Unregelmäßig habe ich in den letzten zwei Jahren Kurzrezensionen fürs COMIX verfasst. Nicht alle sind erschienen (aber alle wurden bezahlt) – darum kurz und schmerzlos hier das Komplettset in zwei Teilen.

Teil 1 mit Magdy Al-Shafee, Hannes Binder, Tim Gaedke, Thomas Walterscheid und MONDO.

Magdy el-Shafee
Metro

„Metro“ des Ägypters Magdy el-Shafee mit herkömmlichen westlichen Comics zu vergleichen, wäre unfair. 2008, als die Graphic Novel erstmals in Ägypten erschien, gab es sowas wie eine eigenständige ägyptische Comicszene nur in Ansätzen. Die Zeichner vor Ort sind gerade erst dabei, ihre eigene Stimme zu finden und die Möglichkeiten des Mediums zu entdecken. Darum mag die rasante Actionstory des Software-Ingenieurs, der entlang des Kairoer Metro-Netzes durch die Metropole gehetzt wird, holprig, geschwätzig, gelegentlich inkonkret wirken. Fast spannender als der Comic selbst ist der Hintergrund des Buches. Aufgund für westliche Leser harmlos wirkende Freizügigkeiten wurde der Band gleich nach Erscheinen auf den Index gesetzt und ist bis heute nicht in seiner Originalsprache verfügbar. Am ehesten lässt sich „Metro“ wohl als Zeitdokument lesen, Zeichen eines Aufbruchs auch der Comics in der arabischen Welt.

(Edition Moderne, 100 S., 18,00 EUR)

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Hannes Binder
Glauser

In der dürr besiedelten Schweizer Krimi-Szene ragt er wie ein Gigant heraus: Friedrich Glauser, der mit seinen fünf Romanen um Wachtmeister Studer in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg eine aufsehenerregende Vermengung von Surrealismus, Zeitkommentar und Krimi geschrieben hat. „Glauser“ sammelt alle Arbeiten des Illustrators Hannes Binder zum Autor aus den letzten zwei Jahrzehnten. Zwei Comicadaptionen von Studer-Erzählungen, diverse im Grenzbereich zwischen Comic und Illustration siedelnde Annäherungen an Glausers Werk und eine biographisch/ autobiographische Meditation über Binder und Glauser. Der Schabkartonstil der meisten Bilder erinnert an die Schreckensvisionen von Binders Landsmann Thomas Ott, überhaupt ist der Band nicht nur wegen seiner 1,2 Kilo Gewicht keine leichte Lektüre.

(Limmat Verlag, Zürich, 550 S.; 57,00 EUR)

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Diverse
Mondo

Aus Fehlern gelernt: auf das erschreckend uninspirierte „AWZUM“ vom Vorjahr, herausgegeben von Johannes Kretzschmar, das kaum mehr war als eine gedruckte Schuttablade für diverse Comicblogger, folgt das vielversprechende „Mondo“ (60 S.; €5,00). Im überaus schicken Kleinformat und mit großartig krudem Cover von Thomas Gilke sammelt auch dieses Heft Kurzgeschichten diverser Comicblogger. Diesmal scheinen die Beiträge einer inhaltlichen Kontrolle unterlegen zu haben, was sich vor allem grafisch bemerkbar macht. Partiell vielleicht etwas zu sehr ins Niedliche abgleitend, liefern Leute wie Kretzschmar, die letztes Jahr bei Panini veröffentlichte Schlogger, Herausgeber Tim Gaedke und andere visuell ansehnliche Episoden ab. Inhaltlich ist da manchmal noch Luft nach oben, diverse Episoden versanden in der Aussagelosigkeit. Nichtsdestotrotz ein guter Start für ein vielversprechendes Projekt.

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Tim Gaedke
Punch Drunk

Apropos Tim Gaedke: der hat schon Ende letzten Jahres seine Graphic Novelette „Punch Drunk“ (Zwerchfell, 64 S.; € 8,00) bei Zwechfell veröffentlicht. „Punch drunk“ ist im Englischen der umgangssprachliche Ausdruck für Boxerdemenz, eine Form der Hirnzersetzung, die vor allem langjährige Faustkämpfer trifft. Ebenso bezeichnet es eine Form der Benebeltheit, eine Art negativen Rausch. Auf Gaedkes Comic, der mit der Benommenheit von Liebeskummer beginnt und mit einer Partyschlägerei endet, trifft beides zu. Zwischen den Zuständen erzählt Gaedke von Berliner Hipstern, immer auf Pille, mit Umhängetasche und pseudolustigem Shirt, die sich zielloser durch die Tage hangeln, als irgendein Slacker in den Neunzigern das je gekonnt hätte. Ein überhaupt nicht melancholischer, knapp gefasster und hochkonzentrierter Abgesang auf die einst gelobte Verschwendung der Jugend.

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Thomas Walterscheid/ Lana Martin
Lady Grey

Preview für eine länger angelegte Geschichte ist „Lady Grey“ (24 S.; € 4,00), das gar nichts mit den momentan angesagten fünfzig Schattierungen zu tun hat. Unter Schafen siedeln „Schwarze Tage“-Blogger Thomas Walterscheid und Lana Martin ihre Geschichte über ein graues Schaf an, das in der Herde hinter Stacheldrahtzaun seine Tage totschlägt. Das Heft ist Preview für gleich zwei geplante Bücher, die aus verschiedenen Perspektiven die gleichen Ereignisse beleuchten und die im Herbst erscheinen sollen. Aus den wenigen zusammengestellten Seiten lässt sich leider noch nicht mal erahnen, wohin die Erzählung gehen soll, nur dass es wie fast immer bei Thomas Walterscheid auf leicht widerborstige Weise sehr niedlich ist. Am Ende kommen die Wölfe, und an dieser ziemlich unniedlichen Stelle blendet die Preview leider aus.

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One Response to “Texte für COMIX (01)”

  1. Stefan Pannor » Blog Archive » Texte für COMIX (02) says:

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