Fast schon Tradition: der Gratis Comic Tag findet dieses Jahr zum fünften Mal statt. Gelegenheit, ein kleines Fazit zu halten.

Sollte man die deutsche Comiclandschaft anhand der diesjährigen Hefte zum Gratis-Comic-Tag beurteilen, dann wäre die positive Schlussfolgerung daraus sicher die: Deutschlands Comicmarkt ist in einer Konsolidierungsphase. Nach ein paar recht ruppigen Jahren befinden wir uns im Auge des Sturms. Es ist alles ruhig.

Ganz ohne Frage aber kann man den deutschen Comicmarkt nicht anhand dieser 30 Hefte beurteilen – und das ist ein Problem.

Im fünften Jahr seines Bestehens steht der Gratis Comic Tag exakt da, wo er nicht sein wollte. Er ist eine Veranstaltung mehrheitlich für Fans, weniger für Neukunden. Er ist eine Veranstaltung von Comicverlagen, nicht von Verlagen, die Comics machen. Das ist in einer Zeit, in der viele Belletristikverlage sich am Comic versuchen, ein Unterschied.

Auch hier kann man zunächst einmal das Positive sehen. Es gibt, anders als in den Vorjahren, keinen einzigen negativen Ausrutscher unter den dreissig Gratisheften.

In den vergangenen Jahren gab es immer mal wieder inhaltliche und ästhetische Fehlgriffe, die nichtmal geschenkt jemand haben wollte. Es gab Hefte, die Titel bewarben, die über die üblichen Verkaufskanäle gar nicht zu kriegen waren. Und es gab die Werbebroschüre zum Münchner Comicfest, von der der Handel – der die Hefte massiv mitfinanziert – gar nichts hatte.

Das alles gibt es dieses Jahr nicht. Natürlich sind Geschmäcker immer noch verschieden, keiner wird an allem Gefallen finden. Aber keines der Hefte ist wirklich ein Fehltritt. Kein Heft unterschreitet ein gewisses inhaltliches oder grafisches Niveau, beleidigt den Leser oder den Handel, der das Heft anbieten muss.

Was aber auch fehlt, sind die Ausrisse nach oben. Es gab in den vergangenen Jahren positive Überraschungen, faszinierende Titel, die wie aus dem Nichts kamen ( „Lou!“, Tokyopop, „Doppeltes Glück mit dem roten Affen“, Avant).

Mit den Ecken und Kanten abgeschliffen, ist der Gratis Comic Tag 2014 ein rundgelutschter Drops. Man kennt die Routine. Jedes Jahr gibt es ein „Donald Duck“-Heft, ein „Simpsons“-Heft, ein „Horrorschocker“-Heft. Mindestens ein Heft bewirbt ein aktuelles Superhelden-Event. Es gibt ein Fantasy- oder Horror-Heft von Splitter (dieses Jahr sogar beides).

Und dass wir uns nicht mißverstehen: alle diese Hefte sind richtig gut. Verläßlich. Einige, wie das Horrorschocker“-Heft von Weissblech, sind sogar wichtig: Levin Kurios Kleinverlag hat kaum andere Möglichkeiten, so breit und effektiv Werbung für seine phantastischen Hefte zu streuen. Ja. Das ist gut so.

Aber dass das, was da kommt, so regelmäßig verläßlich kommt, sorgt eben vermehrt dafür, dass eine bereits bestehende Zielgruppe der dieserart angefixten Sammlerklientel bedient wird, die sich nur das holt, was da regelmäßig verläßlich kommt.

Und darüber hinaus? Carlsen bewirbt „Attack on Titan“, ein Titel, dessen Erstauflage im Grunde schon bei Auslieferung ausverkauft war. Cross Cult bewirbt „Avatar“, in dem Fall ein Comic zur Trickserie gleichen Namens, die mörderpopulär ist. Die – ja, wirklich – ebenfalls guten Comics dazu sind schon eine Weile auf dem Markt.

Natürlich gibt es Titel mit gewissem zukunftsweisendem Potential. „Kinderland“ von Reprodukt ist eine Graphic Novel, an der in diesem Jahr kein Vorbeikommen sein wird. „Gung Ho“ von Cross Cult verspricht in der Leseprobe viel, obwohl irgendwie unklar bleibt, was genau es eigentlich verspricht. Beide Hefte machen, das ist das Gute, neugierig. Aber Mawil und das Duo Kummant/ Eckartsberg sind nun wirklich keine Neuentdeckungen, sondern lange und zurecht etabliert.

Das ist alles so eingängig! Es fehlen eben die anderen Verlage. Nicht nur Avant oder Zwerchfell oder sogar Holzhof, die mit ihren manchmal kruden oder sperrigen Sachen angenehme Kontrapunkte gesetzt haben.

Suhrkamp etwa wird vermisst. Das von Andreas Platthaus etablierte Comiclabel des Verlages ist längst eine Quelle überraschender Bücher. Und Nicolas Mahler, dort produktiv wie kein zweiter, sowieso eine Marktmacht für sich.

Metrolit. Jacoby & Stuart. Knesebeck. Bastei Lübbe. Atrium. Verlage, die sicher manchmal an der klassischen Klientel der Comicsammler vorbeiproduzieren. Dafür umso sicherer im Buchhandel und beim Buchhandelspublikum stehen.

Der Gratis Comic Tag war von Anfang an dazu gedacht, den Fachhandel zu stärken und Comic als Medium im Buchhandel besser sichtbar zu machen. Nicht zuletzt aufgrund anderer vertrieblicher Strukturen sind die zuletzt genannten Verlage im Buchhandel oft besser vertreten als im Fachhandel. Vielen, vor allem mittleren und kleinen, Comicverlagen mangelt es dafür an einem guten Stand im Buchhandel.

Beide Seiten könnten sich gegenseitig befruchten. Verlage wie diese können ein anderes Publikum anlocken. Das war vermutlich am Anfang auch genauso gedacht.

So wie er sich dieses Jahr darstellt, ist der Gratis Comic Tag aber vor allem auf den Fachhandel ausgerichtet. Die Comicszene – und ich bin schon wieder bereit, es positiv zu sehen – findet zurück zu sich selbst. Der Fachhandel ist das Rückgrat dieser Szene und alles, was ihn fördert, ist gut.

Man kann es aber auch anders sehen. Die Comicszene bleibt unter sich. Der Gratis Comic Tag 2014 als Event, bei dem sich die Comicszene selbst feiert – genügt das?

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Überblick: sämtliche Rezensionen zum Gratis Comic Tag.

Die Artikel zum Gratis-Comic-Tag 2014:

  • Teil 1
  • Teil 2
  • Teil 3
  • Teil 4
  • Man bleibt unter sich. – Ein (Vorab-)Fazit zum Gratis Comic Tag 2014
  • Die Artikel zum Gratis-Comic-Tag 2013:

  • Teil 1
  • Teil 2
  • Teil 3
  • Teil 4
  • Teil 5
  • Die Artikel zum Gratis-Comic-Tag 2012:

  • Alben
  • Funnies
  • Action
  • Indies
  • Helden und Verlierer
  • Anthologien
  • Die Artikel zum Gratis-Comic-Tag 2011:

  • Die Funnies
  • Die Fiesen
  • Fantasy & Science Fiction
  • Die Indies
  • Die Artikel zum Gratis-Comic-Tag 2010:

  • Götter, Spötter, kleine Mädchen
  • Unter Indies
  • 2 Responses to “Man bleibt unter sich. – Ein (Vorab-)Fazit zum Gratis Comic Tag 2014”

    1. Volker Robrahn says:

      „So wie er sich dieses Jahr darstellt, ist der Gratis Comic Tag aber vor allem auf den Fachhandel ausgerichtet“.

      Sollte das aber auch nicht von Anfang der eigentliche Schwerpunkt sein?
      Den Comic als Medium im Buchhandel „besser sichtbar“ zu machen war meines Wissens
      ein Aspekt, der erst so ab dem dritten Jahr dazu kam, bzw. zeigten irgendwann einige Buchhändler von selbst Interesse an einer Teilnahme.
      Dass diese aber womöglich wirkungslos verpufft, wenn man abseits des GCT kaum Comics anbietet und auch zudem niemand in der Filiale diese Klientel betreuen kann oder will, wäre
      wenig überraschend.

      Die gelobten „Holzhof Comix“ waren andererseits genau einer dieser Problemfälle, bei denen der Bezug des Verlagsprogramms über die gängigen Vertriebe kaum möglich war.

    2. Steffen Volkmer says:

      Man malt schwarz. – Ein Kommentar zum (Vorab-)Fazit zum Gratis Comic Tag 2014

      Fast schon Tradition: der Gratis Comic Tag findet dieses Jahr zum fünften Mal statt und es wird – zum Glück – darüber geschrieben. Gelegenheit, dies um eine andere Betrachtung zu einem kleinen Fazit zu erweitern.

      Sollte man die deutsche Comic-Landschaft (ich weiß, es ist nicht richtig – aber Wortverbindungen mit „Comic“ lesen sich mit Bindestrich einfach besser, sorry) anhand der diesjährigen Hefte zum Gratis Comic Tag beurteilen, ist die positive Schlussfolgerung daraus sicher die: Deutschlands Comic-Markt lebt und gibt sich selbstbewusst genug, dies mit einem Event zu zeigen, das zum einen die Vielfalt des Marktes zeigt und zum anderen die Fähigkeit der Szene beweist, sich über Jahre hinweg zusammen, über Verlagsgrenzen hinweg, für eine Sache einzusetzen.

      Natürlich kann man den deutschen Comic-Markt nicht anhand der 30 Hefte des GCT beurteilen – und das ist auch kein Problem, weil man das gar nicht muss. Dafür sind die ausgewählten Hefte weder geeignet, noch gedacht.

      Im fünften Jahr seines Bestehens steht der Gratis Comic Tag exakt da, wohin ihn die ursprüngliche Idee bringen sollte. Er ist eine Veranstaltung für Fans, die – allen Unkenrufen zum Trotz – nicht nur den Hardcore-Fan anspricht, sondern das weiter gestreute Fantum. Ob er Neukunden generiert, sei dahingestellt – aber es ist bewiesenermaßen ein Tag, an dem Sammler, Gelegenheitskäufer und schlicht Neugierige sich aufmachen, die Comics-Shops zu besuchen. Er ist außerdem – und das nun schon seit fünf Jahren – ein Event, über das die Presse kontinuierlich berichtet und dabei vielerorts auf die lokal teilnehmenden Shops verweist. Wichtige PR, die von Beginn an eines der Hauptziele des Gratis Comic Tags war.

      Der GCT ist eine Veranstaltung von Comic-Verlagen, nicht von Verlagen, die Comics machen. Das ist in einer Zeit, in der viele Belletristik-Verlage sich am Comic versuchen, ein Unterschied – auch wenn es für die Betrachtung zum Gratis Comic Tag ziemlich unerheblich ist.

      Es gibt, anders als in den Vorjahren, keinen einzigen negativen Ausrutscher unter den 30 Gratisheften. In den vergangenen Jahren wurden beim Versuch, es allen rechtmachen zu wollen, Hefte mitpubliziert, die der anvisierten Klientel wenig Freude bereiteten, wenngleich sie Teil des gelebten Szene-Pluralismus waren. Die Organisatoren haben daran gearbeitet, dies zu optimieren und es geschafft, den Gratis Comic Tag 2014 in ein für die Fans durchweg leckeres Bonbon zu verwandeln, das – trotz verschiedener Geschmäcker – allen schmecken dürfte, auch wenn es verlagsseitig einigen sauer aufstoßen dürfte.

      Es gibt die Kontanten, auf die sich die Fans verlassen und bereits vorab freuen, wie das „Donald Duck“-Heft, das „Simpsons“-Heft, das „Horrorschocker“-Heft. Und in diesem Jahr zwei Hefte, die aktuelle Superhelden-Events bewerben, was mit Blick auf die zahlreichen Genre-Verfilmungen, ganz im Sinne der angestrebten Breitenwirkung ist. Es gibt ein Fantasy- oder Horror-Heft von Splitter (dieses Jahr sogar beides). Es gibt da auch kein Missverständnis: alle diese Hefte sind richtig gut. Sie dienen der Sache. Einige, wie das Horrorschocker“-Heft von Weissblech, sind sogar wichtig.

      Das bedient auch die Sammler, jene ganz spezielle Zielgruppe, ohne die viele Comic-Shops gar nicht mehr bestehen können und viele Veröffentlichungen schlicht unmöglich wären – ja, auch für die ist der Gratis Comic Tag da. Aber eben nicht nur.

      Carlsen bewirbt „Attack on Titan“, ein Titel, dessen Erstauflage – so wurde geschrieben – schon bei Auslieferung ausverkauft war. Ein guter Grund, mit dem GCT-Heft die Zweitauflage zu pushen. Cross Cult bewirbt „Avatar“, in dem Fall ein Comic zur Trickserie gleichen Namens, die mörderpopulär ist. Die Comics dazu sind schon eine Weile auf dem Markt und machen sich ebenfalls im Sinne der Breitenwirkung bestens im Aufgebot des GCT.

      Natürlich gibt es auch andere Titel, die Durchmischung ist ein weiterer wichtiger Aspekt beim Gratis Comic Tag und Graphic Novels sollen Seite an Seite mit den Kiosk-Titeln stehen. „Kinderland“ von Reprodukt gehört dazu, ebenso wie „Gung Ho“ von Cross Cult. Und dann ist da ja noch das Flip-Cover-Heft mit dem die beiden Graphic Novels „Die Stern-Bande“ und „Capote in Kansas“ angeteast werden und Panini einmal mehr beweist, dass man es mit dem Segment ernst meint (es ist wohl verwerflich, darüber zu schreiben, wenn man selbst mit Panini verbunden ist – aber hoffentlich nicht verwerflicher, als die Titel einfach auszulassen). Auch Mawil und das Duo Kummant/ Eckartsberg machen sich gut, sie sind ja auch schon lange dabei und zu Recht etabliert.

      Das ist alles so, wie es sein soll! Auch wenn Verlage fehlen, die sich mit ihren manchmal kruden oder sperrigen Sachen die Frage gefallen lassen mussten, wie sinnvoll ihre Teilnahme in der Vergangenheit war. Sie gehören natürlich zum Comic-Markt, aber eben nicht so sehr zum Gratis Comic Tag in der heutigen Konzeption. Dafür sind einige zu „indie“ und andere haben ihren Schwerpunkt im Buchhandel. Das unter einen Hut zu bringen, überstieg in den letzten Jahren trotz guten Willens selbst die Möglichkeiten der GCT-Macher – aber man wird auch hier weiter diskutieren und lernen, das haben die bisherigen vier Gratis Comic Tage gezeigt.

      Der Gratis Comic Tag war von Anfang an dazu gedacht, den Fachhandel zu stärken – weniger, Comic als Medium im Buchhandel besser sichtbar zu machen. Nicht zuletzt aufgrund anderer vertrieblicher Strukturen müssen die Verlage für den Buchhandel sowieso andere Wege gehen. Wie und wie viele Buchhandlungen in das Konzept des GCT integriert werden können und sollen, war schon immer einer der schwierigsten und strittigsten Punkte.

      Tatsächlich war der Gratis Comic Tag aber schon immer vor allem auf den Fachhandel ausgerichtet. Und das jährlich wiederkehrende Interesse zeigt, wie erfolgreich das Instrument GCT hier ist. Mehr noch: es hat sich eine Dynamik entwickelt, die weit über das Herausgeben von Gratis-Comics hinausgeht. Wenn man sieht, wie viele Aktionen inzwischen um den GCT herum gestickt werden – von Grillpartys über Signierstunden bis zu Cosplays (und das sind nur drei von vielen) – dann hat das Event, das uns 10. Mai erwartet, die kühnsten Hoffnungen seiner Initiatoren längst in den Schatten gestellt.

      Wer sagt, die Comic-Szene bliebe dabei unter sich, ist möglicherweise ein notorischer Schwarzmaler. Der Gratis Comic Tag 2014 ist ein Event, bei dem sich die Comic-Szene selbst feiern darf! Und viele feiern mit, obwohl sie nicht zur „Szene“ gehören, weil sie trotzdem Comics mögen – das genügt.

      Steffen Volkmer