Brandgefährliches Brandabenteuer? In der aktuellen Ausgabe der „Micky Maus Comics“ gratuliert ein Honoratior der Comicstadt der Feuerwehr zur Verhinderung des Holocaust. Doch das Wort ist geschwärzt. Wo hat’s denn gebrannt?

Es ist wohl eher keine neue Gratulationsformel in Entenhausen. Im aktuellen „Micky Maus Comics“, einem Ableger der bekannten „Micky Maus“, verteilt ein Honoratior der fiktiven Comicstadt „Auszeichnungen an unsere wackeren und allzeit hellwachen Feuerwachen!“ Und fügt an, als sei es ein ganz besonderer Glückwunsch: „Holocaust!“

Oder eben auch nicht. Denn das Wort ist geschwärzt, mit dickem, welligen Strich. „Micky Maus Comics“ erscheint alle zwei Monate und hat eine Auflage von mehreren zehntausend Exemplaren.

Was ist geschehen?

Klar ist, das geschwärzte Wort lässt sich bis ins englische Original zurückverfolgen. Es ist eine Episode um das „Fähnlein Fieselschweif“, die der legendäre Altmeister Carl Barks in den Siebzigerjahren in den USA gestaltet hat. „Where there’s smoke“ heisst die Episode, auf deutsch „Der Brandstifter“ bzw. „Gefahr für den Finsterforst“.

Die Fieselschweif-Pfadfinder verhindern darin einen Waldbrand. „Plaques to the Lookouts for pinpointing the awesome Holocaust“ verkündet der Honoratior in der ursprünglichen Sequenz daher. Oder auf deutsch, Medaillen für die Ausgucke, die das Inferno lokalisiert haben.

Im Englischen ist der Ausdruck „Holocaust“ bei weitem mehrdeutiger als im Deutschen, wo er eindeutig vorbelastet ist. Deshalb tauchte er in bisherigen deutschen Ausgaben der Episode nicht auf. Für „Micky Maus Comics“ wurde das Brandabenteuer allerdings erstmals seit dreissig Jahren komplett neu übersetzt. Hatte der Übersetzer seine Hand im Spiel?

Nein, wiegelt Elke Schickedanz ab, Pressesprecherin des Ehapa-Verlages. Der Übersetzer habe nichts damit zu tun. In seinem Manuskript tauche der Ausdruck ebenfalls nicht auf. Es sei „ein Reprofehler“, so Schickedanz. Der englische Text in der Sprechblase wurde nicht sauber genug entfernt. Ausgerechnet der Holocaust-Begriff wurde als einziger vergessen.

Aus diesem Grund wurde die gesamte Auflage des Heftes, das eigentlich am 8. Mai erscheinen sollte, zurückgerufen.

In sämtlichen Exemplaren wurde in der Druckerei der inkriminierte Begriff in Handarbeit mit einem Edding geschwärzt. In dieser Version ist das Heft seit dieser Woche im Handel.

„Natürlich sind wir grundsätzlich daran interessiert, entsprechende Worte in unseren Publikationen zu vermeiden“, erläutert Elke Schickedanz das Problem. Bekannt ist das Beispiel der Ausgabe von Hitlers „Mein Kampf“, die in der Geschichte „April, April“ – ebenfalls von Barks – auf einer Entenhausener Müllkippe zu sehen ist. Die Geschichte ist von 1948 und zeigt deutlich Barks‘ Einstellung zur Nazi-Ideologie.

In deutschen Nachdrucken der Geschichte ist das Buch nur sporadisch zu sehen. Während auf ältere Sammler ausgerichtete höherpreisige Ausgaben den historischen Schutt unverändert zeigen, wird bei Nachdrucken in der „Micky Maus“ und vergleichbaren auf Kinder zugeschnittene Publikationen der Titel meist dezent entfernt. Als es bei einem 2005-er-Nachdruck vergessen wurde, führte das zu einem kleineren Skandal.

In den Fünfzigerjahren war man noch weniger empfindlich gegen die Sprache des Dritten Reiches.

In der Episode „Die braven Brückenbauer“ (1955, dt. erstmals 1956) wurde die rabiate Leiterin des mit den Fieselschweiflingen konkurrierenden Fähnleins Kohlmeisen „alte Wehrmachtshelferin“ genannt. In späteren Nachdrucken wurde eine „Kantinenwirtin“ aus ihr.

Und in „Die Kohldampfinsel“ (1954, dt. erstmals 1955) singen die Panzerknacker leicht abgeändert den Text eines alten Wehrmachtsschlagers: „Heute gehört uns die Kohldampfinsel und morgen die ganze Welt!“

Glücklich ist übrigens, wem eine Ausgabe der „Micky Maus Comics“ ohne Schwärzung gehört. Tatsächlich gelangte ein geringer Teil der unveränderten Auflage am 15. Mai lokal begrenzt in den Handel – und wurde am 16. Mai zurückbeordert. Die wenigen an diesem Tag verkauften Hefte dürften spätestens nach diesem Artikel gesuchte Sammlerstücke sein.

Unredigierte Manuskriptfassung des auf SPIEGEL-Online erschienenen Artikels.

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  • Stille Post mit Holocaust
  • 4 Responses to “Kein Holocaust in Entenhausen”

    1. Stefan Pannor » Blog Archive » Stille Post mit Holocaust says:

      […] Impressum « Der Freier von der traurigen Gestalt Kein Holocaust in Entenhausen » 31 05 […]

    2. Stefan "Starocotes" Immel says:

      So, hab jetzt mal das Heft selbst in der Hand gehabt und zwar ne Version wo das Durchstreichen angedeutet war (da war wohl der Edding leer und man ist auf Bleistift umgestiegen).

      Die Erklärung von Ehapa ist mit Verlaub Blödsinn. Man kann klar erkennen das die Schrift viel zu genau zusammenpasst. Wortabstände und Satz der Schrift ist pixelgenau identisch, die Wahrscheinlichkeit das sowas passiert wenn man „vergisst“ das Wort zu löschen ist utopisch gering.

    3. Stefan says:

      Nein, die ist völlig schlüssig. Du gehst zu sehr von der analogen Denkweise aus. Hast du schon mal in Word einen Text bearbeitet, der aus verschiedenen Schriftarten bestand, und den dann markiert und die Schriftart vereinheitlicht? – Du (und nicht als einziger, wie ich in den letzten Wochen gelernt habe) vergisst, dass Comics heute praktisch durchgängig am Rechner bearbeitet werden.

    4. Stefan "Starocotes" Immel says:

      JETZT hab ich’s kapiert (sorry bin aktuell etwas langsam). Die bei Ehapa die Seiten mit mehreren Layern und nicht als ein „Bild“.

      Ja ich bin davon ausgegangen das die bei Disney die Seiten als Files haben wo nur eine Layer drin ist und Ehapa dann die Sprechblasen „weisst“ und neu setzt.

      Manchmal wird man betriebsblind.