charmantem Tonfall und mit viel Selbstironie über Plotaufbau und erzählerische Variationen, schweift ab zu Gestik und Mimik, redet über Land- und Stadtschaften, die Bedeutung der Atmosphäre und welche Zeichengeräte seine Comickumpels so benutzen.

Und das erstaunliche: dieser über fast 300 Seiten durchgehaltene Dozierfluss wäre sogar dann spannend, wenn einen das Thema gar nicht interessieren würde. McCloud ist der perfekte Lehrer. Immer wieder bringt er passgenaue Beispiele, immer wieder hinterfragt er das eben Gesagte, spielt sich selbst in den Hintergrund.

Es ist wie im Theater, bevor das Stück beginnt. Stück für Stück legt McCloud alle nötigen Utensilien an den richtigen Platz und erklärt, worum es am Ende gehen soll: die Produktion eines Comics. Wenn McCloud sukzessive alle Einzelbestandteile des Comics choreographiert, offenbart er diese damit zugleich dem Leser.

Damit schliesst McCloud die letzten Lücken, die „Comics richtig lesen“ noch gelassen hatte. War dieses Buch der Verstand des Mediums, so bietet „Comics machen“ dessen Anatomie. Für McCloud ein Warming-up: plant er doch nun endlich seine grosse Graphic Novel. Man darf gespannt sein, was der perfekte Lehrer von sich selbst gelernt hat. (stefan pannor)

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