Da war doch noch was. Mindestens vierundzwanzig Texte, die schon längst in diesem Blog stehen sollten, aus diesem oder jenem Grund aber nicht hier landeten. Als kleiner Weihnachtskalender finden sie jetzt Verwendung. Heute: ein Ritter von trauriger Gestalt als Comic.
Nach „Faust“ die nächste Literaturadaption von Flix. Den Ritter von der traurigen Gestalt aus Cervantes zweibändigem Roman verlegt er ins Berlin der Gegenwart und lässt ihn gegen Windräder kämpfen. Eine überraschend düstere Dramödie.
Viele Comicerzähler, die eine für sie funktionierende Erzählformel gefunden haben, ruhen sich darauf aus. Es ist angenehm zu sehen, dass Flix das nicht tut.
Nach der Trilogie zum Thema Alltag & Beziehung, die aus den Graphic Novels „Held“, „Sag was“ und „Mädchen“ bestand, nach und während unzähliger Comicstrips und Cartoons ist „Don Quijote“ bereits die zweite Adaption klassischer Literatur von Flix. Obwohl im Original klassische Literatur, spielt auch dieses Buch von Flix im Berlin der Gegenwart.
Bei der Wahl des Stoffes gibt es verblüffende Parallelen zum Vorgänger „Faust“. Wie dieser handelt „Don Quijote“ von einem alten Mann, der sich gegen den Lauf der Dinge zu stemmen versucht.
Während das in Flix‘ „Faust“ allerdings dezent unter den Tisch gekehrt wurde, wird es im „Don Quijote“ unvermeidlich zum zentralen Thema. Beeinflusst von zuviel gelesenen Büchern, hält der greise Alonso Quijano sich für einen Ritter im Kampf gegen die, die aus seinem brandenburgischen Kaff ein Windradpark machen wollen.
Die Folge ist eine Odyssee auf dem Drahtesel durch Berlin, auf der Suche nach den Schuldigen für die geplante Zerstörung seiner Heimat.
Das kann nicht gut ausgehen. Flix macht das dem Leser schon grafisch von Anfang an klar. Das ist nicht mehr der unbeschwerte Funny-Strich aus früheren Büchern.
Viele Schwarzflächen, viele Schraffuren, deutlich mehr fein ausgearbeitete Details zeichnen die Bilder aus. Auf der erzählerischen Ebene verblüffend ist die wiederkehrende Hommage an Batman in diesem Buch, den anderen, manchmal wohl geistig auch nicht ganz klaren berühmten Ritter der Popkultur, prägen das Buch.
Dem dann leider irgendwo in der Mitte die Puste ausgeht. Flix klappert pflichtschuldig diverse Stationen der Romanvorlage von Cervantes ab, ohne das je in den Vordergrund zu stellen (die Kenntnis der Vorlage ist also nicht nötig, erklärt aber manches).
Er baut Anspielungen an eigene und fremde Werke ein. Die schönste und poetischste Sequenz etwa scheint eine Hommage an Takeshi Kitanos Film „Kikujiros Sommer“ zu sein. Aber insgesamt tritt die Handlung lange auf der Stelle, und auch das Finale – Auto gegen Drahtesel – ist nur bedingt glaubwürdig.
Es ist natürlich trotzdem ein schöner Comic geworden. Die Vielzahl lustiger, emotionaler, grafisch faszinierender Momente können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass „Don Quijote“ ein nicht ganz in sich schlüssiges, partiell holpriges Werk ist.
Das ist allerdings immer noch Meckern auf hohem Niveau.
Carlsen Comics, 136 S.; € 16,90
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