Die Landschaft als Landschaft der Seele – das kennen wir im Comic natürlich, am bekanntesten in „Tim in Tibet“, in dem sich Hergé seine Depressionen durch Unmengen schneebedeckter, weisser Flächen vom Gemüt zeichnete. Weit weniger auffällig, möglicherweise weil es dort niemand erwartet, aber unbestreitbar vorhanden ist dieser Ansatz auch in „Roland, Ritter Ungestüm“.

Das wird in der Gesamtausgabe, die die originalen Erzählungen konzentriert versammelt, noch offensichtlicher als in den Einzeleröffentlichungen. Von der liegt inzwischen der dritte Band vor, und darin steigert sich Craenhals in eine wahre Landschaftsmanie hinein steigert. Es geht nach Süden, bis ins innere Afrika hinein. Der Plot ist dabei egal, denn er ist trivial: der jugendliche Held soll eine Truhe beschützen, die ziemlich viel Geld und Reichtümer enthält, mit denen man in Afrika ein paar darbende Christen aus den Händen lokaler Fürsten freikaufen könnte. Die Frage, ob dieser McGuffin am Ende da ankommt, wo er hin sollte, stellt sich eigentlich nie.

Aber der Weg ist das Ziel. Beinahe mit jeder Seite, auf jeden Fall exzessiv in der zweiten Hälfte der beinahe hundert Seiten langen Afrika-Erzählung, steigert sich Craenhals in wahre Landschaftsräusche. Stillstand scheint hier nicht denkbar: das Gras wogt, das Wasser wallt und spritzt, und die Wüste – natürlich in glühendroten Farben gehalten – verweht, zerformt sich oder liegt in einer atemberaubend bleiernen Pracht.

Höhepunkt der Episode: ein Sandsturm, bei dem sich jegliche Konturen auflösen. Dazwischen streut Craenhals, wie in den Episoden früherer Bände, immer wieder beinahe surreale, symbolische Traumsequenzen ein, die, ähnlich wie in dem größten aller Träumer-Comics, „Corto Maltese“ von Hugo Pratt, ganz selbstverständlich und wider alle Logik zum Bestandteil der äußeren Handlung werden und das Treiben der wachen Figuren beeinflussen.

Was Craenhals da erzählt, wirkt angesichts dieser expressiven Kraft egal, vermutlich ist es das sogar. Die Dialoge sind in der Regel pathetisch, die Figuren holzschnittartig und auf ihre eng definierte Rolle hin entworfen – das gilt für Haupt- wie Nebenfiguren. (Immerhin ist das alles nicht gar so gedrechselt wie bei Peter Wiechmann.) Hier liegt letztlich auch der Unterschied zu Pratt, der seine Geschichten bis in diese Details hinein deutlich feiner ziselierte.

Es ist aber auch egal angesichts der Fülle an Emotionen, die Craenhals praktisch ausschliesslich vermittels des Settings über dem Leser auskippt. „Roland, Ritter Ungestüm“, der als etwas ungelenke „Prinz Eisenherz“-Hommage startete, sich aber spätestens mit diesen Abenteuern grafisch om Vorbild freigeschwommen hat, ist ein Comic, den man als naive Abenteuergeschichte vielleicht nicht unbedingt gelesen haben muss, der aber dank seiner grafischen Kraft auf jeden Fall einer intensiven Betrachtung wert ist.

Cross Cult, 160 Seiten., € 29,95

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  • Prinz Eisenherz
  • Thomas der Trommler
  • 5 Responses to “Die Seelenlandschaften des Herrn Ritter Roland”

    1. Paul E. says:

      Diese Rezension geht (wieder einmal) am Inhalt der Bände vorbei.
      Der Rezensent hat mal was gelesen ( = Hergé hat sich seine Depressionen mit Landschaften von der Seele gezeichnet) und nimmt dies als Schablone für seine Roland-Rezension.

      Dass die Unbill von Naturgewalten in den unterschiedlichen Landschaftformen im Mittelalter für die Menschen ein grosses Problem waren, ist der eigentliche Bewegunggrund für Craenhals seine Stories so aufzubauen, wie sie in dem Sammelband dargeboten werden. Nicht vermeintliche Depression.

    2. Stefan says:

      Nirgends steht, dass Craenhals depressiv gewesen sei.

      Schneeflächen hat er auch nicht so viele gezeichnet. 😉

    3. Paul E. says:

      „Nirgends steht, dass Craenhals depressiv gewesen sei.“
      Ah so? Da hab ich deine Einleitung ja völlig missverstanden?!
      Ohne Schneeflächen 😉 steht da: „… in dem sich Hergé seine Depressionen (…) vom Gemüt zeichnete. Weit weniger auffällig, (…) aber unbestreitbar vorhanden ist dieser Ansatz auch in „Roland, Ritter Ungestüm“.

      Da werden also Hergés Depressionen eingeführt, die er sich mit Landschaften von der Seele usw. usf. und bei Craenhals ist dieser Ansatz auch vorhanden, aber dass steht da gar nicht bzw. ist gar nicht gemeint.

      Ja was, bitte schön, meinst du denn dann?

    4. bareng says:

      „[b]Die Landschaft als Landschaft der Seele[/b] – das kennen wir im Comic natürlich, […]. Weit weniger auffällig, möglicherweise weil es dort niemand erwartet, aber unbestreitbar vorhanden ist [b]dieser Ansatz[/b] auch in „Roland, Ritter Ungestüm“.

      Zuerst: These
      Dann: Beleg/Erläuterung mit einem Beispiel (in Hergés Fall: Schneelandschaft = Depressionen)
      Schließlich: Überleitung zum besprochenen Werk

    5. Stefan says:

      „Die Landschaft als Landschaft der Seele“ – dass die Seele nicht nur depressiv sein kann, muss ich nicht erwähnen?