Enki Bilal
Animal’z


Das einzige Genre, in dem der Comic allen übrigen Medien hinterherhinkt, ist ausgerechnet die Science Fiction. Es mag der Einfachheit geschuldet sein, mit der in der Bilderzählung selbst opulenteste Gadgets durch ein paar einfache Striche in die Handlung eingebracht werden können, oder der Tatsache, daß der Comic lange Jahrzehnte in ein Getto der Jugendunterhaltung eingesperrt war. Anders als im Film und der Literatur mangelt es dem Comic jedenfalls an glaubwürdigen und durchdachten futuristischen Entwürfen.Aus dem Brei der letztlich immer gleichen gezeichneten Raumschlachten und Alienhatzen ragen darum Bilals erdgebundene Science-Fiction-Comics doppelt hervor. Bereits seine „Monster“-Tetralogie, obwohl vollgepfropft mit Klonen, Androiden, Robotern und in einer sowieso durch allerlei futuristische Erfindungen an den Rand des Irrsinns gebrachten Gesellschaft spielend, entzog sich dem rein narrativen Verständnis des Lesers. Bilal erzählte in diesen Bänden keine gradlinige Handlung. Auf rund dreihundert Seiten berichtet die „Monster“-Serie vom Verfall der Zivilisation von innen her, von der grundsätzlichen Auflösung zwischenmenschlicher Bindungen angesichts unbewältiger Vergangenheiten und ungelöster Probleme der Gegenwart.

„Animal’z“ liest sich in diesem Zusammenhang wie ein Nachtrag. Formal eine durchaus typische Endzeitgeschichte – die Menschheit ist aus nicht näher geklärten Umständen verschwunden, übrig geblieben sind nur einige wenige Umherirrende, die sich offenbar bevorzugt auf Schiffen auf dem Meer aufhalten, das Land ist bevölkert von bizarren Mutationen und Monsterzüchtungen – erzählt das Buch doch vor allem metaphorisch verschlüsselt von der Auflösung der Kultur. Dafür stehen jene Überlebenden, die sich sukzessive, aber radikal in Wasserlebewesen wie etwa Delphine verwandeln, sowie der einsame Reiter, der ausschließlich in der Lage ist, sich über literarische Zitate zu verständigen, die er pflichtschuldig samt Quellenangabe angibt. Die Welt als Wille und Wikiquote ist Bilals erschreckende und nüchterne Zukunftsvision, die er schlüßig aus der Gegenwart extrapoliert.

In ihr klingt eine ordentliche Portion der Trostlosigkeit von Truffauts Verfilmung von Ray Bradburys Roman „Fahrenheit 451“ mit, an deren Schluß Menschen als auswendig gelernte Bücher durch den Wald irren. Die einzige Schöpferkraft, die Bilal seinen Akteuren in der im Wortsinne aufgelösten Zivilisation gestattet, dient der Zerstörung der letzten Menschlichkeit – besessene Genexperimentatoren arbeiten daran, die Menschen in Tierlebewesen zu verwandeln, wozu eine einzige Spritze genügt. Das darin letztlich der einzige Ausweg der Übriggebliebenen liegt, vertieft das Tragische der Situation.

Die Bilder sind so ausweglos wie die Handlung. Bilal verwendet ausschließlich Töne von Grau und punktuell Rot, hier vor allem als blutige Farbe von Verderben und Untergang, nicht als erotische Signalfarbe. Die Zukunft der „Animal’z“ ist schlierig und in einen permanenten Nebel der Unklarheit getaucht. Der Umgang mit allen Elementen des Mediums Comic, ebenso wie sein sein Verständnis der Science Fiction als literarische Metapher, seine literarischen Querverweise zeigen Bilal einmal mehr als zwar schwierigen, aber hochintelligenten Erzähler, der mit seinen Arbeiten weit über der Masse an Science-Fiction-Comics steht. (stefan pannor)

Ehapa Comic Collection, 100 S.; € 24,95

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