Clevere Kater, komische Kopulationen und mässige Mittelaltermetzeleien – an diesem Sonntag, gelesen in: „Blacksad 4 – Die Stille der Hölle“, „Missi Dominici 2 – Tod“ und „Sang Royal 1“.

Canales/ Guarnido
Blacksad 4: Die Stille der Hölle

Frage: Wie viel Atmosphäre braucht es, um ein Plothole zu stopfen?

Antwort: so viel wie möglich. Und die steckt in diesem Band. Der soll ein Krimi sein, aber das kann man getrost vergessen. Die Geschichte vom Ermittler in New Orleans, der einen verschwundenen Musiker suchen soll und dabei einen Skandal aufdeckt, der fatal an die Contergan-Affäre erinnert, ist weder besonders neu noch all zu interessant umgesetzt. Die Handlung ist sprunghaft, die Zusammenhänge konstruiert, das Finale hanebüchen.

Aber darum geht es auch nicht. Der vierte Band der „Blacksad“-Reihe (der blaue, wie man nach seinen Vorgängern schwarz, weiss und rot wohl sagen wird) besticht wie die vorherigen durch eine über alle Maßen detaillierte anthropomorphe Figurenwelt, eine realistisch ausgearbeite tierische Multikultur der aufrecht gehenden, redenden, Zivilisation ausübenden und mordenden Ziegen, Wiesel, Hühner, Wölfe. Allen voran die Titelfigur, Blacksad der Kater, der selbst im Trenchcoat mit Katzenschwanz verblüffend Sex-Appeal ausstrahlt. Disney ist das nicht. Prachtvolle Stimmungsbilder von New Orleans in den Fünfzigerjahren, atmosphärische Details, eine Meisterschaft im Entwickeln vermenschter Figuren, deren Gestik und Mimik, machen „Blacksad“, auch im vierten Band, eher zu einem Bilderbogen als zu einem Krimi. Muss man nicht lesen, sollte man aber gesehen haben.

Carlsen Comics, 56 S.; €16,00

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Gloris/ Dellac
Missi Dominici 2: Tod

Es muss ein Heidenspaß gewesen sein: „Lass uns doch einfach mal sowas wie die ‚X-Men‘ machen!“ – „Ja, aber im Mittelalter, darauf stehen die Leute!“ – „Und mit Magie, Magie geht immer!“ – „Und die Hauptfigur nennen wir Wolver… nein, Wolfram!“

Und so geschah es. Wolfram, der animalische Überkämpfer, selbstverständlich ein Waisenkind ungeklärter Herkunft und mit einer Kindheit, bei deren Schilderung sich vermutlich sogar Dickens die Zehennägel gekräuselt hätten, ist im Auftrag des Orden der Missi Dominici unterwegs, eine Schule für, nun ja, begabte Sonderlinge mit mentalen Kräften. Sein Gegenspieler ist ausgerechnet ein sich „Antichrist“ nennender Schurke, der sein Gesicht unter einem Metallhelm verbirgt. Der Rest der Geschichte ist ein blutiges Hauen und Stechen in einer Art von, noch mal nun ja, Mittelalter. Die barbarische Handlungszeit hindert nicht daran, die im Kern vollkommen überraschungsfreie Episode als eindeutigen „X-Men“-Rip-Off zu erkennen. Immerhin ist es wesentlich opulenter gezeichnet als die derzeitigen „X-Men“-Comics, die, das muss man zugeben, inhaltlich auch nicht mehr zu bieten haben.

Ehapa Comic Collection, 48 S.; € 13,95

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Jodorowsky/ Liu
Sang Royal

Sex, natürlich. Inzest, auch. Sadismus. Viel Mord und Totschlag.

Man kann wirklich nicht sagen, dass Jodorowsky ein Mann der feinen Klinge ist. Der Moebius-Kumpel, der mit beeindruckender Unermüdlichkeit seine Skripte für Fantasy- und Science-Fantasy-Comics raushaut, hat einen offenbaren Hang zum Tabubruch, zu Gemetzel und zu überlebensgroßen Figuren, die, schön, potent und mächtig, natürlich Welten über dem primitiven, häßlichen Volk stehen. (Blond sind sie auch ganz gern.)

Weil aber der vorliegende Band neben dem Metzel- und Inzest-Gedöhns (König bringt seinen Bruder um und heiratet am Ende seine Tochter) ein paar nette Aussagen über Macht als Symbol enthält, weil Jodorowsky hier überhaupt eine Adligen-Saga spinnt, die komplett aus dem Ruder läuft, weil die Hauptfiguren brachial dekonstruiert werden, und zuguterletzt weil es schlicht atemberaubend dynamisch und fein ziseliert gezeichnet ist, wäre ich fast geneigt, hier von einem im Vergleich zu den sonstigen Comics des Autors immerhin interessanten Band zu reden. Mit Sex-Dialogen wie „Pflanze deinen Stachel in mein Loch!“ zerschiesst Jodorowsky sich die Chance freilich selber.

Ehapa Comic Collection, 56 S.; €13,95

2 Responses to “Sonntagslektüre: „Pflanze deinen Stachel in mein Loch!“”

  1. Oliver L. says:

    Mittelalterliche X-Men? Ich glaube, das muss ich haben. 😀 😉

  2. Stefan Pannor » Blog Archive » Sonntagslektüre: Odin goes Conan says:

    […] Pflanze deinen Stachel in mein Loch! […]