Vierter und letzter Teil meines kleinen, persönlichen, subjektiven Überblicks über die Publikationen zum diesjährigen Gratis-Comic-Tag. Teil 1 findet sich hier, Teil 2 dort und Teil 3 dann da.

Das sind natürlich längst nicht alle Comics. Inklusive der Hefte, an denen ich zu tun hatte, habe ich in diesem Blog grade mal die Hälfte aller Erscheinungen angesprochen. Das heißt nicht, dass die übrigen Comics weniger Aufmerksamkeit wert sind. Im Gegenteil! Unter den nicht rezensierten finden sich einige meiner absoluten Lieblinge, „Herr Hase“ von Lewis Trondheim oder „Professor Bell“ von Joan Sfar oder – guilty pleasure – die „Simpsons“-Comics von Panini.

Dass z.B. die hier nicht vorgestellt wurden, hat also sehr viel mit fehlender Zeit oder vielleicht auch fehlenden Worten zu tun – so oder so nichts mit der Qualität der Comics. Ich rate also stärkstens, am Samstag in den Comicshop zu gehen, und sich in Ruhe auch die Comics anzusehen, die hier nicht vorgestellt wurden, oder vielleicht sogar grade die.

Ansonsten, zum letzten Mal Vorhang auf – heute mit: Die Toten, Comics für alle, Tales from the Vault of Gringo, Holzhof Comics, Perry – Unser Mann im All.

Christopher Tauber & Ingo Römling
Die Toten
(Zwerchfell, 32 Seiten)

Noch so ein schlechter Kalauer: Zombies gehen eigentlich immer. Und während die meisten Zombiecomics, -TV-Serien und -Filme (von denen es ja grade nicht wenig gibt), sich exakt auf dieses Element beschränken, wagen „Die Toten“ von Zwerchfell zumindest einen Ansatz sozialer Analyse und Charakterbeschreibung.

Darum machen die Minidramen um ein zombifiziertes Deutschland (und zwar im Jahr 2009!) so viel Spaß. Obwohl da auch ordentlich gemetzelt wird – in der vorliegenden exklusiven Episode dieses Heftes ist rot keine seltene Farbe – geht es eben doch um die Figuren, die irgendwie Lebenden bzw. unter Untoten lebenden bzw. quasi Toten… also um die Menschen, die hier das Gegenteil der Zombies sind. Ach, vllt. Ist der Titel doch ein Stück zu metaphorisch für diese hübsche Serie.

Diverse
Comics für alle
(ICOM e.V., 48 Seiten)

Comicfan sein heißt im Idealfall, dass sich das Interesse an Comics auf Vergangenheit und Zukunft erstreckt, auf Dinge, die man gelesen hat und die einen geprägt haben, und auf Dinge, die man noch lesen wird und die einen völlig anders prägen.

Das vom ICOM herausgegebene Heft ist darum vielleicht etwas zu retrolastig. Gesammelt sind kurze Episoden diverser deutscher Zeichner über ihre prägenden Comics. Auffällig selten, nämlich gar nicht, sind Mangas darunter, auffällig oft kommen frankobelgische Titel aus den Sechziger- bis Achtzigerjahren vor. Dabei sind einige wirklich schöne Episoden, etwa von Haggi, der sich der Schlümpfe annimmt. Insgesamt aber ist dieser Rückblick etwas zu einseitig, und, nun ja, im Wortsinn retro.

Diverse
Tales from the Vault of the Gringo
(Gringo Comics, 32 Seiten)

Apropos Haggi: der zählt seit Urzeiten zum Stammpersonal von Gringo-Comics, wo etwa seit Jahr und Tag seine „Hartmut“-Comics erscheinen. Vier der kurzen Episoden finden sich in diesem Heft, das als Querschnitt durch das Verlagsprogramm dient und darum auch Kurzcomics von Stephan Hagenow, Holger Bommer und Martin Frei enthält, alle – sagt der Verleger – exklusiv für dieses Heft erstellt.

Heimlicher Höhepunkt ist die kurze neue Episode um „Schlicht, der Amishjunge“, deren brachial banaler Humor sich aber vermutlich nur erschliesst, wenn man die übrigen Episoden (in „Fack, die Henne“ 1 – 4 aus dem gleichen Verlag) bereits kennt. Das ist überhaupt das Problem: wer nicht vertraut ist mit dem sehr eigenwilligen Humor vieler Gringo-Comics, guckt vllt. etwas blöde angesichts solchem Unfug. Aber hey, ich würd‘ mir trotzdem jederzeit eine „Schlicht“-Serie kaufen!

Diverse
Holzhof Comics 1
(Holzhof Comics, 48 Seiten)

Zwei Hefte in einem ist die Produktion des in letzter Zeit vermehrt aktiv werdenden Dresdener Kleinverlages Holzhof Comics (der rustikale Name leitet sich von der Dresdener Verlagsadresse ab) und der eng mit dem Verlag assoziierten Beatcomix. Auch qualitativ zerfällt das ziemlich: in den Rahmen-Teil, der mit der von Sascha Wüstefeld gestalteten Episode „Der Puppenkasper“ und dem verblüffend altbackenen Zeitreise-Garn „Remory“ ein fast reines „Mosaik“-Fanzine ist. Selbst die grafisch sehr hübsch irgendwo zwischen Sfar und Crumb liegende Totengräber-Geschichte „Grave Digger“ „Dave Grigger“ reißt es hier nur wenig raus, ist sie doch nur eine Leseprobe.

Und in den innenliegenden umfangreichen Nachdruck von Willy Moeses ostdeutscher Comicstrip-Serie „Der Zauberlehrling“ aus den Sechzigerjahren, mit dem der Verlag seine Reihe „Klassiker der DDR-Bildgeschichte“ bewerben möchte. Die ist tatsächlich eine Entdeckung wert, ein minimalistischer, komplett stummer Strip, in dem Moese die Tradition klassischer Kinderbuchillustration aufgreift – charmant.

Diverse
Perry – Unser Mann im All
(Alligator-Farm, 48 Seiten)

Seit 2006 erscheint die Fortführung der Siebzigerjahre-Comicserie „Perry – Unser Mann im All“ beim Hamburger Kleinverlag Alligator-Farm. Leider viel zu unregelmäßig: bis dato liegen acht Ausgaben vor. Ebenso schade: eine wirkliche inhaltliche Kontinuität läßt sich in den bisher erschienen Heften nur bedingt ausmachen, anders als die zugrundeliegende Romanserie „Perry Rhodan“ suchen die Comics immer noch ihren eigenen Weg.

Davon zeugt auch dieses Heft, das vorrangig Kurzgeschichten früherer Nummern nachdruckt und zwar keinerlei Vorwissen verlangt, aber qualitativ extrem weit auseinander fällt; von pathetischem Schrott wie „Narben“ von Marc A. Herren und Dominic Beyerler (in dem recht wortgewaltig und schwülstig geklärt wird, woher Perry Rhodan seine Narbe am Nasenflügel hat), bis zum selbstironischen „Zygoia“, einem Space-Piraten-Episödchen, das der Leipziger Comiczeichner Ralph Niese als charmant-krachige Hommage an klassische Marvel-Comics gezeichnet hat, reicht hier die Bandbreite.

8 Responses to “Gratis-Comic-Tag 2011 (04): die Indies”

  1. tillfelix says:

    Bist Du sicher, dass es sich bei der Mamei/Kircheis-Leseprobe im Holzhof-Heft um ‚Grave Digger‘ handelt? Sollten sie für den zweiten Band eine Umbenennung vorgenommen haben?

  2. Stefan says:

    Ja, ja, stimmt schon: „Grave Digger“ von Mia Mei und Iwo Kicherreis.

    *hmpf*

    😉

  3. Stefan Pannor » Blog Archive » Gratis-Comic-Tag 2012 (1): Alben says:

    […] Die Indies […]

  4. Stefan Pannor » Blog Archive » Gratis-Comic-Tag 2012 (5): Helden und Verlierer says:

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  5. Stefan Pannor » Blog Archive » Gratis-Comic-Tag 2012 (6): Anthologien says:

    […] Die Indies […]

  6. Stefan Pannor » Blog Archive » Gratis-Comic-Tag 2013 (01) says:

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  7. Stefan Pannor » Blog Archive » Man bleibt unter sich. – Ein (Vorab-)Fazit zum Gratis Comic Tag 2014 says:

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  8. Stefan Pannor » Blog Archive » Gratis-Comic-Tag 2014 (02) says:

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