„Blacksad“-Autor Canales schreibt einen Kriegscomic über Freiheit, Carl Barks schickt Enten auf Reisen und wieder zurück, und Hal Foster dekonstruiert seinen „Prinz Eisenherz“ mit eigener Hand. Drei Kurzrezensionen.

Juan Diaz Canales/ Jose Luis Munuera
Fraternity
(Ehapa Comic Collection)

Die Idee der Freiheit, oder das Gespenst, wie Bunuel es nannte, ist schwer zu fassen und schwerer zu begreifen. Das, im Kern, ist die Aussage von „Fraternity“, dem Neo-Western von Canales und Munuera, gemixt mit ein paar übersinnlichen Elementen.

Okay, etwas komplizierter ist es schon. Das titelgebende Fraternity ist ein Städtchen irgendwo im amerikanischen Westen, irgendwann im amerikanischen Bürgerkrieg, aufgebaut als protosozialistische Mini-Utopie der Gleichheit aller Menschen. Oder das, was man damals unter Gleichheit verstand: Frauen und Schwarze gehören nicht dazu.

Über diese selbstherrlichen Idylle der Herrschaft des Menschen über die Menschen unter dem Deckmantel der Gleichheit bricht alles Mögliche herein. Versprengte Soldaten des heftiger werdenden Krieges, ein Monster im Wald, ein Waisenknabe, von dem man nicht weiss wie man mit ihm umgehen soll.

Das ist dann auch das Problem des Buches. Canales, der schon in „Blacksad“ gezeigt hat, dass ihm Metaphorik wichtiger ist als Plotaufbau, weiss sehr schön Grautöne und Widersprüche der geschilderten Ideen von Freiheit und Utopie aufzuzeigen.

Aber der Plot zerfasert, es ist bald kaum klar, worum es in dem Zweiteiler eigentlich geht. Munuera ist natürlich wie immer großartig, deutlich ein Schüler von Loisel und Uderzo in der Art, eine perfekte Balance zwischen Karaikatur und Realismus zu finden und so bei aller immer wieder durchschimmernden zeichnerischen Ironie nie den angestrebten Realismus der Erzählung zu brechen.

Wünschenswert wäre nur, dass Canales ein gleiches Gleichgewicht gefunden hätte.

56 S.; € 15,00

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Carl Barks
Donald Duck Gesamtausgabe 4
(Ehapa)

Fast immer wenn ich in den letzten Jahren Barks (wieder-)gelesen habe, betraf das seine langen Dagobert-Geschichten und seine unzähligen zehnseitigen Kurzcomics. Die langen Abenteuer, die er um Donald und seine Neffen zeichnete, fielen irgendwie hinten raus.

Vielleicht weil sie auf mich oft den Eindruck eines Zwischenschrittes machten. Sie waren noch nicht die grandiosen Abenteuer mit Onkel Dagobert, in denen Barks seine höchste Form fand, und nicht mehr die Zehnseiter, in denen sich sein Talent am konzentriertesten zeigte.

Nicht dass ich sie ganz uninteressant fand. Grade in den frühen langen Abenteuern mit Donald Duck zeigt sich ein Hang zum Destruktiven, Nihilistischen und Morbiden, der Barks später fast völlig abging.

Geschichten wie die vom „Feuerteufel“ oder „Schlangenring“ gehören mit ihren Themen von Feuersbrunst und lebendig begraben sein zu den abgründigsten Comics nicht nur von Disney oder Barks, sondern überhaupt. Sie sind Antithesen zu fast allen anderen Disney-Comics.

In den späten Vierzigern, frühen Fünfzigern kippte das Verhältnis freilich. Mit Ausnahme einiger hoch fatalistischer Episoden wie der vom „Fliegenden Holländer“ herrschte, möglicherweise bedingt durch die wirtschaftliche wie soziale Aufbruchstimmung im Nachkriegsamerika, in Barks‘ Comics gepflegter Optimismus vor.

Von diesem Optimismus zeugen die Geschichten in diesem Band. Sie zeigen nicht so sehr den streitsüchtigen Donald. Sondern die Ente als jungen Mann, der die Welt sehen will. Klar, immer noch egozentrisch. Aber auch energiegeladen, optimistisch, permanent in Aufbruchsstimmung. War Donald später, als Dagobert als Akteur der Reiseabenteuer etabliert war, eher der Gegenpol, den es nach Hause zog, so ist er hier noch der Forscher, der selbst die Welt sehen will.

Natürlich lauern überall die Abgründe, wie immer in Barks‘ Werk. Die berühmte „Nordpolfahrt“, zu der Donald sich gezwungen sieht, weil er Vetter Gustav übel mitgespielt hat, ist eine Exegese in Sachen Schuldgefühl und wozu es den Menschen treiben kann.

Und das „Wudu-Hudu“-Abenteuer ist nicht nur eine der wenigen Disney-Geschichten zum Thema Zombies. Spiegelt sich nicht in der Gefahr, durch zentralafrikanische Magie zu schrumpfen, deutlich die Angst davor, an Bedeutung, an sozialer Statur zu verlieren? (Der jüngst verstorbene Richard Matheson bzw. Jack Arnold hat acht Jahre später in „Die unglaubliche Geschichte des Mister C.“ im Grunde die selbe Geschichte erzählt – unter Barks-Einfluß?)

Trotzdem, dieser Donald, der, befreit von der Fuchtel seines Onkels und seiner ewig unerfüllten Liebschaft, mehr als nur ein Miesepeter ist, ist eine hinreißende Figur. So wie das hinreißende Comics sind, die vor Leben, Freude und Aufbruchstimmung vibrieren. Sie leiten eine der großen Phasen in Barks‘ Schaffen ein – mit einem Paukenschlag.

176 S.; € 24,99

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Foster & Murphy
Prinz Eisenherz 2 – 1973/ 74
(Bocola)

Als Hergé einmal genug von den Abenteuern Tims hatte, schuf er „Die Juwelen der Sängerin“. Eine gänzlich von Action befreite Geschichte, in der die Figuren, bar jeder äußeren Bedrohung, ganz auf sich selbst zurückfallen und mit dem konfrontiert werden, was sie eigentlich sind – ziemlich komische Gestalten.

Näher kam Hergé der Gesellschaftskomödie nie, und näher kam Foster ihr nie als in diesem Band. Für fast die gesamte Laufzeit der zwei hier enthaltenen Bände übernimmt Prinz Arn statt seines Vaters die Handlung des Strips.

Es war wie eine Abrechnung mit dem romantischen Rittertum, das er selbst seit vierzig Jahren zelebrierte. Obwohl Arn nie wirklich verliert, gewinnt er auch nicht. Schon der Grund seiner Reise ist eine Anti-Queste: weg von einer Frau, von der er sich verschmäht fühlt.

Unterwegs kann er nicht nur einen Krieg zwischen zwei verfeindeten Burgen nicht verhindern. Er bekommt auch den wohl unwahrscheinlichsten Sidekick der ganzen Serie, wird von Wikingern ausgesetzt, weil er lieber Handel treibt statt zu kämpfen.

Höhepunkt dieser Komödie des heldischen Scheiterns ist der unfreiwillige Aufenthalt in einem von der Welt vergessenen paradiesischen Tal, das Arn betritt und schnell wieder verlässt, ohne den geringsten Eindruck bei seinen Bewohnern zu hinterlassen. (Außer dass er eine junge Liebe zerstört, was aber keinen weiter zu stören scheint.)

Es sind Anti-Abenteuer. Mehr als ein Hauch „Don Quixotte“ liegt darin. So wie in „Die Juwelen der Sängerin“ die Figuren permanent Rätsel und Geheimnisse konstruieren, die sich letztlich als nichtig erweisen, um sich nicht mit sich selbst beschäftigen zu müssen, ist Arns Flucht, die Antithese zur Heldenreise, eine Flucht vor der eigenen Rolle.

Der dekonstruierte Ritter: er zeigt, dass Foster auch in hohem Alter noch nach neuen Erzählweisen und Themen suchte. Ein wunderbarer, faszinierend frischer Lesespaß einer langlaufenden Serie.

112 S.; € 22,90

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