Diverse
Ente in Antik

Irgendwann, wenn die Geschichte der Graphic Novel in Deutschland geschrieben werden wird, wird man auf Walt Disneys Lustiges Taschenbuch zu sprechen kommen müssen. Das hat seit den sechziger Jahren Leser hierzulande auf all die Dinge geprägt, die mit jeder neuen Graphic-Novel-Welle (aktuell ist es die zweite) als innovativ und neu bezeichnet werden: lange, abgeschloßene Erzählungen, handliche Formate. Mehr Länge, Breite, Tiefe.Okay, lange Erzählungen über Enten und Mäuse.

Aber sonst? Kein Unterschied, oder?

Ohne die Vorreiterrolle des Lustigen Taschenbuch hätte es vermutlich weder die trashigen Superhelden-Taschenbücher der Siebziger- und Achtzigerjahre gegeben noch die Manga-Welle ab 1998, ohne die Prägung von Millionen Lesern auf das kleine und lange Format.

Leider ist es dann schon das einzig interessante an Titeln wie Ente in Antik (das Buch erschien vor einigen Jahren schon mal in einer Reihe mit anderen als Softcover, war damals aber wohl kein besonderer Erfolg, denn die Reihe verschwand nach vier Bänden vom Markt), dass sie sich nun in einer bizarren Wendung der Geschichte an den aktuellen Graphic-Novel-Boom anzuhängen versuchen. Mit nobler Aufmachung (Hardcover und gerundeter Buchrücken) und einem nicht ganz so marktschreierischen Titelbild als bei sonstigen Disney-Publikationen üblich. Die Inhalte – was der Titel sagt: Disney-Comics über die Antike – freilich entsprechen der Standard-Durchschnittskost des Lustigen Taschenbuchs, da ändert auch die edle Aufmachung und der relativ hohe Preis (15 Euro für 400 Seiten) nichts dran.

Didier Convard/ Gilles Chaillet
Vinci

Didier Convard hat mich ja neulich schon geärgert als Autor von Tanatos. Im Vergleich zu Vinci ist das aber wohl ein Meisterwerk. Der dürftige Plot ist schnell runtergeratscht: Leonardo daVinci als Serienkiller, der seine geliebte Mona Lisa rächen will und darum der Reihe nach vier hochangesehene Bürger auf brutalstmögliche Weise umbringt.

Viel Blut, viel hohles Pathos und Dialoge, die so schmalzig sind, dass sie bei den aktuellen Temperaturen vermutlich ausflocken. Dazu ein wenig halbgares Wikipedia-Wissen über da Vincis Erfindungen, lieb- und spannungslos zusammengerührt. Immerhin sind die Stadtansichten der mittelalterlichen Venedig, Mailand und Florenz sehr gelungen. Das rettet die vollkommen ungare Erzählung nur leider auch nicht.

Jason Aaron/ R.M. Guera
Scalped: Dead Mothers/ The Gravel in your Guts

So gehts doch auch! Seit einiger Zeit schon schreibt Jason Aaron dieses Kriminalepos aus den Indianerreservaten, und sie hat ihm die Türen zu einigen gutbezahlten Jobs bei Marvel und DC geöffnet. Davon abgesehen bleibt Scalped immer noch sein bestes Ding bis dato, nicht zuletzt weil das Niemandsland der Reservate eine von der Kriminalliteratur weitgehend unerforschte Gegend ist. So hat Aaron alle Chancen offen, hier eine Erzählung von Schuld und Sühne zu schreiben, wie man sie noch nicht gelesen hat, davon, wie sich zwar die Schwarzen in den USA in den Sechzigerjahren emanzipieren konnten, aber nicht die Roten.

Im Kern geht es darum, Häuptling Red Crow zur Strecke zu bringen, eine Art lokalem Paten des Glücksspiels und der Prostitution, und auf ihn angesetzt wird der verdeckte Ermittler Dashiell (!!!) Bad Horse, der zufällig auch Sohn der Ex-Geliebten von Red Crow ist. In diesem Dreiecksverhältnis (das relativ schnell keins mehr ist) mit permanent hin- und herspringenden Perspektiven analysiert Aaron das Leben in den Reservaten, so lange, bis der Tony-Soprano-Effekt eintritt und dem Leser der fiese, mörderische Red Crow fast schon sympathischer ist als der ermittelnde Bulle – der macht wenigstens was für seine Leute, die zueist in slum-ähnlichen Verhältnissen vegetieren.

Scalped ist, was Kriminalliteratur im besten Falle immer ist: moralisch verwirrend und, ja, im Wortsinne investigativ. Die Frage, wann HBO daraus eine Fernsehserie macht, ist um so drängender, weil ansonsten mit einer deutschen Veröffentlichung dieser Perle nicht zu rechnen ist.

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