Kleines Wunder am Rand: die Geschichte der geretteten Juden von Paris war bereits mehrmals Stoff für Dokumentationen und Filme. Dieser Comic versucht die wahre Geschichte als Erzählung für alle Altersstufen aufzubereiten. Eine ernste Geschichte in kindlichem gepräge – geht das gut?

Die kleinen Wunder einer schrecklichen Zeit: als 1942 in einer Massenrazzia im besetzten Paris alle Juden der Stadt festgenommen und deportiert werden sollten, konnten sich rund 10.000 retten, weil sie von den Bürgern der Stadt gewarnt, weggebracht, versteckt worden waren. Darunter viele Kinder. Die nicht geretteten Juden endeten mehrheitlich in Auschwitz.

Es ist eine große kleine Geschichte (klein im Kontext der viel größeren Shoah und des Krieges), die auch viel über die französische Einstellung zum zivilen Widerstand sagt, der in Deutschland fast gar nicht existierte.

„Das versteckte Kind“ ist eine fiktive, gleichwohl an diese historischen Ereignisse angelehnte Erzählung. Man ist gewillt, sie für ein Kinderbuch zu halten. Nicht nur des Titels wegen. Der große Kopf der Protagonistin, die weichen Linien, jene gewollte Niedlichkeit im Strich vermitteln einen sanften, humorigen Eindruck, den wir von Shoah-Erzählungen zunächst einmal kaum gewöhnt sind.

Und der natürlich im Kontrast zu den geschilderten Ereignissen steht. Die Erzählung hält sich nicht lange mit Vorreden auf. Fast von Anfang an handelt sie von Verfolgung, Unterdrückung, Ausgrenzung, von aufgezwungenem und freiwilligem Antisemitismus der Bevölkerung. Dounia, die Protagonistin, verliert im lauf des Buches, weil sie Jüdin ist, ihren Vater, nahezu alle Verwandte, alle Freunde, eine ganze Kindheit, die sie, erst auf der Flucht, danach versteckt auf einem bauernhof, unter einem Decknamen verbringen muss, um nicht als Jüdin erkannt zu werden.

Womöglich sollten Kinder das lesen. Womöglich sollten Eltern, die das, der niedlichen Anmutung wegen, für ein Kinderbuch halten, es lesen. Es ist eine brutale Geschichte. Die liebenswerte Grafik mildert das Allerschlimmste ab, ohne ihm den eigentlichen Schrecken zu rauben: als Kind Opfer von Verfolgung, Gewalt und Wahn zu werden, aufgrund irgendwelcher absurden Theorien darüber, dass manche Menschen besser seien als andere.

Die gelegentlich etwas gefühllose Übersetzung (etwa wenn die Französin Dounia von einer „Farm“ statt einem Bauernhof spricht) schmälert leider hier und da das Lesevergnügen. Dennoch bleibt unterm Strich ein berührendes, auf seine schreckenschildernde Art schönes Buch.

Loic Dauvillier/ Marc Lizano/ Greg Salsedo
Das versteckte Kind
Panini Comics, 72 S.; € 16,99

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