In diesem Monat wird Ralf König in Erlangen den Max-&-Moritz-Preis für sein Lebenswerk erhalten. Einerseits berechtigt, andererseits zu früh, ist es Anlaß, nein, Gelegenheit, sich ein wenig mit dem Zeichner und seinem Werk zu beschäftigen. Begonnen mit zwei Nachdrucken früher und fast früher Strips.

Es gibt Frühwerke, die lassen bereits erahnen, was für ein Meister da erwachsen wird. Das gleich vorweg: „Schwul-Comix 1“, Ralf Königs erste größere Soloveröffentlichung gehört nicht dazu.

Dass dem Band dennoch ein legendärer Ruf vorauseilt, liegt daran, dass er, 1980 erschienen, seit dreissig Jahren nicht nachgedruckt wurde, anders als die drei Folgebände der „Schwul-Comix“ (gelegentlich unter anderem Titel), und nur als Raubdruck oder zu hohen Sammlerpreisen erhältlich war.

Nur Auszüge fanden sich, häufig stark verkleinert, in Ausstellungskatalogen, bio- und autobiografischen Bänden.

Liest man die Comics, wird verständlich, weshalb Ralf König das Album so lange nicht nachgedruckt haben wollte. Schon im Vergleich zum nur kurz danach entstandenen „Schwul-Comix 2“ – beide Teile zusammen bilden hier den Auftakt einer Edition mit König-Frühwerken bei Männerschwarm – wirken die Strips und Cartoons unreif, nicht nur grafisch. Im Vergleich zu dem, was von König danach folgte, wirken sie befremdlich.

Es sind zum Teil Sexfantasien, zum Teil Strips, die wohl noch ein wenig mit dem eigenen Coming-out hadern (jedenfalls gibt es verblüffend viele echte und Schein-Heteros, die mit homosexuellen Erlebnissen hadern, in den frühen Comics), mindestens ein Drogencomic ist dabei, das Finale eines anderen Strips rippt ganz offen Fassbinder.

Das ist manchmal obszön, in seiner unbefangenen Art sicher, wie der Autor im Vorwort sagt, „rotzig“. Das ist manchmal sehr lustig („Ich glaub mich fickt ’ne Ameise“). Aber gut kann man das noch nicht nennen.

König liegt hier noch dichtauf an seinen damaligen Vorbildern. Nicht nur die im Vorwort erwähnten Tardi und Druillet, sondern sicher auch die Comicstrips aus der späten „Pardon“ bzw. frühen „Titanic“, vor allem FK Waechter und Chlodwig Poth, scheinen als Inspiration durch. Der Titel, „Schwul-Comix“, ist natürlich ein Rip-Off des Underground-Magazins „U-Comix“.

Aber auf andere Art gut ist es dennoch, dass diese frühen Comics hier abgedruckt sind, in Combo mit dem kurz danach erschienen zweiten Teil. Zusammen verdeutlichen sie, wie stark, wie schnell sich König in dieser Zeit entwickelte. Nicht nur der grafische Sprung ist atemberaubend, auch der Inhaltliche.

Spätestens ab 1984, mit „Schwul Comix 2“, seinem insgesamt grade mal vierten Buch, zeigt sich König grafisch fast ausgereift, inhaltlich selbstbewusst und mit genug Lebenserfahrung versehen, um die schwule Szene realistisch karikieren zu können. Man kann es auch auf eine simple Feststellung reduzieren: da sind sie, die Knollennasen!

Dennoch sollte man beide hier versammelten Bücher aufmerksam lesen, nicht nur den zweiten Teil. Es finden sich, verstreut, roh, manchmal krude, Themen und Ideen, die tragend in späteren Büchern werden sollten.

Der Mini „Die Mörderschwänze“ ist ohne Frage die Ur-Idee von „Kondom des Grauens“. Diverse Sequenzen aus dem schwulen Alltag fanden in deutlich pointierterer Form bei „Konrad & Paul“ Eingang. Es gibt einen ersten AIDS-Comic und tatsächlich sogar einen Strip zur Schöpfung des Menschen. Gelegentlich reimt König, und das klingt natürlich wie Wilhelm Busch.

„Der junge König“ schliesst als solches die Klammer, das bisherige Werk verständlich zu machen. Es lässt nachvollziehbar werden, wie Themen und Ideen im Werk des besten deutschen Comicerzählers der Nachkriegszeit sich langsam entwickelten, aber wie eben vieles fast von Anfang an angelegt war.

Dass das ganze editorisch hervorragend aufbereitet ist, mit einem langen Vorwort und Randnotizen von König, mit raren frühen und teilweise unveröffentlichten Strips, ist das Sahnehäubchen auf dem Band.

Ganz anders leider als bei der schon vor einigen Monaten erschienenen „Konrad und Paul“-Gesamtausgabe, die nicht nur im direkten Vergleich abfällt. Die trägt den Untertitel „Ist der Ruf erst ruiniert“, und das nicht ganz zu Unrecht.

Ganz ohne Frage, „Konrad und Paul“ ist ein großartiger Strip und die Episode „Was bleibt“ womöglich der beste One-Pager, den ein deutscher Comiczeichner gemacht hat. Auch wenn die Serie als Ganzes klar im Alltag der Neunzigerjahre verankert ist, ist sie doch emotional, in ihrem realistischen Gestus und in ihren Pointen kaum gealtert.

Das alles neu aufzulegen, nachdem die vorherigen beiden Albeneditionen vergriffen waren, ist eine hervorragende Idee.

Aber doch bitte nicht so lieblos. Tatsächlich enthält der Band im Kern die drei Originalalben, die ihrerzeit wiederum in sehr unchronologischer Folge alle, vielleicht auch nur fast alle, „Konrad und Paul“-Strips aus der Magazinveröffentlichung nachdruckten. Statt nun die Strips chronologisch zu ordnen und so die Entwicklung der Serie für den Leser nachvollziehbar zu machen, bleibt es beim Chaos zwischen kruden Frühwerken und reifen Strips. Es tun sich Brüche auf, in der grafischen und inhaltlichen Kontinuität, die vermeidbar gewesen wären. Qualitativ ist es eine Achterbahnfahrt.

Das ist unangenehm. Dass die Ausgabe trotz anderweitiger Aussage des Verlags nicht komplett ist, dagegen schlicht ärgerlich. Zwar gibt es einen neuen einleitenden Kurzcomic von König. Dafür fehlt der Vierseiter, der die ursprüngliche Albenedition einleitete, ebenso wie diverse Cartoons, Skizzen, Scribbles (von teilweise unveröffentlichten Strips) und derlei aus der zweiten, kleinformatigen Albenedition.

Damit stellt der Band einen Rückschritt dar. Und es ist wohl nicht damit zu rechnen, dass die Mängel demnächst behoben werden. „Konrad und Paul“ sollte man gelesen haben. Aber in dieser Ausgabe kann man es nur bedingt empfehlen.

Der junge König, Bd. 1
Männerschwarm, 180 S.; € 26,00

Konrad und Paul: Ist der Ruf erst ruiniert
Egmont, 160 S.; € 25,00
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Ralf König:

  • 01: Der frühe König
  • 02: Raumstation Sehnsucht
  • 03: Das Interview, Teil 1
  • 04: Das Interview, Teil 2
  • 2 Responses to “Ralf König (01): Der frühe König”

    1. Stefan Pannor » Blog Archive » Ralf König (02): Raumstation Sehnsucht says:

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