… nicht von Flix. Ehe Gerüchte aufkommen. ^^

Bei der Comic Combo läßt sich der Beitrag hier finden.

Türchen auf 😉 :

P. Craig Russell
Coraline

CoralineDass Neil Gaiman und P. Craig Russell kulturell sehr verschieden geprägt sind, führt im Idealfall zu großartigen Comics – man nehme die zwei „Sandman“-Episoden der beiden. Im weniger guten Fall findet der graphisch von der knalligen amerikanischen Popkultur und den US-Paperback-Illustrationen der zwanziger und dreissiger Jahre geprägte Russell keinen Zugang zu der klassisch britischen, von ausgesprochen düsteren Strömungen durchzogenen Prosa Gaimans. Dies ist praktisch immer der Fall, wenn Russell nicht direkt mit Gaiman zusammen arbeitet, sondern lediglich ein Werk von ihm für den Comic adaptiert.

„Coraline“ ist so eine Adaption. Nach „Mordmysterien“ (dt. bei Carlsen) schon die zweite und noch vor „The Dream Hunters“ (noch keine deutsche Ausgabe), der dritten Umsetzung gaimanscher Prosa in Comicform durch Russell. Als schmaler Roman für Kinder erschien die Erzählung bereits vor einigen Jahren. Russell hat das Buch ohne weitere Zuarbeit Gaimans in einen zweihundertseitigen Comic umgearbeitet. Dennoch prangt Gaimans Name größer auf den Cover als der des Zeichners.

Coraline ist ein sehr einsames Mädchen. Nach dem Umzug mit ihren Eltern aufs Land langweilt sie sich in der neuen Umgebung, in der es nur ein paar schrullige alte Menschen gibt, zu Tode. Die Entdeckung einer Tür in eine Anderswelt, in der ihre Eltern Coraline plötzlich wieder Aufmerksamkeit zollen und in der die öden Senioren farbige Leben führen, scheint auf den ersten Blick ein idealer Ausweg. Hinterlistigerweise entpuppt sich das Traumreich allerdings als Falle – Coraline soll in der Scheinwelt gefangen gehalten werden.

C.S. Lewis‘ „Narnia“ mit der Schranktür in die Anderwelt klingt in dieser Erzählung ebenso an wie „Alice im Wunderland“ mit den Abenteuern eines kleinen Mädchens in einer ausgesprochen unberechenbaren fremden Umgebung. Zwar nicht mehr britisch, aber im weiterem Umfeld Europas sind auch die Märchen der Brüder Grimm wieder zu erkennen mit ihren bösen Hexen, die kleine Mädchen gefangen halten. Gaiman, sich der Tradition fraglos bewußt, schildert Coralines obskur-alptraumartige Reise in einer effektiven, knappen Prosa (hier hervorragend übertragen von Bernd Kronsbein) und vermischt sie mit seinen eigenen Lieblingsthemen, wie etwa der mystischen Bedeutung von Namen.

Dagegen ist P. Craig Russells (Nach-)Erzählweise alles andere als europäisch. Sie ist zutiefst amerikanisch, einzelbild- und effektbetont. Der Horror der hellen Farben und leeren Räume, die oft über Seiten die Szenerie dominieren und im Kontrast zu der eigentlich düsteren und mit Assoziationen vollgestopften Erzählung stehen, ist der von „American Gothic“, Grant Woods berühmtem Gemälde, von H.P. Lovecraft mit seinen Tentakelmonstern, von Zombies und Salem-Hexen.

Dieser Kontrast erzeugt einen Reibungsverlust. Gaimans direkte Prosa wie auch Russels zarte Illustrationen verlieren mehr an Wirkung, als gut für das Ergebnis ist. Wenn „Coraline“ in dieser Version als Comic nicht vollständig scheitert, dann liegt das daran, dass sowohl Gaiman als auch Russell Meister ihres Fachs sind. Mit Ruhm bekleckern sie sich freilich nicht. (stefan pannor)

Panini Comics, 200 S.; € 19,95

4 Responses to “Aktuelle Comicrezension (131): ‚Coraline‘”

  1. Oliver L says:

    Hm, dann war es jedenfalls kein Fehler, dass ich diesen Band stehen ließ. Wobei das Buch auch noch ungelesen hier rumliegt. Aber das gilt noch für einige Bücher. Interessant finde ich den Satz über Lovecraft. Hat der sich doch gerne extrem britisch gegeben… Da kommts raus und HPL rotiert im Grab. 😉

  2. Stefan says:

    Allgemein finde ich es interessant, wie sich P. Craig Russel einen Beruf daraus macht, Neil Gaiman zu sein.

    Der Film ist allerdings verdammt schön! Und das Romänchen besser als sein Ruf.

  3. Oliver L says:

    Ach, von einem schlechten Ruf lasse ich mich nicht abschrecken. Dann müsste ich „American Gods“ ja verabscheuen. In Deutschland floppte der ja. „Anansi Boy“ liegt hier auch noch ungelesen rum. :-/ Wie so vieles… Argh! Den Film kenne ich nicht. Aber irgendwann werde ich da mal einen Blick riskieren. Interessiert mich jetzt irgendwie mehr als „Sternwanderer“.

  4. Stefan Pannor » Blog Archive » Aktuelle Comicrezension (137): ‘Black orchid’ von neil Gaiman says:

    […] ein Gaiman-Band von Panini, diesmal ein echter. Soll heissen: anders als bei Coraline hat Gaiman das Skript zu Black Orchid direkt für den Comic […]