Wenig ist geblieben von dem großen Optimismus, mit dem 2007 die deutsche Edition von „Rex Mundi“ startete, damals Nachzügler einer größeren Offensive in den Bereich amerikanischer Comicformate durch die Ehapa Comic Collection. Der Comic selbst ging dieser Tage, ebenfalls wenig optimistisch, zu Ende.

Kritiker lobten das Werk des Newcomers Arvid Nelson, das in einem alternativen Europa spielt, in dem in der Neuzeit noch durchgängig die Monarchie regiert und demzufolge die Nazis nie in Deutschland an die Macht gekommen sind und die Oktoberrevolution nie stattgefunden hat. Ich selbst zeigte mich damals angetan, aber dezent skeptisch:

Lobenswert ist die Sorgfalt, mit der Nelson und sein Zeichner diese Welt entwerfen. Jedem Kapitel des Comics (im Original erscheint die Serie in Heftform) sind sorgfältig produzierte fiktive Zeitungsausschnitte beigegeben, die die Welt von „Rex Mundi“ weiter ausleuchten und der ablaufenden Handlung zusätzliche Informationspuzzlesteinchen hinzufügen. Ähnlich wie in „Watchmen“ wird hier mit viel Liebe zum Detail eine Parallelwelt entworfen, die dem Leser andrenfalls weitgehend unverständlich bliebe. Parallelen zur Gegenwart – etwa, dass das Motiv für den heraufdämmernden Krieg die Ölvorräte im Osten sind – sind dabei sicher beabsichtigt.

Nachteilig ist, dass die Handlung – die auf wenigstens drei Ebenen parallel läuft und diverse Verknotungen aufweist – so erschreckend langsam abläuft. Am Ende des ersten Bandes, immerhin 180 Seiten, weiss der Leser nur so ungefähr, wohin die Handlung gehen soll. Auch die Frage, ob oder wie die Autoren die verschiedenen Plots um Liebe, Krieg und Katholizismus am Ende zusammenführen wollen, bleibt interessant.

Jetzt ist der sechste und letzte Band erschienen, und rückblickend kann ich sagen: die Skepsis war berechtigter als die Hoffnung.

Es ist immer schwer, ein so weitgefaßtes Panorama – immerhin umfasst die Handlung Gesamteuropa und ein Dutzend Hauptfiguren – unter Kontrolle zu halten. Epen entstehen, nicht, wenn ein Autor die Idee zu etwas Großem hat. Epen entstehen, wenn ein Autor die Kontrolle darüber bewahrt. „Rex Mundi“ verbaut sich die Chance, Epos zu sein, nicht zuerst, aber zuletzt, durch ein Finale, in dem gar nichts mehr unter Kontrolle ist und das endlos lang, nämlich über hundert Seiten dieses Bandes, in unnützem Gemetzel verharrt.

Bereits in den vorherigen Ausgaben war die Handlung erstarrt. Getragen von einer eher ermüdend allzubekannten Dreiecksgeschichte – zwielichtige Frau zwischen gutem Doktor und bösem Adeligen hin- und hergerissen – warf Nelson immer neue Puzzlestücke in die Handlung, erzählte von Magie und dem Heiligen Gral, alten Orden, Superkräften und, jawohl, blauen Zauberäpfeln, während er gleichzeitig das Szenario eines anti-muslimischen, vom Zugriff auf Ölressourcen angetriebenen Weltkrieg eines monarchischen Frankreich gegen den Rest des Kontinents vorantrieb. So lange, bis die Geschichte, unter offenbar beliebig zusammengehauenen Kleinteilen, davon nicht wenige esoterischer Restmüll, erstickte.

So gesehen kann das weniger furiose als blutige Finale natürlich als Befreiungsschlag gegen einen überambitionierten, völlig überfrachteten Handlungsentwurf gesehen werden. Auf weit über 100 Seiten metzeln, meucheln, magiern sich die Hauptfiguren durch ein altes Schloß, am Schluß gräbt Nelson sogar noch sowas wie Zombies und ein halbes Dutzend weitere dei ex machinae aus, um irgendwie alle Fäden zu verbinden und den Großteil der Figuren zu entsorgen. Vor allem aber vermutlich: um endlich fertig zu werden.

Das ist in erster Linie trivial. Natürlich steckte diese Trivialität der Serie von Anfang an in den Knochen, erkennbar schon an der Figurenkonstellation des guten bürgerlichen Arztes im Kampf gegen den fiesen, faschistoiden Adeligen, deren Rollenmuster und Konstellation als Held und Schurke zu keinem Zeitpunkt hinterfragt oder gar dekonstruiert werden. Auf über 1200 Seiten – so viel umfasst die Serie – blieben die Figuren eindimensional, hölzern, funktional und in Klischees gefangen.

Aufgefangen wurde diese Trivialität, zumindest zu Beginn der Serie, durch einer Vielzahl mehr oder weniger cleverer politischer Anspielungen und einen detailiert ausgearbeiteten politisch-sozialen Background des alternativweltlichen Szenarios übertüncht. Es ist freilich immer gefährlich, wenn der Hintergrund einer Erzählung interessanter ist als die Erzählung selbst. Das sieht man hier, denn genau dieser Hintergrund fällt im letzten Band praktisch komplett weg. Was bleibt, ist ein nur zu bekannter Plot um ein paar Menschen, die auf dem Schloß eines irren Magiers um ihr Leben rennen, wobei einige sogar überleben – oder kurz: eine simple Horrorgeschichte.

Zehn Jahre hat Nelson gebraucht, um auf diesen Punkt zu kommen. Seitdem hat man, bis auf ganz wenige Hefte für Marvel und DC, nichts mehr von ihm als Comicautor gehört. Auch hier scheint der einstige Optimismus deutlich gedämpft worden zu sein.

Ehapa Comic Collection, 248 S.; € 24,95

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