Ayroles/ Maiorana
Garulfo

Alain Ayroles: GarulfoWie leicht liesse sich diese Rezension mit Allgemeinplätzen füllen! Etwa der hier: Natürlich ist das Gras auf der anderen Seite des Zaunes immer grüner. Für Garulfo ist diese andere Seite des Zaunes die Menschengegend. Denn Garulfo ist ein Frosch, und als kleiner Hüpfer bewundert er die Menschen. Solange, bis er selbst einer wird.

Oder der hier: Die Umkehrung klassischer Märchenmotive im Comic ist nichts Neues, Serien wie „Fables“ (Vertigo, dt. bei Panini) und ihre Ableger beackern das weite Feld regelmässig. Insofern wäre es ein leichtes, „Garulfo“ als weiteren Mitreiter auf dieser Welle abzutun. Im Kern ist es eine verdrehte Mär vom Froschkönig. Erst will der Frosch ein Mensch sein. Aber als er die Menschen besser kennen lernt, wäre er lieber gern ein Frosch. Nur findet er als wunderschöner Prinz keinen, der ihn küssen – und damit erlösen – will.

Es spricht durchaus für Werke, wenn sie solche Allgemeinplätze beim Kritiker herausfordern. Denn das bedeutet, dass solche Erzählungen etwas sehr Allgemeingültiges ansprechen, hier in diesem Fall eine allgemeingültige Zivilisationskritik (auch wenn der Comic in einer Art Märchenmittelalter spielt). Menschen lügen, betrügen, intrigieren, Sex hat einen viel zu hohen Stellenwert und, ach ja, sie fressen Tiere. Pfui.

So weit, so richtig. Aber auch so bekannt.

Das Besondere an „Garulfo“ liegt tiefer. In Wirklichkeit handelt die Kömodie der Irrungen und Wandlungen, die Ayroles inszeniert (der mit „Mantel und Degen“, einer breitangelegten Hommage an die Comedia dell’arte, bewiesen hat, dass er klassischen Genres neues, komisches Blut infundieren kann), von Identität. Bzw. von der Frage danach, was das eigentlich ist.

Nahezu alle Figuren durchlaufen einen permanenten Wandlungsprozeß, innerlich wie äußerlich. Nicht nur Garulfo, der in den sechs Alben (in dieser Ausgabe auf drei Bände verteilt) mehrmals zum Frosch und zurück verwandelt wird. Sondern auch die schöne Prinzessin Hermina, zu Anfang kaum mehr als ein schönes Betthupferl, oder der eitle Prinz Ronaldo, der, zum Frosch zwangsverhext, natürlich gerade aus dieser, nun ja, Froschperspektive einen ernstzunehmenden Charakter entwickelt.

Und erst damit wird der Slapstick der permanent fallenden, strauchelnden, stürzenden, tolpatschigen und hilflos gegen- und miteinander intrigierenden Figuren interessant. „Garulfo“ reicht weit über die übliche Fantasy-Komödie hinaus, weil ihr eine starke tragende Struktur zugrunde liegt. Und, ach ja, sehr sehr lustig ist dieses überbordend pralle Werk komischer Fantasy auch. Aber das ist eigentlich auch schon wieder ein Allgemeinplatz.

PS: Um Mißverständnisse zu vermeiden – natürlich war „Garulfo“ eher da als „Fables“. Die sechs Alben erschienen zuerst Mitte der Neunzigerjahre in Frankreich, die ersten vier davon auch annähernd zeitgleich beim alten Splitter-Verlag in einer allerdings etwas fragwürdigen Edition, vor allem was das Lettering betrifft. Diese Neuausgabe ist also nicht nur die erste vollständige in deutscher Sprache, sondern auch die erste wirklich gut lesbare. (stefan pannor)

Splitter-Verlag, 3. Bde zu je 100 S.; € 22,80

Verfasst für die Leipziger Comic Combo.

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