Wie üblich verfasst für die Leipziger Comic Combo!

+++ Nicolas Mahler
Pornografie und Selbstmord/ Engelmann +++

Weniger Sexappeal, sagen die Werbeleute, sollten Mahlers Figurenentwürfe haben. Ob er sie denn nicht etwas entschärfen könne?

Pornografie und SelbstmordMan muss Mahlers Zeichnungen gesehen haben, um diese Pointe zu verstehen. Es sind Krakel, Kringel und Kreise, kleine runde Knubbelmännlein mit elipsoiden Zinken, die Mahlers Grafiken bevölkern und unter denen der große, dürre Künstler selbst – denn dies sind autobiographische Comics – herausragt wie ein aufrecht gehender Angelhaken im Vatermörder. Strichmännlein für Fortgeschrittene.

Mahlers Comics sind per definitionem nicht sexy. Überhaupt könnte man sich lange daran abarbeiten, was sie alles nicht sind. Kürzer ist es, zusammenzufassen, was sie sind. Mahler, dieser Verzweiflungsmann, irrt in seinen Geschichten ratlos durch den Alltag wie Alice durch das Wunderland. Sie sind irre.

Kinderspielzeugausstellungen im Louvre, Nachwuchscomiczeichner, die gleich den fetten Vertrag bei einem großen Verlag landen wollen, Mangafans und Meinungsforscher, sie alle bringen Mahler zur Verzweiflung, und das in der Regel auf acht Bildern und zwei Seiten. Die Hölle, das sind die runderen. Und sie sind überall. Der Begriff vom „schwarzen Humor“ ist eigentlich lange ausgelutscht (auch weil er meist völlig falsch verwendet wird), aber hier trifft er ausnahmsweise einmal zu.

„Pornografie und Selbstmord“ (Reprodukt, 140 Seiten, € 14,00) ist der dritte Band dieser Alltagsdramoletten, die teilweise vorab in der „Titanic“erschienen sind. Die winzigen, destiliert komischen Erzählungen bereichern das Genre der autobiographischen Comics mit ihren oft heulsusigen oder übertrieben selbstironischen Werken um eine einmalige Nuance – die der niemals aufgebenden Verzweiflung.

Nicolas Mahler: EngelmannWeniger verzweifelt fällt „Engelmann“ (Carlsen Comics, 100 S.; € 14,90) aus, schon aufgrund seines Themas. „Engelmann“ ist Mahlers Ausflug in die Welt der Superhelden-Parodie. Natürlich dominiert auch hier die kurze Form. Mahler hat die Geschichte um den erfolglosesten Superhelden der Welt (die Verkäufe seiner Comicserie sind schon vom ersten Heft an im Keller) auf einseitige Episoden heruntergebrochen und dabei ganz verblüffend gut die Trends im Genre des letzten Vierteljahrhunderts zusammengefasst. Düstere, neurotische Superhelden, sinnlose, martialische Actionszenen (die Mahler auch so benennt), billig zusammengeschusterte Verfilmungen von No-Name-Regisseuren.

Die Verzweiflung ist hier versteckter, findet sich hinter zum Teil deutlich plakativerem Humor (etwa wenn „Engelmann“ auf Verlagsanweisung von einer düsteren Superhelden-Serie zu einer Comicserie mit Elfen umgewandelt wird, weil sich das besser verkauft, und auf dem Cover steht „Dieses Heft spielt auf einem Ponyhof“). Es ist eine insgesamt leichtere Lektüre, die sich mitunter vielleicht zu sehr auf mögliche Kenntnisse der Absurditäten des Superhelden-Genres verläßt, um wirklich zu überzeugen.

Aber dann ist es eben doch wieder Mahler. Engelmann ist ein kleiner runder Knubbel in rosa Kostüm – „Sie wollten einen helden ausprobieren, der sich nicht scheut, auch seine weibliche Seite zu zeigen“, wehklagt der Nicht-Held, der so unweiblich aussieht wie nur irgendwas, seinem Kollegen das Leid. Die Werbeleute hätte das vermutlich glücklich gemacht. (stefan pannor)

Mehr zu Mahler ist auch hier.

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