Disney-Comic-Klassiker abseits von Barks haben es schwer. Ein Grund mehr, sich über jede Publikation zu freuen, die Hintergründe jenseits des Duckman beleuchtet. Wie dieser Band, der einmal mehr den viel zu oft übersehenen Al Taliaferro nahebringt.

Als Karl der Käfer aus dem Krieg gegen die Fliegen nach Hause kommt, sind nicht nur seine Eltern unbekannt verzogen. Auch das Haus steht zur Zwangsversteigerung. Aber mit etwas Ärmelhochkrempeln und Spucke lässt sich auch diese mißliebige Situation gradebiegen: „Wir sind pleite bis aufs Blut, trotzdem amüsieren wir uns gut.“

Man mag das als unerträglich süßliche Durchhalteparole lesen. Erschienen ist die Episode 1933 im kurzlebigen „Bucky Bug“-Strip (dt. als Karl der Käfer). Gezeichnet hat sie Al Taliaferro, kurz bevor er den täglichen „Donald Duck“-Strip übernahm. Geschrieben hat sie Earl Duvall, der auch kurzzeitig Mitarbeiter an Floyd Gottfredsons „Micky Maus“-Strip war. Sie ist als Bonus in dem sonst eigentlich komplett der Ente gewidmeten Band enthalten. Sie ist süßlich, mehr aber: erhellend.

1933 waren die Nachwehen des Schwarzen Freitags noch deutlich zu spüren, die Große Depression auf dem Höhepunkt, und die harten Jahre der Dust Bowl, als ganze von Landwirtschaft abhängige Staaten der USA versandeten, ließen sich schon erahnen. „Bucky Bug“, der vordergründig lustige Funny, griff in Episoden wie dieser das Thema der Verelendung auf, genauso wie das problem der Veteranen, die als Heimkehrer aus dem I. Weltkrieg kaum Unterstützung vom Staat erhielten. Damit war „Bucky Bug“ damit nicht nur ein bunter Strip über Tiere, die seltsame Sachen machen und gereimte Parolen ausgeben. Er war Kind seiner Zeit, mehr noch: Produkt der Tagespresse.

Dass der heutige Comic seine Wurzeln im Journalismus und in der Karikatur hat, in der täglichen Zeitung, und dass er in den Vorkriegsjahren im Grunde das war, was das Fernsehen nach dem Krieg war, wird in Deutschland, wo das kollektive Comicgedächtnis mehrheitlich erst nach 1945 beginnt, häufig ausgeblendet. Viele dieser Strips waren kein Eskapismus, sondern Erweiterung der Nachrichten, verorteten ihr Geschehen und ihre Akteure zumeist fest im Jetzt des damaligen Lesers.

Der Jedermann Duck, wie ihn Taliaferro ab 1936 für Jahrzehnte zeichnete, war dafür sicher die brauchbarere Schablone als der Bauernbursche Bug, der nach den Dreissigerjahren in der Versenkung verschwand. Taliaferro war ein Meister in grafischer Klarheit und aufgeräumter Bildkomposition, einer, der ein Blick für Details hatte, aber auch dafür, was man weglassen kann. Er war dynamisch – seine Ente scheint sogar dann noch in Bewegung, wenn sie nur im Bett liegt.

Und während für Disney die Comicstrips nur die Möglichkeit waren, sein Filmfranchise in den Printmarkt auszuweiten, war es für Taliaferro Gelegenheit, realistische Gegenwartsschilderung zu betreiben. Weniger ein Roman – die Strips besaßen aufeinander aufbauende Kontinuität – als, ganz im journalistischen Sinne, tägliche Alltagsglossen. Unter Taliaferros Hand wird der Duck zum Großstadtgeck, zur Stehauf- und Mittelschichtsente. Anders als Gottfredsons „Mickey Mouse“ und anders als Barks‘ Donald bleibt diese Ente zuhause.

Viele der winzigen Episödchen wirken dabei aus heutiger Sicht nostalgisch. Manche Pointen haben sicher Staub angesetzt. Und doch trifft Taliaferro den Zeitgeist, die Mode, Architektur, das Freizeitverhalten seiner damaligen Leser genau. Auch das politische Bewußtsein: in einem Strip erklärt Donald Duck den Neffen auf seine Art Hitler, Chruchill und Stalin.

Hier lag der Vorteil der Veröffentlichung in Tageszeitungen. Wer Zeitung las, hatte auch Interesse am politischen und gesellschaftlichen Leben, verstand und wollte Pointen wie diese. Die politische Realität lag immer höchstens einen Daumendick von den Strips entfernt. Taliaferros „Donald Duck“ war ein Comic von Erwachsenen und größtenteils auch für Erwachsene, der wenn überhaupt an die damaligen amerikanischen Gegenwartserzähler andockte, nicht an Kinderbücher.

Das sollte man bedenken, wenn etwa heute wieder davon die Rede ist, der Comic sei nun erwachsen geworden. Das war er schon vor langer Zeit – Bücher wie dieses verdeutlichen es.

Die besten Geschichten von Al Taliaferro
Egmont Comic Collection, 192 S.; € 22,00

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