Brian Fies
Und wir träumten von der Zukunft

Brian FiesIn der Tat lässt sich am Comic wie an keinem anderen Medium der Wandel der Zeiten ablesen – von einem unbedingten Fortschrittsglauben zu einem hemmungslosen Zukunftsskeptizismus.

Aus den einstmals strahlenden Superhelden, den stählernen Raumfahrern der europäischen Abenteuer-Comics, den alleserfindenden Wissenschaftlern sind in der Regel gebrochene, düstere Figuren geworden. In heutigen Science-Fiction-Comics dominiert das düstere und beklemmende. Nur noch Daniel Düsentrieb kriegt wirklich alles hin.

Brian Fies greift diesen Gedanken in seinem jüngsten Buch auf, indem er in Form einer Bildgeschichte die Entwicklung des Zukunftsglaubens der vergangenen siebzig Jahre nachzeichnet. Fies wurde vor einigen Jahren bekannt durch den Comic „Mutter hat Krebs“, dem realistischen und traurigen Abriss des langsamen Sterbens seiner Mutter in Form von Comicstrips. „Und wir träumten von der Zukunft“ liest sich wie ein positiver Gegenentwurf zu dem tragischen Vorgänger. Auf jeden Fall ist es eine deutlich leichtere, fröhlichere Lektüre.

Fies‘ erzählende Ich-Figur wandelt sich vom begeisterten Knaben auf der Weltausstellung 1939, wo er erstmals das Wunder des Fernsehens miterlebt, zum kritischen Betrachter, nachdem er ansehen muss, wie die Angst vor der Atombombe, der Vietnamkrieg und das Ende des Wettlaufs zum Mond den Glauben an das Positive moderner Technologien und das Gute im Menschen erschüttern, ohne jedoch den Optimismus und Glauben an den Fortschritt je wirklich zu verlieren.

Unterbrochen wird diese opulent bebilderte und gelegentlich selbstironische Darstellung durch eine Handvoll fiktiver Superhelden-Comics, in denen Fies elegant die dominanten Comiczeichenstile der jeweiligen Epoche von 1939 bis ca. 1970 nachahmt und die vom ewigen Kampf des Raumfahrers Cap Crater gegen seinen Erzschurken Dr. Xandra handeln.

Beide Teile zusammen, die eskapistische Comichommage und die historisch akkurate Darstellung der realen Welt, sollen, so Fies im Vorwort, ein Gefühl dafür vermitteln, wie toll es früher war, an die Zukunft und das Gute in ihr zu glauben. Es sei „eine Streitschrift für eine zunehmend seltenere Form des Denkens“, so Fies.

Möglicherweise ist das das Problem. Fies‘ Optimismus, wie er vor allem im letzten Kapitel zu lesen ist („In der Welt von morgen werden tausende von Menschen praktisch ständig im Weltraum leben: im Erdorbit, im geostationären Clarke-Orbit und jenseits davon – darunter ganze Familien, deren Kinder noch nie einen Fuss auf die Erde gesetzt haben“, heisst es auf Seite 192), ist schwer nachvollziehbar angesichts realer Probleme wie Klimawandel und der Ungewissheit der Öl-Ressourcen. Fies blendet diese Probleme einfach aus, wodurch Lücken in seiner Argumentation entstehen.

Als Streitschrift ist „Und wir träumten von der Zukunft“ infolgedessen unbrauchbar. Dagegen ist es als Comic eine überaus schöne, ästhetische Erfahrung, nicht nur aufgrund der Versiertheit, mit der Fies die Striche berühmterer Kollegen wie Jack Kirby und Neal Adams nachahmt, sondern auch aufgrund der Leichtigkeit seiner eigenen, karikaturistisch reduzierten Zeichnungen. Ein schönes, jedoch inhaltlich etwas unbefriedigendes Buch. (Stefan Pannor)

Knesebeck Verlag, 200 S.; 24,95 €

Verfasst für die Leipziger Comic Combo.

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