Das Meer ruft! Arthur De Pins inszeniert mit seiner Trilogie vom „Marsch der Krabben“ eine Satire auf menschliche Verhältnisse. Riff Reb’s adaptiert Jack Londons „Seewolf“, wütender und energiegeladener als man ihn je außerhalb der Romandeckel gesehen hat.

Seit den Achtzigerjahren erscheinen in Frankreich Ptilucs Rattencomics „Pacush Blues“ und „Rats“, inzwischen bald dreissig Bände, von denen auf deutsch leider nicht einmal die Hälfte erschienen ist.

Der Franzose erzählt darin in hyperzynischer Slapstickmanier von einer gleichermassen ver- wie entmenschlichten Gemeinschaft Ratten, die permanent mit Vernichtung und Fortpflanzung beschäftigt ist.

Ptilucs Comics sind, wenn auch nicht ohne Ermüdungseffekte, größtenteils sehr lesenswert. Man könnte sogar davon reden, Ptiluc halte der Gesellschaft den Spiegel vor, und ähnliches dummes Zeug aus der Klischeekiste, wäre dieser Satz nicht von der UN verboten worden wegen exzessiven Missbrauchs durch Dummköpfe und Faulpelze.

Wenigstens aber sollte man um diese Rattengeschichten wissen, wenn man Arthur De Pins „Marsch der Krabben“ liest. Und sei es nur, um die Relationen richtig zu sehen.

De Pins Graphic-Novel-Trilogie handelt von einer vermenschten Strandgemeinschaft aus Fischen, Seevögeln und Kriechtieren, die, nun ja, sich sehr dumm benehmen und möglichst gegenseitig zu Schaden bringen.

Im Mittelpunkt der Erzählung stehen die bedauernswerten Krabben des Titels, die, weil sie unfähig sind, die Richtung zu ändern, permanent die selbe Strecke hin und zurück ablaufen. Da winkt die Metapher mit dem Zeigefinger, mehr noch, als eine der Krabben plötzlich entdeckt, dass sie doch vom ausgetretenen Weg abweichen kann – was zu nahezu katastrophalen Veränderungen in der gesamten Strandgemeinschaft führt.

Der offensichtlichste Unterschied zu Ptiluc ist, dass dessen Ratten im Dreck hausen, während De Pins Protagonisten alle im und auf dem halbwegs klaren Meerwasser leben. Viel tiefgreifender freilich ist De Pins fehlender Mut, die Implikationen eines solchen Gesellschaftsumschwungs im Entstehen wirklich zu schildern.

Er beschränkt sich auf ein paar sanfte ironische Seitenhiebe im quasi-menschlichen Verhalten seiner Minikrabben, und konzentriert die Handlung mit weiterem Fortschritt auf eine zunehmend actionorientierte Erzählweise.

Das macht natürlich das Vergnügen von „Marsch der Krabben“ aus. Es ist eine flotte, vergnügliche Lektüre, die man mit nur einem Mindestmaß an Unbehagen sogar am Strand lesen kann. Es ist, obwohl es das sein will, aber keine Satire oder wenn doch, dann keine, die dahin geht, wo es weh tut.

Ganz anders Riff Reb’s Adaption von Jack Londons „Seewolf“.

Bereits der im vergangenen Jahr bei Carlsen erschienene und zu Unrecht etwas untergegangene Band „An Bord der Morgenstern“ offenbarte eine Freude daran, klassische Abenteuerklischees zu dekonstruieren, verbunden mit einer atemberaubenden Fähigkeit, das Meer und beeindruckende Figuren in Szene zu setzen.

Da ist Jack London die erste Adresse. Der Zeichner inszeniert das nihilistische Drama, in dem der Kapitän nicht der erste Mann nach Gott an Bord ist, sondern Gott, in unvergleichlich giftigen Farben, regendurchtränkten Großaufnahmen, dynamischen Ausbrüchen von Meeres- und Menschengewalt weitgehend der Vorlage getreu.

Und das heisst eben auch: so energiegeladen wie es Londons Text immer noch ist, voller Tempo, Einsicht und Wut, die sich in anderen Adaptionen (vor allem in der letztlich reichlich behäbigen bekannten ZDF-Verfilmung) selten findet. Ein Spektakel!

Der Marsch der Krabben: 112 S.; 19,80 EUR
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Der Seewolf
: 136 S.; 24,80 EUR
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