Nimm das, Flix! Uderzo holt auf!

Und damit einen fröhlichen Nikolaus und entspannten zweiten Advent. Und schauen Sie doch auch einmal in der Comic Combo vorbei, wo Sie diesen Text hier finden. 😉

Jean Regnaud/ Émile Bravo
Meine Mutter

&
Rene Goscinny/ Albert Uderzo
Wie Obelix als kleines Kind in den Zaubertrank geplumpst ist

Wie Obelix als kleines Kind - na und so weiter. ;-)Der europäische Comic – und insbesondere der deutsche – steht der Bildergeschichte ausgesprochen nahe, lassen sich doch die französischen und deutschen Bilderbögen noch vor Wilhelm Busch als Urahnen hiesigen Bilderzählens ansehen. Infolgedessen ist die Grenze zwischen Comic und Bilderbuch in Europa fliessender als anderswo, Künstler von Rene Goscinny bis Ole Könnecke tanzten und tanzen regelmässig auf beiden Veranstaltungen oder schufen Werke, die Elemente aus beidem beinhaltet.

Auch „Meine Mutter ist in Amerika und hat Buffalo Bill getroffen“ ist so ein Hybridbuch – eine Kinderbuchgeschichte mit Comicanteil über den sechsjährigen Jean, der angeblich Postkarten von seiner Mutter erhält. Die aber ist tot – „auf eine grosse Reise gegangen“, wie die Erwachsenen es nennen.

Bravo erhielt zuletzt viel Aufmerksamkeit für seinen „Spirou“-Band „Porträt eines Helden als junger Tor“. „Meine Mutter“ ist der vollständige Kontrast dazu. Die Geschichte ist nahezu unpolitisch (lediglich der Zeitgeist der frühen siebziger Jahre summt ein wenig mit), vollständig aus der Perspektive des Kindes verfasst – Jean Regnaud, Langzeitpartner von Bravo, hat den Text abgeliefert.

Träume spielen eine grosse Rolle, und Wunschvorstellungen, in den Erzählungen des kleinen Jean. Wenn Bravo erst einen Spielzeugsoldaten zeigt und dann Jeans Gedankenbild davon – mit Indianerkostüm – dann ist das keine ironische Brechung, sondern ganz und gar die Art, wie ein Kind die Welt sieht. Immer wieder greift die Geschichte, die von der grossen Illusion der anderswo lebenden Mutter handelt, auf so viele kleine Illusionen zurück: die perfekte junge Lehrerin anstelle der alten Schachtel, die Hexe, die nachts am Bettrand kauert, und die teilweise äußerst bildhaft illustrierten Postkartenerzählungen der abwesenden Mutter.

Für all diese Dinge bietet sich Bravos klarer, von Hergé ebenso wie von Charles Schultz geprägter Zeichenstil an – und die Darstellung des Kindseins als Kinderbuch. Es gibt kaum Sprechblasen in diesem Band, und wenn, enthalten sie häufig Piktogramme statt Texten. Der Ich-Erzähler Jean, so erfahren wir am Anfang, lernt gerade lesen.

Wesentlich aufwändiger und kaum kindlich-naiv sind Uderzos Zeichnungen zu „Wie Obelix als kleines Kind in den Zaubertrank gefallen ist“. Ein weiteres Comic-Bildgeschichten-Hybrid: Ende der achtziger Jahre hat Uderzo eine kurze Geschichte aus den sechziger Jahren seines damals bereits toten „Asterix“-Mitschöpfers Rene Goscinny in ganz- und doppelseitige opulente Illustrationen umgesetzt. Statt Sprechblasen gibt es nur Goscinnys Originaltext und kleine Randnotizen auf den Bildern.

Das so entstandene großformatige Bilderbuch stellt einen Brückenschlag zur Nichtcomic-Seite des begnadeten Humoristen dar. Wie auch in seinen bekannten Erzählungen vom „Kleinen Nick“ schildert Goscinny das prägende Erlebnis in Obelix‘ Kindheit aus kindlich-naiver Sicht. Das der Text nicht zur Illustration gedacht war, merkt man den überaus stimmungsvollen Bildern Uderzos nicht an.

Spürbar hingegen ist der stilistische Unterschied, der durch die Übersetzung zustande kommt. Wo „Der kleine Nick“ bei Diogenes auch übersetzerisch ein kongeniales Heim gefunden hat, bleibt in der „Obelix“-Erzählung von der im Original kindlich-verspielten Sprache nur ein nüchternes Sprachgerippe, dem man nur ganz selten Goscinnys prägende Handschrift anmerkt. Die Chance, diesen kleinen Klassiker – der bereits in den neunziger Jahren mit anderem Cover auf Deutsch erschien – angemessen zu präsentieren, wurde leider vertan. (stefan pannor)

Meine Mutter: Carlsen Comics, 120 S.; € 17,90
Wie Obelix … : Ehapa Comic Collection, 36 S.; € 5,00 (Softcover), € 10,00 (Hardcover)

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