Klassikernachverwertung hat Konjunktur. Ganz neu: „Lucky Luke“ im Graphic-Novel-Format, die atemberaubende Wiederentdeckung von „Jerry Spring“. Und ein weiterer Band der „Minimenschen“, aber wo viel Licht ist, muss es halt auch Schatten geben.

Morris & Goscinny
Lucky Luke Edition

Ich weiss nicht, ob ich lachen oder schreien soll. Auf grade mal 100.000 Exemplare sei dieser Nachdruck älterer „Lucky Luke“-Comics limitiert, schreibt der Verlag. Man solle sich beeilen, noch ein Exemplar zu bekommen.

Von dieser hoffentlich unfreiwilligen Großkotzigkeit (die wenigsten Albenserien schaffen heutzutage überhaupt fünfstellige Verkaufszahlen, geschweige mehr) abgesehen ist die Edition freilich großartig.

Die Alben – es sind immer zwei in einem Band, fünf Bände insgesamt – überstehen die Verkleinerung aufs Graphic-Novel-Format großartig. Die Auswahl ist stilsicher aus der mittleren Phase der Serie, als Rene Goscinny sattelfester Autor der Abenteuer war.

Das sind die Höhepunkte von Lucky Luke. Alle Figuren sind voll ausgeformt, alle Running gags an ihrem Platz. Es gibt keinen einzigen schwächeren Band in dieser Edition. So aufbereitet und in diesem Format könnte ich mir locker auch alle übrigen Bände von Morris & Goscinny vorstellen. Das hält den Klassiker für eine neue Lesergeneration fit. (Stefan Pannor)

Ehapa, 96 S. ; € 9,99

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Jije
Jerry Spring Gesamtausgabe 4

Ja, zugegeben: es hat ein wenig gedauert, bis „Jerry Spring“ bei mir gezündet hat. Das mag daran liegen, dass ich dem Leone- und Neo-Western näher stehe als dem Wayne-Western. Springs Abenteuer, in den Fünfziger- und Sechzigerjahren entstanden, zudem für ein Jugendmagazin, hat seine Quellen natürlich im klassischen Hollywoodwestern.

Was nicht nur für eine sehr cleane Handlung sorgt (gestorben wird eher off-panel), sondern auch für eine charakterliche schwarz-weiß-Zeichnung der Figuren.

Zum anderen musste auch Jije sich erst warmlaufen. Tatsächlich: die uninteressantesten Spring-Abenteuer sind die, in denen Jije einfach nur Westernklischees von bedrohten Siedlern, Wüstengoldschätzen und Indianeraufständen runternudelt.

Aber wie großartig kann dieser Comic sein, wenn Jije das alles läßt! Wie im vierten Band. Die Handlung ist komplett egal. Worum es Jije vorrangig geht, ist die Inszenierung von Landschaften, Pferden Menschen.

Das ist mit einem Wort atemberaubend. Im Mittelpunkt der fast völlig von Handlung befreiten „Broncos von Montana“ stehen atemberaubend schöne, dramatische, mit brillantem Geschick inszenierte Tiersequenzen. Ähnlich wie beim Großmeister des realistischen Comics, Hal Foster, ist hier jedes Panel ein Bett zum Reinlegen, ein Traum des grafischen Erzählens.

Wie Jije hier sämtliche Grenzen des Jugendcomic hinter sich läßt zugunsten einer neoromantischen Landschaftsträumerei – das ist großartig, das muß man gesehen haben. (Stefan Pannor)

Ehapa Comic Collection, 232 S.; € 29,95

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Seron
Die Minimenschen (Gesamtausgabe 13)

Mit diesem, vielleicht schon dem dem vorherigen Band der Gesamtausgabe ist man bei dem angekommen, was sich wohl Serons Spätwerk nennen lässt.

Tatsächlich werden die Geschichten visuell weniger experimentell. Was nicht heisst, dass Seron ganz auf Experimente verzichtet. Die drei Alben in diesem Band enthalten u.a. einige Ausflüge im Panel-im-Panel-Erzählen und, selten genug im frankobelgischen Comic, doppelseitig angelegte Bildreihen.

Auffällig ist auch Serons Rücknahme bei politisch-sozialen Themen. Vorherige Alben kamen immer mal ein wenig mit dem Holzhammer. Im vorliegenden Band gibt es ein wenig Spott über Militärs und Rednecks, aber das hält sich in Grenzen.

Macht’s das besser? Naja.

Immer noch hat Seron nicht nur massive Probleme, begonnene Geschichten auch ordentlich aufzudröseln. Sondern die Geschichten selbst wirken weiterhin konstruiert, mühsam von ein wenig Metahumor getragen. Und seine plumpe Art der Frauendarstellung (Frauen sind bei Seron entweder Zicken oder Matronen) ist weiterhn schwer zu verdauen – grade für einen Comic aus den Neunzigerjahren.

So gesehen bleibt also alles beim alten: optisch schick, aber nur mit einer ordentlichen Portion Toleranz für die Macken des Autors zu lesen.

Ehapa Comic Collection, 152 S.; € 29,95

One Response to “Ganz gesamt. Drei Gesamtausgaben im Schnelldurchlauf”

  1. Stefan Pannor » Blog Archive » 30 Tage Nacht. 30 Jahre Berlin. 2 fette Wälzer. says:

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