So naheliegend: Ulf K. adaptiert den Herrn K, also den brechtschen Niemand und Allesmann, in kurzen, textgetreuen Episoden. Inhaltlich der karge Brecht, grafisch der romantische Ulf K. – kann das gutgehen?

Manchmal möchte ich den Blurb von mir, der auf fast jedem Comic von Ulf K. draufsteht, abschaffen: „Ulf K. ist der Poet der deutschen Comicszene.“

Nicht dass ich nicht mehr dazu stehe. Im Gegenteil. Aber hier wäre mein Neuerungsvorschlag: „Jeder Comic von Ulf K. ist ein Geschenk.“

Deal?

Denn mit Poesie haben die Geschichten vom Herrn Keuner wenig zu tun. Sie sind Lieblinge der Deutschlehrer, weil sie so nett häppchenhaft sind und kurz behandelt werden können, sind aber ansonsten wohl ein wenig aus der Mode geraten. Sie zeigen in ihrer Gesamtheit einen Autor, der sich mit sich uneins ist, oder besser: der seine Standpunkte immer wieder überdacht hat.

Es sind widersprüchliche, wütende, sarkastische, nur gelegentlich dezent optimistische Texte, entstanden aus Tageslaunen heraus. Sie sind kaum deskriptiv, selbst für das Genre der Anekdote häufig noch sparsam formuliert. Was sie dem Comiczeichner zur Adaption ideal öffnet.

Und Ulf K. öffnet sich. Sein Keuner ist das vertraute Kugelkopfmännchen aus seinen Werken, in seinen Proportionen Kind geblieben, und doch klar als Erwachsener in einer Erwachsenenwelt agierend.

Das steht im Kontrast zur Rolle, die Ulf K. ihn grafisch spielen lässt. Der Herr Keuner wie Keiner oder Kommentator ist ein Besserwisser, mit erhobenem Zeigefinger, der seine geringe Größe durch große Kommentare wettzumachen versucht. Er redet lieber als zuzuhören, und Ulf K. macht aus ihm einen freundlich lächelnden, dennoch napoleonischen Schulmeister.

Aus der sarkastischen Fallhöhe in Brechts Texten wird Dekonstruktion der Figur. Alle, aber wirklich alle sind größer als dieser Keuner, der viel denkt und wenig wirkt, der die Gegenwart ablehnt, und diese wohl auch ihn, der klein und groß zugleich ist.

Man kann ihn nicht gern haben oder höchstens ein bißchen, wenn er sich gegen Nationalismus stellt, er ist ein wenig armer Tropf und ein wenig Wut gegen die Behäbigkeit der immer gleichen Gedanken.

Das ist angenehm entstaubt, und trotz seiner grafischen Gefälligkeit – alles, was Ulf K. zeichnet, ist immer auch einfach nur sehr sehr ästhetisch – eher gallig, gar nicht deutschlehrerhaft, und das ist gut so.

Ulf K., Bertolt Brecht
Geschichten vom Herrn Keuner
Suhrkamp, 136 S.; €18,99

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