PerryEs ist leicht, Perry Rhodan nicht zu mögen. Es ist leicht, ihn zu mögen. Das Triviale polarisiert, weil es seit jeher auf größtmögliche Eingängigkeit, auf Konsum des Erzählten setzt, dabei aber zwangsläufig Abstriche machen muss bei Art und Form des Erzählten. Triviales bietet zwangsläufig immer sehr wenig Widerhaken.

Perry Rhodan lese ich, seit ich 14 bin – und man kann aus dieser Einleitung und aus obigem Text möglicherweise herauslesen, dass ich ihn nicht mag. Nun, man kann sagen: ich liebe ihn nicht. Viel eher ist es eine Freundschaft, die mich mit der Serie verbindet. Ich mag sie (sicher auch, weil ich sie schon ewig kenne), aber ich sehe auch ihre Fehler und Schwächen. Ich wünsche mir, dass man das aus meinen Äusserungen herausliest.

Perry Rhodan ist nicht mein einziger literarischer Freund, also kommt es automatisch zu Vergleichen. Und das ist sicher gut so. Kein Genre, keine Kunstform stehen für sich. In diesem Sinne ist auch untenstehende Rezension verfasst, im klaren Bewusstsein, dass hier nicht nur eine Trivialserie adaptiert wird, sondern auch weitreichende Einflüsse aus Independent- und Punkkultur mehr oder weniger bewusst hinzugetan werden.

Der untenstehende Text enstand ursprünglich für satt.org und das Forum der Leipziger Comic Combo – bitte klicken Sie bei Interesse auch hier oder hier.

Alligatorfarm
Perry – Unser Mann im All

Perry - Unser Mann im All 133Genie und Wahnsinn liegen zwar in Wirklichkeit seltener dicht beieinander, als das Sprichwort einen glauben machen will. Im Fall der „Perry – Unser Mann im All“-Comicreihe allerdings sind sie eine extrem enge Bindung eingegangen. „Perry“ ist so ziemlich der unwahrscheinlichste Comic, den man in der Comiclandschaft 2007 von irgendwem erwartet hätte.

Dabei fällt doppelt ins Gewicht, dass die Serie auf „Perry Rhodan“ basiert – Science-Fiction-Klassiker, Endlos-Saga im All aus deutschen Landen, und bieder bis ins Mark. Jede Woche ein neues Heft, wobei alles schön aufeinander aufbaut. Logik und Vernunft bestimmen das Konzept.

Comics gab es zu diesem kommerziellen Grosserfolg, der inzwischen fast 50 Jahre anhält, natürlich auch schon. Die aktuellen „Perry“-Hefte schliessen sogar an eine konkrete Tradition an. Ebenfalls unter dem Titel „Perry – Unser Mann im All“ erschien bereits in den Siebzigern eine entsprechende Serie. Und auch die hatte damals schon wenig mit dem biederen Appeal der Heftserie zu tun.

Auf der einen Seite greift die Alligatorfarm, das junge Hamburger Zeichnerstudio hinter den aktuellen „Perry“-Comics, somit eine Tradition auf. Mehrere sogar: das drogenbunte Farbverwirrspiel, die riesige Masse sexueller Andeutungen und Ausschweifungen, die wild und voltenschlagend vorangetriebene Handlung der jüngsten Hefte gab es bereits in diesen Heften der Siebziger. Nicht zuletzt wegen dieser Ähnlichkeiten hat die neue Comicreihe auch die Nummerierung der alten fortgeführt. Aktuell ist man damit bei Ausgabe 133, obwohl erst vier Hefte bei der Alligatorfarm erschienen.

Aber Tradition ist eben nicht alles. Die Alligatorfarm dreht voll auf. Neben Zitaten auf legendäre Comics und saftigen, rasanten Geschichten, nach deren Logik man besser nicht fragt, kommen in den jüngsten Comics auch Handlungselemente zu tragen, die man in der Romanserie wohl vergeblich suchen würde. Strassenschlachten zwischen Slumbewohnern und Polizei etwa. Und ein Perry Rhodan, der sich mitten im Abenteuer mal eben eine Auszeit nimmt, um zu vögeln. Auch Zitate aus den Romanen finden sich. Aber sie werden regelmässig umgedeutet, neuinterpretiert, wie es den Machern grade passt.

Das ist der reine Irrsinn. Und ein riesengrosser Spass. „Perry – Unser Mann im All“ ist ein Comic, wie es ihn in Deutschland derzeit kein zweites Mal gibt. Die besten Traditionen klassischer Independent-Comics vermischen sich hier mit einer Institution deutscher Trivialunterhaltung – besser gesagt: beides wird kräftig mit dem Mixer zusammengerührt. Ungefähr alle drei Monate erscheint ein neues Heft, und bis jetzt war jedes besser als das vorherige. (stefan pannor)

Perry – Unser Mann im All, ; jedes Heft 52 S. plus Posterbeilage; € 4,95; Alligatorfarm

One Response to “Aktuelle Comicrezension (56): Perry – Unser Mann im All”

  1. Stefan Pannor » Blog Archive » Wieselflink: ‘Perry Rhodan Action’ - Zurück in die Zukunft von früher says:

    […] Artikel von mir zum Thema Rhodan finden sich hier, hier und hier sowie in Comixene 96 (Titelstory 45 Jahre Perry Rhodan) und Comixene 99 (Thema […]