Der Umgang Deutschlands mit seiner Vergangenheit sei zu verkrampft, sagen die einen. Dem könnte man entgegnen, dass viele andere Länder mit Deutschlands Vergangenheit, die oft genug auch ihre eigene ist, zu nachlässig umgehen.

„War and Dreams“ schildert das Leben von vier Soldaten während des und nach dem Zweiten Weltkrieg, einem Deutschen, Briten, Amerikaner und Franzosen. Als solches ist es weniger ein Roman – gleichwohl eine Graphic Novel – als eher eine Kollage. Die Geschichten überlappen sich nur gelegentlich, laufen aber zwangsläufig oft und offenbar parallel, immer entlang der Kriegsgeschehnisse.

Es ist eine verblüffend melancholische Erzählung, schon die pastellfarbenen, überaus zurückhaltend kolorierten Bilder vermitteln das. Erinnerungen stehen im Mittelpunkt, die Geschichten werden nicht linear voraus, sondern in abwechselnden Rückblicken erzählt. Nicht die Kriegshandlung, das Kämpfen, steht im Mittelpunkt, sondern das, was wohl den Alltag der meisten Soldaten ausmacht: das Warten auf die Schlacht.

Weil das alles angenehm unaufgeregt, psychologisch solide erzählt ist und vor allem die Landschaftsbilder wunderschön sind, sollte mich das eigentlich für den Comic einnehmen.

Woher also das Unbehagen, das ich bei der Lektüre hatte? Es sind gar nicht so sehr die diversen kleinen Fehler, etwa dass Leipzig von den Autoren ins Ruhrgebiet verlegt wird und ein französischer Kriegsgefangener es offenbar schafft, über sechshundert Kilometer wie im Spaziergang durch Nazi-Deutschland zu fliehen.

Aber es spricht von der Nachlässigkeit, den die Autoren an den Tag legen. Es zeigt, dass es gar nicht so sehr um den realen Krieg geht. Bereits bei ihren vorherigen Comics haben die Charles, das hier fungierende Zeichner- und Autorenehepaar, einige Marotten an den Tag gelegt, die zu den eigentlich guten Ideen und Ausführungen konträr gehen. Es ist der Hang, bei jeder Gelegenheit wunderschöne nackte Frauen zu inszenieren, die natürlich mit nicht minder attraktiven Männern bei jeder Gelegenheit Sex haben.

Die erotische Darstellung wird zum Selbstzweck, und das ist unangenehm, weil es das ganze Vorhaben der Geschichte an sich in Frage stellt. Daher kommt mein Unbehagen – aus der Frage, worum es hier geht? Ist „War and Dreams“ ein Überlebenden- und Kriegspsychogramm, oder doch nur sexueller Schauwert? Auch ein schöner Porno bleibt ein Porno.

Mindestens bizarrer Höhepunkt ist ein winziger Handlungsstrang um ein Aktportait, das Hitler von Eva Braun gemalt haben soll. Denn die Charles lassen es sich nicht nehmen, dieses Portrait, ganzseitig, frei von Sprechblasen oder anderen Elementen, zu zeigen.

Ich habe Eva Brauns Möse gesehen, und sie war rasiert.

Möglicherweise steckt in dieser Darstellung, die eines der Symbole des Dritten Reichs mit makellosem Körper und haarlosem Genital zum Sexsymbol macht, eine ironische Brechung. Vielleicht ist es eine gelungene Provokation. Vielleicht sehe ich das alles zu verkrampft.

Vielleicht ist das, plumper Sexismus bis in die Betten des Führerbunkers hinein, auch nur sehr sehr dumm. Sex mit Hitler taugt nicht als erotische Phantasie, und Eva Braun nicht als Sexsymbol.

Maryse & J.F. Charles: War and Dreams
Splitter, 192 S. + Beilage, € 24,80

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  • 2 Responses to “Ich habe Eva Brauns Möse gesehen, und sie war rasiert”

    1. Sexnews says:

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    2. DMJ says:

      Oha…die Überschrift des Beitrags lädt so zum zitieren ein, dass man sich damit wunderbar unmöglich machen kann.