In diesem Monat wird Ralf König in Erlangen den Max-&-Moritz-Preis für sein Lebenswerk erhalten. Einerseits berechtigt, andererseits zu früh, ist es Anlaß, nein, Gelegenheit, sich ein wenig mit dem Zeichner und seinem Werk zu beschäftigen. Zum Finale ein zwar schon zehn Jahre altes, bis dato aber unveröffentlichtes Interview in zwei Teilen.

[Disclaimer: Dieses Interview entstand 2004 für SPIEGEL-Online, wo es in stark gekürzter Fassung erschien. In der hier vorliegenden, dreimal so umfangreichen Langfassung, ist es bis dato unveröffentlicht. Es ist in vieler Hinsicht gnadenlos veraltet und sollte eher als Momentaufnahme einer vergangenen Zeit gelesen werden, nicht als Bestandsaufnahme. SP]

SO: In den Medien hieß es, du hast Geldsorgen.

König: (lacht) Eine ganz blöde Geschichte. Ich war in Berlin, wegen der Promotion für den „Lysistrata“-Film. Ein Redakteur zeigte sich sehr überrascht, dass ich in Spanien überhaupt Erfolg habe als Comiczeichner. Den meisten ist ja nicht klar, dass ich auch im Ausland ganz gut dabei bin. Der deutete an, dass ich demnach quasi im Geld schwimmen müsste. Dem ist halt nicht so. Es war tatsächlich eine Weile so, hauptsächlich durch den Konkurs von Achterbahn, dass ich ziemlich scheiße da stand. Da ist die Arbeit von einem ganzen Jahr, nämlich das Buch „Wie die Karnickel“ und der Kalender, in die Insolvenzmasse geschlupft. Ich war ja auch nie so der Kaufmann und hatte öfter mal Scheiß-Verträge. Deshalb bin ich eben nicht der Bestseller-Autor, dem’s ganz toll geht. Die „BILD“ hat dann daraus gemacht, dass ich kurz vor’m Sozialamt bin oder so. Ich wusste davon nichts, bis mein Vater mich völlig aufgelöst anrief. Da fiel ich dann aus allen Wolken. Superblöd, superpeinlich – aber so dramatisch wie das da stand, ist es mal wieder nicht gewesen.

SO: In besagtem Interview stand auch: „Ich habe gar nichts davon, wenn meine Bücher in spanischen Buchhandlungen liegen“.

König: „Gar nichts“ ist falsch. Aber diese Lizenzen fand ich wirklich nie so aufregend. Es ist schick, wenn die Bücher etwa in Spanien in den Buchläden rumliegen. Aber finanziell bringt mir das wenig. Der Betrag, der da rüberkommt, ist eher niedlich. Der wird geteilt zwischen dem ausländischen Verlag und dem Verlag, der hier die Rechte hat. Und dann komm irgendwann ich dran.

SO: Sind denn die Comics deine Haupteinnahmequelle?

König: Klar. Davon leb’ ich. Ich hab ja auch kein Merchandising in dem Sinne. Es gab mal Socken und so. Aber das war alles nur Spielerei. Und mit Filmrechten hatte ich ja bisher mehr Pech als alles andere. Wenn ich mal wie bei „Wie die Karnickel“ ein Drehbuch geschrieben hab, dann war das ordentlich.

SO: Wie war das z.B. mit der SAT1-TV-Serie „Bewegte Männer“?

König: Da hab ich gar nix mit zu tun.

SO: Es basiert auf Konzepten von dir.

König: Die Constantin-Film wollte damals wegen dem Riesen-Erfolg einen „Bewegten Mann 2“ ins Kino bringen. Ich habe mich damals insgesamt sehr benachteiligt gefühlt, weil ich von dem Film so gut wie nix von hatte. Rowohlt hatte Scheiße gebaut, und die Constantin war auch kaum entgegenkommend. Darum hatte ich keinen Bock, einen zweiten Teil zu schreiben, auch wenn das sehr viel Geld für mich bedeutet hätte. Constantin wollte dann die Rechte an den Namen der Figuren haben, um einen anderen Schreiber ran zu setzen. Also habe ich ihnen verkauft, dass die Figuren Norbert Brommer und Axel Feldheim heißen können. Aus dem Kinofilm wurde nix, weil wohl kein richtiges Drehbuch zustande kam. Das hat mich natürlich gebauchpinselt. Wer mich will, der muss mich auch nehmen. Aus dem Material für den zweiten Kinofilm wurde dann diese Serie gebastelt. Ich hab das vorher nicht mal gewusst. Und ich habe damit auch nichts zu tun.

SO: Ähnlich wie bei „Lysistrata“ – die Filmrechte waren verkauft, und auf einmal war der Film fertig.

König: Ja, das war ein bisschen schade. Das ist aber trotzdem was ganz anderes. Diese „Bewegte Männer“-Serie finde ich fürchterlich. Ich habe zwei Folgen geguckt und konnte überhaupt nicht verstehe, was das denn soll. Mein Agent hat auch klar gemacht, dass mein Name nicht in Zusammenhang mit der Serie vorkommt. Bei „Lysistrata“ hat man mich dagegen vorher nach Barcelona eingeladen. Das war eine supergeile Runde, der Regisseur hat mir Schauspielerfotos gezeigt und Kostümentwürfe. Die Leute waren ganz begeistert von dem Stoff. Dann hörte ich ein paar Jahre nichts mehr davon. Und eines Tages hieß es dann, der Film sei fertig. Das fand ich schon schade. Vor allem, weil der Comic wohl nicht genug Dialog für 90 Minuten Film hergibt. Da wurde ganz viel rein geschrieben. Ich wäre sehr dankbar gewesen, wenn ich das hätte schreiben dürfen. Weil in dem Film viel gefaselt, was nicht von mir ist und wo ich auch den Witz nicht raus höre.

SO: „Lysistrata“ war 1987 dein zweiter längerer Comic. Was hast du für ein Gefühl dabei, ihn heute auf der Leinwand zu sehen?

König: Ich gucke ja selten in meine ganz alten Comics. „Lysistrata“ ist eine Ausnahme. Weil das im Grunde gar nicht von mir ist, sondern von Aristophanes. Den „Bewegten Mann“ etwa könnte man heute nicht mehr so drehen. Aber diese antike Geschichte mit den Frauen, die sich verweigern, das geht auch heute noch. Das ist ein bisschen zeitlos. Ich mag den Film auch. Ich hab hier und da meine Meckereien, die sicher berechtigt sind. Aber im großen und ganzen finde ich den sehr liebevoll gemacht. Es ist leider so, dass die Schwulen wieder viel zu tuntig sind, was mich sehr stört. Parallel dazu sind die Frauen natürlich wieder viel zu schön. Wenn Heteros casten, dann sieht das halt so aus.

SO: Das ist auch der größte Unterschied zum Comic…

König: Das liegt an der Angst der Filmproduzenten, dass das Publikum irgendwas nicht fressen würde. Man will es allen recht machen, weil man ganz viele Leute ins Kino ziehen muss. Und dann kommt am Ende immer das gleiche bei raus. Das ist nun leider bis zu einem gewissen Grad auch bei „Lysistrata“ passiert. Bei mir wäre die so eine Hella von Sinnen gewesen, eine Kampflesbe. Aber na gut, muss das halt eine schöne Frau sein. Schlimmer fand ich die Schwulen, wie die alle super-transig und geschminkt da rumtucken. Das ist fast wie bei Bully. Und ich kann das nicht mehr sehen. Das ist in meinem Comic halt ganz anders.

SO: Es gibt in deinen Comics auch diese ganz normale Schwuchtelei. Dass du die Tunten auch als extreme Zerrbilder darstellst.

König: Ich meine einfach, dass dieses Bild der Schwulen in den Medien einfach in den 70er Jahren stecken geblieben ist. Ich bin weit davon entfernt zu sagen, dass es keine Schwuchtelei bei den Schwulen gibt. Das ist gut und richtig so. Aber es wird immer wieder als Bild herangezogen. Zum Beispiel diese Iglo-Werbung fand ich so schäbig. Holger & Max Tiefkühlkostwerbung, wo halt zwei Schwule für diese Produkte werben sollten, und dann hieß es „Tatü, tata, das Essen ist da.“ Der kam rein in die Küche, schwenkte mit den Hüften und „Tatü, tata, das Essen ist da.“ Auf die Frage, warum das so eine dumme Nummer sein musste, antwortete Iglo: „Wenn die das nicht machen würden, würde doch kein Mensch verstehen, dass die schwul sind.“ Das finde ich völlig bescheuert und in die Kerbe geht für mich auch Bully. Bei mir in den Comics sind das ganze Typen. Das sind, wenn geschwuchtelt wird, dann ist das aufgehoben in so einem Kontext. Und wenn geschwuchtelt wird, dann sind das einfach Charaktere, die haben trotzdem ihre Geschichte und ihre… ich bin weit davon ab zu sagen, es gäb keine Schwuchtelei. Das ist schon so. Und wenn Schwule wirklich schwuchteln, dann sind sie allemal origineller, als Bully das in seinem ganzen Film sein kann. Ich finde das einfach so arm, einen ganzen Film zwei Stunden auf das Ding zu setzen, dass da irgendwelche Weltraumschwule sich zum Affen machen. Das ist mir einfach zu wenig.

SO: Deine Schwuchteln sind ja auch recht exaltierte Figuren. Wie stark siehst du die Gefahr, dass du damit dieses Schwulen-Klischee mitzementiert hast?

König: Ich sehe da gar keine Gefahr, weil das bei mir in einem Kontext ist. Das Schwuchteln steht bei mir nicht im Vordergrund. Ausserdem ist das auch eine Zeitfrage – ich bin sicher nicht in den 70ern stehen geblieben. Wenn du in meine ganz alten Comics guckst, da ist das vielleicht noch häufiger der Fall. Ich bin ja selber so eine Kampftunte gewesen. Das war ja auch mal ein Politikum damals, so eine weibliche Seite rauszulassen und ganz trotzig auch das zu zeigen. Das sieht man auch heute noch bei den CSDs. Es geht ja auch gar nicht darum, das zu verneinen. Aber wenn du in meine letzten Comics siehst, dann wirst du merken, dass das wirklich seltener geworden ist, genau wie das auch in der schwulen Szene seltener geworden. Ist. Aber das haben die Medien irgendwie nicht verstanden oder sie wollen es nicht verstehen, weil es halt unheimlich lustig ist, tuntige Schwule vorzuführen. Wenn man das nicht will, wenn man Schwule anders darstellen will, muss man sich natürlich in die Materie hineinbegeben. Und dazu sind die Leute zu bequem. Da macht man lieber schwuchtelige Schwule und hat dann seine Lacher. Das finde ich ziemlich bescheuert. Ich hab zum Beispiel bei dem Drehbuch von „Wie die Karnickel“, als ich den Auftrag bekam, gleich gesagt, das keine einzige Tunte drin vorkommt. Da war dann erst mal ratloses Kopfkratzen. Aber ich hab das nicht eingesehen, warum ich das Klischee bedienen soll, und hab halt geschaut, dass ich den Humor wo anders her hole.

SO: Hat diese Darstellung von Schwulen in den Medien Auswirkungen auf dich oder deine Comics?

König: Für mich sehe ich da keine Auswirkungen. Ich sehe aber Auswirkungen auf das Selbstverständnis. In den Großstädten ist das alles kein Problem, da gibt es eine schwule Szene, da haben die Leute schon ihr Selbstbewusstsein, da brauchen die den Quatsch nicht. Aber in den Kleinstädten und Dörfern, wenn da jemand mit 14, 15 Jahren schwul st, dann hat der die gleichen Probleme, wie das in den 70ern auch war. Und ich hab das damals immer schrecklich gefunden, wenn Schwule so vorgeführt wurden als Exoten und Supertransen. Das ist leider bei „Lysistrata“ auch so. Der Film würde sehr viel besser funktionieren, wenn glaubhaft wäre, dass diese Männer auch erotisch sind. Heterosexuelle Männer sollen da ja aus Frauenmangel mit schwulen Männern sich vergnügen. Und das ist schwer vorstellbar, wenn man da solche albernen Tunten sieht, die so gar keine Erotik haben. Das ist auch ein Missverständnis, dass das geil wäre. Ich glaube, das glauben auch einige Heteros, dass Schwule Tunten geil finden.

Ralf König:

  • 01: Der frühe König
  • 02: Raumstation Sehnsucht
  • 03: Das Interview, Teil 1
  • 04: Das Interview, Teil 2
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