Der Crumb-Anteil aus meinem WELT-Text, leicht bearbeitet. In dieser Version dann hier publiziert.

Robert Crumb
Genesis

„Ich, R. Crumb, Illustrator dieses Buches, versichere hiermit, dass ich den Urtext der Bibel nach bestem Wissen und Gewissen wiedergegeben habe“, leitet der amerikanische Zeichner seinen voluminösen Band „Genesis“ ein. In der Tat ist alles da: von den zwei Schöpfungsgeschichten und Adam und Eva über Noah, Abraham bis schließlich zum Tod Josephs. Satz für Satz, ohne Auslassungen, hat Crumb graphisch umgesetzt.

Aber von den gefälligen, mitunter peinlichen Comicadaptionen des Buchs der Bücher (man denke nur an die in ihrer Umsetzung unwürdige „Manga-Bibel“) ist er weit weg. Sein „Genesis“ ist bewußt sperrig. Nein, sagt der überzeugte Atheist Crumb ebenfalls im Vorwort, er glaube nicht daran, dass die Bibel Gottes Wort enthält. Sie sei eine Ansammlung deutlich älterer Geschichten, zusammengezimmert aus Machtmotiven. Beim Wort genommen, soll sie genau das offenbaren.

Der bilderstürmerische Ansatz passt zu dem Zeichner, der von je her gewohnte Sichtweisen umgestoßen hat. In den Sechzigerjahren prägten Crumbs Comics die Bildsprache der Hippie- und Gegenkultur der USA. Seit den Neunzigerjahren lebt der einstige amerikanische Zeichenstift-Revoluzzer in einem Dorf in Nordfrankreich, dessen Namen er geheim hält, um Wallfahrten von Fans zu verhindern. Comics hat er seitdem kaum noch gemacht. Statt dessen immer wieder Skizzenbücher veröffentlicht, die zeigten, wie sich sein einstiger wabbelig-lakonischer Stil zusehends verfeinerte und verfestigte.

Mit „Genesis“ hat er das grafische Versprechen eingelöst, das diese Skizzenbücher gaben. Unzählige fein ziselierte Schraffuren verleihen den Bildern Tiefe und Substanz. Die tausenden feinen Striche erzeugen ein nervöses Flackern, die vielen dunklen Flächen laden die Bilder alptraumhaft auf. Nie zuvor war die Schöpfung apokalyptischer.

Überhaupt zeichnet Crumb, der für die Darstellung historischer Gegenden, Gewänder und Werkzeuge ausführlich recherchiert hat, kein romantisch verklärtes Bild vom vorchristlichen Nahen Osten und den Hauptfiguren der Geschichte. So ist die lumpengewandete Familie Noahs, ein tumber Haufen Bauerntölpel mit hohlem Blick, an Armseligkeit in jeder Hinsicht kaum zu übertreffen. Abraham, Stammvater Israels, entspricht der scheußlichsten Karikatur eines hakennasigen Juden. Wo der Zeichner schon nichts am Wort der Vorlage ändert, kippt er in der bildlichen Umsetzung kübelweise Häme über der Erzählung aus.

Natürlich ist hier Crumb, der Spötter, zu sehen, der einfach nicht aus seiner Haut kann. Auch wenn er zuvor betont, den Text nicht für „visuelle Kalauer“ mißbrauchen zu wollen, ist „Genesis“ doch neben anderem auch ein Buch der Karikaturen. Sein Gott ist Charlton Heston nachempfunden. Noahs Söhne tragen die Gesichter der drei Stooges, legendäre amerikanische Kurzfilmkomiker, die für ihren brachialen Slapstick berühmt wurden. Eva, die schon auf Seite acht drastisches Opfer von Adams Geilheit wird, hat einen typischen Crumb-Arsch. Vorchristliche Mythen werden hier grafisch auf bekannte Elemente der Popkultur und der simplen Instinkte heruntergebrochen.

Damit ist „Genesis“ der zugleich hoffnungsloseste wie witzigste aller Bibel-Comics. Wo Crumb als Bibel-Exeget scheitert, weil er nur das sowieso Offensichtliche sagt, gewinnt er als Comicerzähler, der das Bekannte auf Überraschende Weise zeigt. (stefan pannor)

Carlsen Comics, 228 S.; € 29,90

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