Ein biographischer Comic über den Mann, der New York zu dem machte, was es heute ist: Robert Moses, Stadtplaner und Architekt, der ein halbes Jahrhundert lang hunderte von Bauprojekten angeleiert und ausgeführt hat. Über dessen Planungen man das selbe sagen kann wie über diesen Comic: vieles ist gut, aber vieles auch nicht gelückt…

Lassen Sie mich – sicher nicht zum ersten Mal – jens Bonmot bringen, über Musik zu reden sei wie über Architektur zu tanzen (das mehrheitlich, aber nicht ganz, Frank Zappa zugeschrieben wird).

Wenn wir reden als Diskurs verstehen, nicht als Wortwechsel, dann hat der Comic sehr oft bewiesen, dass er sehr wohl über Musik reden kann, genau wie über Architektur. Comics mit architektonischen Themen, Prinzipien, Grundmustern gibt es wie Sand im Zement: die Reihe der „Geheimnisvollen Städte“ von Schuiten & Peeters, Mazuchellis Adaption von Paul Austers „Stadt aus Glas“ und „Asterios Polyp“ etwa.

Manchmal finden wir Architektur da, wo wir sie nicht vermuten. Francois Burgeon etwa hat für seine historischen Comics sämtliche Gebäude und Innenansichten penibel aufgerissen, auch jene Teile, die nicht im Panel zu sehen sind – und den sichtbaren Teilen so die nötige realistische Substanz gegeben.

Das ist eine große Tradition, in die „Robert Moses“ da eintritt. Und natürlich weiss Pierre Christin das auch, der seit den Sechzigerjahren als Comicszenarist aktiv ist und mit seiner Serie „Valerian & Veronique“ Comicgeschichte geschrieben hat.

Und trotzdem ist die Geschichte des ganz realen Architekten Moses, „der Mann, der New York erfand“, wie es im Untertitel heisst, ein uninspiriertes Buch, das sich nicht einmal im Ansatz Mühe macht, in der Tradition der genannten Werke auch qualitativ in deren Fußstapfen zu treten.

Moses ist eine durchaus umstrittene historische Figur – ideale Grundlage für eine Erzählung. Von den 1920ern bis zu seinem Tod in den 1880ern modernisierte er New York radikal, ließ Parks, Sozialbauten und Brücken anlegen und lies viel architektonischen Wildwuchs beseitigen. Einerseits hatte er dabei durchaus soziale Gedanken – er wollte Städte lebenswerter machen, mit mehr Platz für Menschen, aber auch das Vorankommen in ihnen beschleunigen. Andererseits sagen kritiker ihm rassistische tendenzen nach, seine Baustrukturen hätten vor allem Schwarze daran gehindert, in den genuss der von ihm geplanten Vorzüge zu kommen.

Bei Christin wird das zu einem simplen Abhecheln der historischen Fakten. Es ist ein „he did this, then he did that“-Comic. Manchmal mit ein wenig Dialog, aber eine Geschichte mit Akteuren zu erzählen, liegt Christin offenbar nicht im Sinn.

Vor allem dienen die knappen erklärenden Texte, Erläuterungen, historischen Abhandlungen dazu, in Bildern des sich wandelnden new York zu schwelgen. Hier macht Olivier Balez einen durchaus guten Job. Ziemlich sicher auf fotoreferentieller Basis zeichnet er einen permanenten Wandel, schildert er durchaus glaubwürdig ein New York, das am Schluss des Buches anders aussieht als am Anfang.

Aber auch diese Kritik muss dann kommen: das ist kein Comic. Oder einer, der die Mittel des Mediums nur unzureichend nutzt. Eine Sammlung erläuterter Tableaus hätte den gleichen Dienst getan – vielleicht sogar einen besseren.

Christin, der die Zukunft als wilden Ort charakterisierte, gelingt es nicht, die Vergangenheit zum Leben zu bringen. Wollen wir es anders sagen: dieser Comic tanzt nicht.

Pierre Christin/ Olivier Balez
Robert Moses – Der Mann, der New York erfand
Carlsen Comics, 108 S.; €17,90

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