Da war doch noch was. Mindestens vierundzwanzig Texte, die schon längst in diesem Blog stehen sollten, aus diesem oder jenem Grund aber nicht hier landeten. Als kleiner Weihnachtskalender finden sie jetzt Verwendung. Heute: 2 x Dante Aligheris Göttliche Komödie als Comic.

Dante Aligheris „Göttliche Komödie“ hat die Vorstellung der westlichen Welt vom Jenseits geprägt wie kein anderes Buch. Trotzdem eignet sich das wort- und sinnespralle Langgedicht – über 1.000 Strophen – nicht für eine Adaption. Es ist zu prall, zu komplex. Zwei Comics versuchen es trotzdem.

Seymour Chwast ist eigentlich kein Comiczeichner, sondern Designer und Illustrator. Als solcher hat er einen artfremden Zugang zum Medium Comic. Das merkt man dem Buch an. Der großformatige Band sperrt sich gegen alle traditionellen Mittel des Comic.

Sprechblasen, ja. Aber kaum als solche erkennbare Panels, kein klares Seitenlayout und hochgradig abstrahierte Zeichnungen. Dante, Ich-Erzähler der Höllen- und Himmelreich-Wanderung, wird als hartgesottener Kerl in Trenchcoat und mit Pfeife dargestellt. Ein Detektiv des Jenseits, der mit dem alles erläuternden Vergil seinen Watson dabei hat.

Sicher nicht zufällig ist der Begriff „Komödie“ auf dem Cover betont. Chwasts Adaption ist, obwohl im Plot und den wenigen Textauszügen streng originalgetreu, eher eine Persiflage auf Dantes Werk.

Aber leider eine unterkühlte, zu sehr gewollte. Die Fleissarbeit, jeden einzelnen der ermüdend vielen Höllenkreise, Schritte auf dem Läuterungsberg und die Paradiesbewohner auf möglichst wenig Raum darzustellen, Dantes umfangreiches Werk auf kaum 120 Comicseiten einzudampfen, erschöpft beim Lesen.

Die trockene Bilderflut ist nicht komisch, nicht sarkastisch, nicht parodistisch, und Dantes Prosa verschwindet durch Chwasts manische Eindampfungsarbeit auch. Viel zu sehen, wenig zu verstehen. Das Schlimmste, was man über ein Buch sagen kann, trifft hier zu: es ist „interessant“.

Michael Meier wählt den klügeren Weg. Zum einen stand ihm, in Form eines täglichen Comicstrips für ein Jahr in der „Frankfurter Rundschau“, mehr Platz zur Verfügung. Zum anderen beschränkt er sich auf das populärste Kapitel von Dantes Gedicht: das „Inferno“ mit den Höllenkreisen.

Wie Chwast auch macht er eine Komödie aus der Vorlage. Die Strips sind pointenreich, auch wenn sicher nicht jede Pointe zündet. Meyers Dante ist ein Prolet im Feinrippunterhemd, der das Jenseits halt einfach nicht kapiert.

Meier persifliert nicht. Er nimmt den Text ernst, der schon im Original voll war mit Anspielungen, auch offenen Angriffen auf Zeitgenossen des Autors. Statt an diesem, für moderne Leser oft nicht ohne Erläuterungen verständlichen Text zu kleben, ersetzt er die veralteten Anspielungen durch gegenwärtige.

Infolgedessen ist es sicher kein Comic für die Ewigkeit. Immer mal wieder verliert sich Meier in Geschwätz, lässt seine Helden zu lang an einem Ort verweilen und parlieren.

Allerdings sollte man bedenken, dass Meiers „Inferno“ seinen Ursprung als Serie in der Tageszeitung hat, wo diese Längen naturgemäss weniger auffallen. Als Kommentar zum Zeitgeschehen, in den für Meier typischen Infernofarben schwarz, rot und aschedüstergrau, funktioniert es auch in Buchform noch recht gut.

Der Vorzug zu Chwast ist ihm allemal zu geben.

Dantes göttliche Komödie: Knesebeck, 128 S.; 19,95 €
Das Inferno: Rotopolpress, 136 S.; 19,00 €

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