Die Post hat meine neuesten Errungenschaften von Urasawa und Tezuka noch nicht geliefert, also musste das geplante Manga-Wochenende verschoben werden – aber wo der Kollege Hase sich doch eh grade darüber beschwert hat, dass keiner mehr so richtig über frankobelgische Alben redet … ich könnte mir freilich vorstellen, dass er sich das Reden so nicht vorgestellt hat.

Ist doch zumindest Engel ein Beispiel dafür, weshalb man nicht all zu viele Worte über frankobelgische Alben aus der Massenproduktion verlieren muss. Die Geschichte über ein Engels-Trio im Kampf gegen diverse Dämonen ist so verdammt saft- und kraftlos, so über alle Massen routiniert, dass man anstelle dessen auch die jüngste Folge von Quiz-Taxi besprechen könnte.

Es sind gar nicht so sehr die vielen logischen Stolperfallen (die Engelsfrauen haben Brüste, die Engelsmänner haben keine Genitalien), es ist auch nicht die Erkenntnis, dass keine der handelnden Figuren irgendeine Motivation für ihr Handeln hat (es ist halt so, Gut kämpft gegen Böse, je nun) und es ist auch nicht die absolute Vorhersehbarkeit der Geschichte. Sondern es ist jeglicher individuelle Witz, jegliche über ausgelutschte Kamellen hinausgehende Form von Humor.

Engel ist eine vorhersehbare, ansehnlich verpackte Actionkomödie ohne den geringsten Versuch, den Leser emotional zu fesseln. [Ehapa Comic Collection, 168 S.; € 39,95)

Wie Engel liegt auch Die Chroniken von Centrum im sogenannten All-in-One-Format vor – also eine vollständige Kurzserie in einem Band. Wieso Die Chroniken von Centrum freilich überhaupt eine Miniserie verdient haben, muss man mir auch erstmal erklären.

Denn der Stoff vom brutalen Kopfgeldjäger, der sein Gewissen (wieder-)findet, weil er eine Frau umbringen soll, die er toll findet, ist nicht nur altbekannt. Er reicht auch gerade mal für die Hälfte der vorgesehenen 140 Seiten. Den Rest füllen mehr oder weniger obskure Grausamkeiten, dystopische Ansichten einer ebenso wie die Geschichte fraglos von Blade Runner inspirierten Welt (um den Begriff des Plagiats zu vermeiden). Das ist viel Jungsspielerei mit all der High-Tech, den Resten vom Cyberpunk, den ganzen blinkenden Leuchttafeln und rasenden Fahrzeugen in einer Welt, in der angeblich extreme Energieknappheit herrscht, und mit all den aufgemotzten Frauen in enger Kleidung.

Ernstzunehmende SF ist es leider nicht, und auch keine gute Literatur, wenn Motivation und Dilemma der Hauptfigur in einem Meer von Blut ersaufen. (Ehapa Comic Collection, 144 S.; € 39,95).

Nicht nur die Franzosen können enttäuschen. Vor einigen Jahren haben Mark Millar und Bryan Hitch einen der wenigen wirklich essentiellen Superhelden-Comics dieses Jahrzehnts produziert. The Ultimates bestach 24 permanent zu spät kommende Hefte lang durch Gigantomanie und Radikalität, durch den offenkundigen Willen, mit den Regeln des Genres, wie sie um die Jahrtausendwende festgeschrieben waren, zu brechen.

Aber auch Revoluzzer werden alt. Das Ergebnis ist dann sowas wie der Fantastic Four-Sonderband Einzigartig von eben jenen Millar und Hitch. Ein wenig Zeitreise, ein wenig Gigantomanie (in diesem Fall die Erschaffung einer Erde 2 als Fluchtmöglichkeit vor der baldigen Zerstörung der Erde) und ein riesiger Roboter ohne Ausschaltknopf, der alle Waffen auf der Erde zerstören will.

Das ist zum Teil einfach simpelste Effekthascherei, vor allem aber so gedehnt wie Mr. Fantastic an schlechten Tagen. Mit etwas mehr Tempo, etwas mehr Dichte und Emotionalität wäre dies im Rahmen des reinen Entertainment sogar ein großartiger Comic. So muss der weiterhin großartige Hitch das Effektspektakel allein auf zu vielen Seiten wuppen, und das schafft er nicht ganz zur vollen Zufriedenheit. (Panini Comics, 100 S.; € 12.95)

Bleibt also allein Iron Man, das Wochenende lektüretechnisch zu retten. Und das schafft er mit Die fünf Albträume tatsächlich recht gut. Matt Fraction wird allenthalben als kommender Top-Autor der US-Comics gepriesen. Und auch wenn diese Geschichte um per High-Tech aufgemotzte lebende Bomben insgesamt noch ein wenig zu sehr nach dem gleichen Jungskram riecht wie Andrevons Chroniken vom Centrum, so lässt sich doch festhalten, dass Fraction hier ein handlungsmässig dichtes Garn gedreht hat und außerdem einen Tony Stark schreibt, der dem Leser gar nicht erst gefallen soll, sondern tatsächlich ebenso clever und menschenfreundlich ist wie arrogant und egoistisch.

Ich sehe, wo bei Fraction die Reise hingehen kann, wenn er sich aus dem moralisch wie narrativ einengenden Korsett der Superhelden-Comics befreien kann. Nur warum Tony Stark, hier von Salvador Larroca gezeichnet, aussehen muss wie ein Latino, will mir nicht in den Kopf. (Panini Comics, 100 S.; € 12,95)

2 Responses to “Sonntagslektüre (2)”

  1. Herr Hase says:

    Ich habe überhaupt nichts dagegen, franko-belgische Comics zu verreißen, wenn sie es verdienen (was wieder rein subjektiv ist). Alles Andere wäre ja auch absurd. Mein Bedauern bezog sich ja nicht darauf, dass zu wenig positiv über europäische Comics geschrieben wird, sondern überhaupt zu wenig. Oder anders gesagt: „Any promotion is good promotion.“

  2. Stefan Pannor » Blog Archive » War sonst noch was? - Ms. Marvel, The Order, Illuminati says:

    […] zu Fraction u.a. hier und hier. Brian Michael Bendis/ Brian Reed/ Jim Cheung New Avengers: […]