Heiliges Ende, Batman: Oliver Grajewski erzählt in einer Beinahe-Endzeit-Vision von Vogelmenschen im Moor, der Klimawandel als Comic, Serons letzter Band der „Minimenschen“. Und als Ausreisser ein Auswahlband zu „Prinz Eisenherz“.

Oliver Grajewski
Der Tag im Moor
(Breitkopf Edition)

Gern wird ja so getan, als ob mit der deutschen Wiedervereinigung etwas geschehen sei, was die jüngere deutsche Geschichte in zwei Hälften teilt: davor und danach.

Oliver Grajewski bezieht auf angenehme Weise Stellung dagegen, indem er seine Horrorgeschichte aus den norddeutschen Marschen ganz klar historisch verortet. Die im hier und heute angesiedelte Erzählung über Menschenmutationen im Kaum-jemand-Land am äußertsen Ende von Schleswig-Holstein hat ihren Ursprung in den Protesten gegen das AKW Brockdorf Mitte der Achtzigerjahre.

Grajewski spannt einen weiten Bogen, so weit, dass die Narrative dahinter mitunter unsichtbar wird: von Kindheitserinnerungen über Marxismus-Debatten mit einem Zugschaffner bis eben zu den bizarren Moorereignissen, zu Hommagen an Hugo Pratt, Vogelmenschen, Vampiren.

Die Handlung steht nicht so sehr im Zentrum als das Gefühl von ihr: die Vermittlung von etwas Unerklärlichem („das etwas vor sich geht, das auch dich betrifft“, singen Tocotronic). Klarheit des Verstehens ist nicht: die Grafik ist schlierig, eher Andeutung von Geschehen als deutliches Zeigen.

Selbst da, wo Grajewski auf Fotovorlagen zurückgreift, bleibt alles unbestimmt, wenn schon nicht geografisch, dann inhaltlich: was genau da geschieht, wird nicht immer ganz klar.

Das ist auch der Haken an der Geschichte, die eben doch Geschichte sein will. Nicht immer ist klar, wer da agiert und wie. „Der Tag im Moor“ ist eine Studie in Bedrückung, in Verwirrung und atopischem Unwohlsein, nicht zuletzt ein Klotz von einem Buch, aber manchmal dann eben doch zu unkonkret.

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Diverse
Die große Transformation
(Jacoby & Stuart)

Eigentlich sind Sachcomics eine tolle Idee. Weil sie (wir erinnern uns: sequentielles Erzählen) eben nicht nur illustrierte Texte darstellen bzw. betextete Bilder. Anders als der Dokumentarfilm, in dem allzuviele Zahlen und komplexe Zusammenhänge meist tödlich sind, kann der Sachcomic eine Bild-Text-Kombination entwickeln, die auch bei hoher Komplexität spannend und nachvollziehbar bleibt.

Leider sind die wenigsten Comiczeichner gleichzeitig wissenschaftliche Experten, die wenigsten Experten Comiczeichner.

Woran es dann hakt, führt xemplarisch „Die große Transformation“ vor. Ein Schnellschuß, ja: der im Frühjahr erschienene Band nimmt inhaltlich bereits Bezug auf die Unwetter an der amerikanischen Ostküste im Dezember 2012.

Daran allein kann es nicht liegen, dass der Band nicht nur sperrig, sondern uninteressant ist. Die Faktenlage – der zugrunde liegende Bericht „Welt im Wandel“ – ist detailreich und ganz sicher diskussionsfähig.

Leider wird der Comicteil des Buches weitgehend heruntergebrochen auf talking heads: mehr oder weniger akkurat in Szene gesetzte Köpfe von neun beteiligten Autoren der Studie, die, nun ja, Dinge erklären. Und dann noch mehr Dinge erklären.

Comics müssen nicht pauschal ein Personal haben. Natürlich muss eine Geschichte von Figuren handeln. Ein Sachcomic aber kann ohne Probleme von Sachen handeln. Das Problem hier ist die Personalisierung der Darstellung.

Ist das der Eile geschuldet, mit der der Band produziert wurde? Sicherlich.Weniger Eile hätte dem Band gutgetan (wie überhaupt Eile der Tod jeder Dokumentation ist), der so eher wirkt wie eine PR-Schrift für neun der beteiligten Autoren.

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Hal Foster
Prinz Eisenherz Auswahlband
(Bocola)

Meine Verehrung für Hal Foster kennt bekanntlich keine Grenzen. Nachzulesen ist das XXXXX hier. Selbst seinem Spätwerk, als er nur noch die Vorzeichnungen leistete, kann ich Meriten zusprechen.

Daher müssen nicht viele Worte über diesen Band verloren werden. Enthalten sind diverse kürzere Episoden, mehrheitlich aus der ersten Dekade des Strips, also den vor Abenteuer strotzenden frühen Jahren des jungen Prinzen.

Die Auswahl, die Bocola getroffen hat, scheint vorzüglich, obwohl man natürlich immer streiten kann, welche Sequenzen in einen solchen Band gehören und welche nicht. Die Episoden belegen die grafische Vielfalt von Foster, nicht nur als herausragender Tier- und Landschaftszeichner, sondern auch als Meister bizarrer, gradewegs gruseliger und hochkomischer Szenerien.

Das Format ist im Vergleich zur Gesamtausgabe des Verlags geringfügig verkleinert, folgt ansonsten aber den akkurat aufbereiteten Reproduktionen dieser Bücher unverändert. Wer den Eisenherz komplett im Regal hat, wird hier nichts Neues finden. Für den Rest mag der grünstige Preis Argument sein, eine der atemberaubendsten Comicserien der Welt kennenzulernen.

Mehr zu Hal Foster:

  • PRINZ EISENHERZ Gesamtausgabe Band 5
  • PRINZ EISENHERZ von Hal Foster & Murphy Band 1
  • PRINZ EISENHERZ von Hal Foster & Murphy Band 2
  • TARZAN von Hal Foster
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    Seron
    Die Minimenschen – Gesamtausgabe 15
    (Egmont)

    So kommt alles zu einem Ende.

    Natürlich dürfen für die letzten gleich vier in diesem Band enthaltenen Einzelalben keine umwälzenden Neuerungen erwartet werden. Seron, tief in den Sechzigerjahren seines Lebens, zeichnet wie gehabt, aber praktisch ohne Ausfallerscheinungen im gefälligen Stil der klassischen Ecole Marcinelle, Geschichten, über die man sicher streiten kann, weil sie ebenfalls wie gehabt etwas zu gewollt komisch, etwas zu ungewollt sexistisch, etwas dann eben auch unvermeidlich altbacken sind.

    Natürlich, charmant. Es ist schön, dass „Die Minimenschen“ tatsächlich einen Abschluß bekommen, anders als die meisten frankobelgischen Semi-Funnes, die einfach irgendwann auslaufen. Es ist interessant und bedrückend zu erfahren, dass dieser Abschluß nicht beim traditionellen Verlag Dupuis erscheinen konnte, weil der alle Honorare für den Vorabdruck im Magazin eingefroren hat (was quasi einer Halbierung des Honorars für den Zeichner gleichkommt).

    Aber eben auch gut, dass es zu Ende ist. Ihre Halbwertzeit hat die Serie, die stets grafisch interessanter war als inhaltlich, schon länger überschritten. Die 15 Bände der Serie, zusammen fast zweieinhalbtausend Comicseiten, bieten eine kompakte Edition einer Serie, die man lesen kann, aber nicht muss, die hübsch ist, aber nie wirklich groß wird, kurz: ein Semiklassiker (ohne das irgendwie böse zu meinen).

    Mehr zu Seron:

  • DIE MAXIAUSGABE DER MINIMENSCHEN Band 1
  • DIE MAXIAUSGABE DER MINIMENSCHEN Band 3
  • DIE MAXIAUSGABE DER MINIMENSCHEN Band 13
  • DIE MÜLLERS von Seron
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