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Ende Mai vermeldete ich in der WELT, dass in den USA (wieder einmal) die Disney-Comics eingestellt würden. Die Geschichte machte naturgemäss ihre Runde.

Pixars Cars-ComicDabei endete der Artikel mit dem Verweis auf den US-Kleinverlag Boom Studios!, der sich die Comicrechte zu Pixar-/ Disney-Stoffen wie Cars und Die Unglaublichen gesichert hat. Was schon damals als Gerücht in der Luft lag, hat sich dieser Tage bestätigt. Boom wird die Disney-Titel weiterführen.

Vorläufig erstmal zwei. Walt Disney’s Comics & Stories mit der Heftnummer 699 und Mickey Mouse & Friends mit der Heftnummer 296, was den Verlag vor die interessante Situation stellt, bereits mit der dritten Publikation ein großes Jubiläum zu feiern – die siebenhunderste Ausgabe der Überklassiker Walt Disney’s Comics & Stories, die von Carl Barks in den vierziger Jahren groß und zum zeitweise mit Abstand erfolgreichsten Comicheft der USA gemacht wurden.

Mit den alten Barks-Geschichten wird diese Heftreihe dann aber nichts mehr zu tun haben. Und auch nicht mit jenen Heften, wie Gemstone sie vor Abgabe der Lizenz veröffentlicht hat. Die Hefte werden äußerlich schmaler: 24 Seiten für $ 2,99 (Gemstone: 64 S. für $ 7,99). Außerdem wird das enthaltene Material weggehen vom klassischen Disney-Heftcomic. Dieser zeichnet sich in der Regel durch vier untereinander liegende Bildreihen aus. Zum Vergleich: das sind jene Geschichten, die hierzulande in Publikationen wie der Micky Maus und dem Donald Duck Sonderheft erscheinen.

Disney's UltraheroesDie Boom-Comics dagegen werden (wenigstens zu Anfang) dreireihig sein, also Geschichten mit drei übereinander liegenden Bildreihen. Auch hier zum Vergleich: das sind jene Geschichten, die hierzulande im Lustigen Taschenbuch erscheinen und die in der Regel auch für das kleinere Taschenbuchformat konzipiert sind. Ein weiteres Experiment: statt abgeschlossener Geschichten startet Walt Disney’s Comics & Stories mit der langen Episode Ultraheroes. Die 240 seitige Erzählung ist bis dato in Italien, Brasilien, Frankreich, Griechenland und Spanien erschienen. Eine deutsche Veröffentlichung ist noch nicht konkret angekündigt.

Angesichts des geringen Umfanges der Boom-Hefte wird diese Serie sich voraussichtlich über die gesamten ersten zehn Ausgaben der neuen WDC&S-Hefte erstrecken – oder (die wahrscheinlichere Lösung) über jeweils fünf Ausgaben beider Boom-Serien. Inwieweit hier die Kundschaft mit einer sich über fast ein Jahr erstreckenden Geschichte oder dem Zwang, zwei nicht eben billige Heftserien parallel zu verfolgen, nicht überfordert wird, bleibt abzuwarten.

Angesichts europäischer Verhältnisse mit den hochauflagigen, preiswerten Disney-Comics in fast allen Ländern des Kontinentes scheint diese Lösung jedenfalls befremdlich und nicht minder suboptimal als das auf kaufkräftige Sammler ausgerichtete Konzept des Vorgängerverlages Gemstone.

Mittlerweile relativ stabil halbjährlich erscheint die Comixene – was gar nicht so schlimm wäre, wenn nicht permanent mehr Ausgaben angekündigt wären. So waren für 2009 ursprünglich sechs Ausgaben geplant, inzwischen sind es noch vier. Beide Zahlen erscheinen nach den Takten der letzten Ausgaben des ehemaligen Monatsblattes (!) unwahrscheinlich.

Natürlich spielt auch hier die Wirtschaftskrise eine Rolle, die die Produktion eines solchen Nischenheftes für eine überschaubare Zielgruppe  immr schwieriger macht. Insofern muss man den Durchhaltewillen des Verlages bewundern. Zumal es mit dem Comixene-E-Mail-Newsletter zumindest einen Versuch gibt, die geringer gewordene Schlagzahl der Hefte durch anderweitigen Content aufzufangen.

Nichtsdestotrotz ist das aktuelle Heft von eher durchwachsener Qualität. Wie so viele Comixene-Ausgaben der letzten Jahre hat auch dieses ein Cover, das auf Comicverfilmungen hinweist. Die Montage aus fünf Bildern (The Spirit, Batman, Wolverine, Heroes, Watchmen) lässt sich dabei auch als Historie ehedem geplanter Titelstories lesen, die durch die seltene Erscheinungsweise wegfielen. An ihre Stelle tritt ein allgemeiner Abriss, der sich positiverweise gar nicht erst als Rezension all dieser Filme versteht. Sondern versucht, Themen und Muster der Filme heraus zu arbeiten, und sich dabei auch an so obskurem Material wie Der große Japaner abarbeitet. Dennoch bleibt der Abriss ein wenig an der Oberfläche, ist am Ende eben doch vor allem eine Zusammenfassung vieler Dinge, die in den vergangenen Monaten in Feuilleton und Internet bereits bearbeitet wurden.

Weitere Themen des Heftes sind ein Reisebericht der Moga Mobo-Macher aus Kuba (siehe dazu auch meinen Artikel über Kuba-Comics auf SPON) und eine kurze Analyse aktueller Comicveröffentlichungen über Fidel, Che & Co sowie eine lange Werkschau des hierzulande zuletzt ein wenig in Vergessenheit geratenen französischen Szenaristen Pierre Christin (Valerian & Veronique).

Traurig: auch ein Nachruf auf den Comixene-Gründer Thilo Rex, der Anfang des Jahres verstarb, findet sich im Heft.

Von mir findet sich auf einer ganzen Seite der Artikel Schneewittchen in Auschwitz über das Schicksal von Dina Babbitt, wie ich es bereits im vergangenen Jahr für SPON beschrieb:

COMIC FÜR KZ- KÜNSTLERIN
Schneewittchen in Auschwitz

Dank ihres Talents entkam sie dem Tod: Weil Dina Babbitt Schneewittchen besonders hübsch zeichnete, erkor SS-Arzt Mengele die Jüdin, Porträts seiner Opfer zu malen. Jetzt widmen berühmte US-Zeichner ihrer Geschichte einen Comic – der ihr helfen soll, alle Bilder aus der KZ-Zeit zurückzuerhalten.

Für die Comixene habe ich den Artikel etwas geglättet und aktualisiert. Er erscheint als Vorwort zum Comic über Babbitts Schicksal, der von Neal Adams und Joe Kubert gestaltet wurde und in diesem Heft erstmals in einer deutschen Fassung vorliegt. (Angesichts der Tatsache, dass es sich um die erste Veröffentlichung eines neuen Comics von Neal Adams seit einer gefühlten Ewigkeit handelt, wundert mich freilich, dass die Namen der Zeichner nicht auf dem Cover auftauchen.)

Comixene 105 hat 80 Seiten Umfang und kostet 9,00 €. Sie ist am leichtesten über Comicfachhandel zu beziehen.

Vor einigen Wochen schrieb ich in der WELT über obskure Fantasycomics mit Obama als Conan-Verschnitt.

Geht es noch seltsamer?

Ei freilich.

In einem im Oktober erscheinenden Einzelband wird sich Obama mit Zombies anlegen. President Evil nennt sich das:

Something far more sinister than usual is going on in our nation’s capital. Troop-boosting experiments gone wrong have created monstrous soldiers led by undead presidents, all hungrier for more than pork barreling! Can the Commander in Chief, his allies and rivals set aside their partisan differences to combat this nightmare? YES THEY CAN!

Runde zwanzig Dollar wird das Buch kosten, und weil sich mit Obama so viel Geld verdienen lässt, wird der federführende Verlag Antarctic Press das Cover auch als hochwertigen Druck veröffentlichen. Zombama für die Wand – so sieht das dann aus:

President Evil

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Und wie will man das noch steigern?

Nun, wie wäre es mit einem Comic über Obamas Hund? That’s right, Bo Obama bekommt sein eigenes Comicheft:

Also scheduled for release in September is “Puppy Power: Bo Obama,” written by Paul J. Salamoff and drawn by Emmy Award winning Disney and Warner Brothers artist Keith Tucker. In his book, Bo gives children an insider’s look at the White House. Readers will discover who is the real “top dog” in Washington. There will also be two covers for the “Puppy Power: Bo Obama” comic by “Female Force: Michelle Obama” artist Joshua Labello and Keith Tucker.

Das Heft wird im September in den Staaten erscheinen. Für Sammler wird es mit zwei verschiedenen Covern ausgeliefert.

Bo Obama
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Ende der Fahnenstange? I sincerely doubt it.

Das war früher auch einfacher. Während ich mich in der Blüte meiner Pubertät befand und einen ranken Jugendkörper besaß, konnte ich zusehen, wie die Herren und Damen Angestellten der Sternenflotte, die alte Besatzung der Enterprise, mit jedem Film immer dicker wurden. Was ihnem im Star-Trek-Spandex auch überhaupt nicht stand.

Diese Zeiten sind jetzt vorbei. Zwar trage ich weiterhin kein Spandex, aber …

Kirk & Spock & Scotty & Sulu & Chekov sind offiziell an mir vorbei gejugendt (das ist das Gegenteil zu „gealtert“). Und wie sie das getan haben, kann einen schon neidisch machen.

Denn Star Trek XI (mit dem belanglosen Untertitel Die Zukunft hat begonnen) ist Punk und Rock und überhaupt jede Menge Anti-Establishment-Feierei, dass es eine Freude ist. Gleich zu Beginn braust der blutjunge Kirk mit dem gestohlenen Wagen seines Ziehvaters durch die Wüste, und zu Klängen der Beastie Boys verschrottet er das Teil im nächsten Canyon. James Dean klingt da an, wie er den ewigen Rebell gegeben hat, und natürlich Marlon Brando. Wenig später sehen wir Spock, wie er sich weigert, den vorgeschriebenen, absolut üblichen Karriereweg auf seinem Heimatplaneten Vulkan zu gehen. Denn so machen es schließlich alle. Widerstand mag zwecklos sein (wie man aus der TV-Serie weiß), aber er ist logisch. Vor allem wenn man jung ist.

Und wie sie jung sind! Star Trek XI präsentiert nicht einfach nur ein paar glattgelutschte Teens in engen Jeans, sondern tatsächliche Charaktere. Kirk, dessen Vater als Held verehrt wird, rebelliert von vorn bis hinten gegen die Regularien der Sternenflotten-Ausbildung, betrügt und vögelt sich rum, ist also das absolute Gegenbild zur klinisch reinen Utopie des Gene Roddenberry. Und Spock ist das Opfer, das Karrierist wird: in seiner Kindheit von den größeren Mitschülern rumgeschubst, gibt er sich später betont extrakalt und hypervulkanisch. Nur um dann, wenn er es mit der Methode bis ganz nach oben geschafft hat, zu zeigen, dass er einen Scheiss auf seine Schule gibt.

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Und das schönste: diese Ecken und Kanten und Untiefen, die den Charakteren vollkommen schlüssig zugeschrieben werden, sind nicht dazu da, am Ende zugunsten einer biederen Anpassung an das System aufgelöst zu werden. Kirk und Spock und die übrigen retten das Universum, grade weil sie, jeder auf seine Art, junge Punks sind – und den alten Herren von der Akademie bleibt am Ende nichts andres übrig als ihnen dazu auch noch zu gratulieren. So muss das sein. J.J. Abrams als Produzent und Regisseur hat ein Hohelied auf die Jugend gedreht.

Deshalb ist dies auch kein typischer Action-Film, obwohl es permanent und an allen Ecken und Enden kracht, und kein typischer Star-Trek-Film, obwohl die Darsteller in den vertrauten Kostümen rumrennen und all zu vertraute Namen tragen. James T. Kirk. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Und dann noch einmal zehn sein und zum ersten Mal Raumschiff Enterprise im Fernsehen sehen.

Nein, Star Trek XI ist ein Ensemblefilm über ein paar Kids, die morgen in die Schlacht ziehen, es aber heute noch einmal krachen lassen, die an der Front stehen und mit viel Glück und Frechheit gerade so durchkommen. Sie sind die „fucking new guys“, wie es im Vietnamfilm Hamburger Hill heisst. Die dauernd ihr Leben aufs Spiel setzen, um etwas zu erreichen, was die alten Herren nicht hinbekommen. Auch an Teenager-Kriegs-Dramen wie diese erinnert Star Trek XI, obwohl in diesem Fall alle heil nach Hause kommen.

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Und dass das so funktioniert, liegt an den Darstellern. Die hätten eigentlich nicht viel mehr zu tun gehabt, als Schauspieler zu spielen, die andere Schauspieler spielen. Denn tatsächlich orientierten sich Chris Pine (Kirk), Zachary Quinto (Spock), Karl Urban (Leonard McCoy), John Cho (Sulu) und Anton Yelchin (Chekov) massiv daran, wie William Shatner, Leonard Nimoy, DeForest Kelley, George Takei und Walter Koenig ihre jeweiligen Ebenparts gespielt haben. Gleichzeitig tun sie aber noch mehr. Sie haben Spaß. Es ist der Spaß an der Kopie, an der Verkleidung als Held der eigenen Kindheit. Der überträgt sich als Esprit auf die Leinwand. Wer wollte nicht früher so schweinecool wie Spock sein und so die Augenbrauen hochziehen können? Na also.

Vor allem, wenn man es neben dem Original tun kann – Leonard Nimoy spielt in einem herrlich nostalgischen Plottwist ebenfalls den Spock. Einzig Simon Pegg als arg mißgelaunter Scotty fällt da ein wenig aus der Rolle, aber das tut dem ganzen in seiner komödiantischen Übertreibung nur gut. Denn er ist großartig. Schon seine Stimme riecht nach Schmieröl. Und Zoe Saldana als Uhura verlässt sich ein wenig zu sehr auf die Wirkung ihrer langen Beine.

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Natürlich könnte man jetzt kritisieren, dass vor lauter Ensemble die Story zu kurz kommt. Das ist in der Tat so. Eric Bana als zeitgereister Schurke Nero ist banal, flach, kaum glaubwürdig in seiner Motivation, eine mittelmäßige Kopie von Khan aus dem zweiten ST-Movie – eigentlich setzt er die Geschichte nur in Gang, den Rest erledigen die Jungs auf der Enterprise. Aus Trauer über den Tod der geliebten Frau die Erde zerstören zu wollen, das ist Schurkenschema F. Auch Zeitreise ist im Star-Trek-Kontext nichts Neues. Aber wen schert das angesichts einer rasanten Hatz in großartigen Kulissen (prächtig: die gigantische orbitale Bohrstation, gruselig: das zeitreisende Tentakelraumschiff, clever geklaut: der monströse Eisplanet) und der Frage, wie Kirk und Spock, die sich bis aufs Blut hassen, eigentlich Freunde werden können?

Star Trek XI lässt sich auf einen ganz einfachen Nenner bringen. Die Actionszenen in diesem Film sind die besten, die je in einem Star-Trek-Film zu sehen waren, und die witzigsten Szenen die witzigsten. Es gibt keine Durchhänger. Die Darsteller sind hervorragend.

Wollte man etwas beneiden an diesem vermutlich bisher besten aller Star-Trek-Kinofilme, dann eben wirklich nur, dass die wieder jung sind und man selber nicht, dass denen Spandex steht und mir nicht einmal mehr meine alten T-Shirts. Aber wir wollen usn hier nicht die gute Laune über einen wirklich guten Film vermiesen lassen.

Es gibt viele gute Gründe, gerade jetzt über Alan Moore zu reden, über sein schwieriges Verhältnis zu Mainstream-Verlagen und über seinen Kampf für künstlerische Unabhängigkeit. Watchmen, der Film, ist gerade nach monatelanger Publicity an den Kinokassen versumpft. Watchmen, der Comic, wurde im letzten Jahr gut eine Million mal in der englischsprachigen Ausgabe allein verkauft. Moore lehnt sämtliche Einnahmen aus dem Flm und den Comicverkäufen ab, da er sich mit dem Verlag überworfen hat. Der dritte Teil der League of Extraordinary Gentlemen wurde für dieses Jahr angekündigt – es ist der erste, der nicht bei DC erscheint, sondern beim unabhängigen Kleinverlag Top Shelf.

Es gibt auch gute Gründe, diese Debatte in Comicform zu führen.  Moore ist der bekannteste lebende Comicautor, sein Beitrag zum Medium wie zur erzählerischen Tradition der gesamten westlichen Kultur ist wie die Besitztümer von Citizen Kane – kaum schätzbar. Und es gibt gute Gründe, weshalb ausgerechnet Rich Johnston diese Debatte in Form eines Comicheftes führt – der britische Comicklatsch-Blogger hat in den letzten Jahren die Streitigkeiten um Moore und dessen Werke ausdauernd beobachtet und kommentiert.

Und doch bekomme ich bei Watchmensch, dem Ergebnis von Johnstons Bemühungen, Bauchschmerzen.

Nicht weil das Heft faktisch falsch oder oberflächlich oder einfach schlecht wäre. All das ist es nicht. Die 24 ganz im Stil von Watchmen gehaltenen Seiten (Brain Scan Studios, $ 3,99) geben zwischen der Handlung einen hervorragenden Überblick über die Probleme, die Moore insbesondere mit DC Comics hatte: wie er mit obskuren Verträgen über den Tisch gezogen wurde, wie seine künstlerische Freiheit beschnitten und die Publikation seiner Titel unnötig verzögert wurde. Auf dieser Ebene ist Watchmensch ein hervorragendes Stück Metafiktion: eine fiktive Erzählung über die ganz realen Probleme Alan Moores mit einem Verlag, der de fakto die Rechte an einigen zentralen Werken Moores hält (u.a. auch V for Vendetta und Swamp Thing) und sich damit eine goldene Nase verdient. Johnstons Geschichte ist dabei keine bitterböse oder gar moralische Abrechnung damit, wie DC Comics den wichtigsten lebenden Comickreativen behandelt hat. Das Heft ist witzig, voller In-Jokes, flüssig lesbar.

Aber die Metafiktion reicht noch ein gutes Stück weiter. In Watchmensch geht es um sechs jüdische Anwälte, die nicht nur Moore selber mit Knebelverträgen fesseln, sondern auch andere Künstler wie die Superman-Erfinder Joe Siegel und Jerry Shuster. Parodistisch der Handlung von Watchmen folgend, recherchiert der Anwalt und Superheld Spotty Man (bzw. Rorschach) die Intrige, mit der seit Jahrzehnten Comickünstler um die Früchte ihrer Arbeit und das Eigentum an ihren Kreationen gebracht werden.

Das hat einen überaus realen Hintergrund. Bereits Siegel & Shuster verkauften alle Rechte an ihrem Superman für nur 130 Dollar an DC Comics. DC nahm damit Millionen ein. Insbesondere im Superhelden-Business hat es sich seitdem eingebürgert, dass sämtliche Ideen, die Künstler im Auftrag von Verlagen wie Marvel und DC schaffen, den Verlagen gehören. Damit bekommen die Künstler selbst im Falle des Erfolgs nichts vom Kuchen ab. Oder wenn, dann nur Brosamen. Sie sind auch austauschbar, weil es am Ende egal ist, wer Superman zeichnet, solange die Figur sich noch verkauft.

Es gibt aber noch eine andere Lesart. Superman, der nicht zu bremsende allererste Superheld, war eine Reaktion auf die Ohnmacht der beiden jüdischen Comickünstler Siegel & Shuster in New York angesichts der Hilflosigkeit auf den laufenden Holocaust in Europa. Ähnliches taten die auch jüdischen Joe Simon und Jack Kirby mit ihrer Kreation von Captain America – auf dem legendären Cover der Erstausgabe bekommt Hitler vom Helden ordentlich auf die Fresse. Auch die Schaffung der gebrochenen, zweifelnden Helden wie Spider-Man oder den X-Men durch den ebenfalls jüdischen Stan Lee bei Marvel Comics lässt sich als späte Reaktion auf den Holocaust deuten. Jüdische Künstler haben die US-Comics massiv geprägt mit Kreationen, die direkte oder indirekte Reaktion auf die Shoah waren.

Und da sind jetzt also diese sechs jüdischen Anwälte, die Watchmenschen, die wiederum u.a. jüdische Künstler und ein von jüdischen Künstlern entscheidend geprägtes Genre kreativknebeln. Es ist eine große Verschwörung, und der einzige, der diesen Plot auflöst, erweist sich am Ende als nicht-jüdisch.

Ist das witzig? Dave Gibbons, Zeichner der originalen Watchmen, war begeistert. „I Laughed out loud at Watchmensch“, ich habe laut gelacht bei Watchmensch, wird er zitiert.  Auch andere Rezensenten stehen dem Heft begeistert bis unkritisch gegenüber – neben den üblichen amerikanischen Review-Websites auch dieJewish Telegraphic Agency und die Website der BBC. Dabei ist dies nur eine Geschichte, wie Juden Juden um des Mammons Willen hereinlegen, eine Geschichte, die das Klischee von den jüdischen Anwälten als wahre Lenker der Geschenisse bemüht, eine Geschichte, in der der einzige Nicht-Jude, der sich heimlich in die jüdische Konspiration eingeschmuggelt hat, den Tag rettet.

Was würde Alan Moore wohl dazu sagen?

(Alle Bilder sind Eigentum der Künstler und stammen von deren Website zum Comic, watchmensch.com.)

Wolverine wird 35 in diesem Jahr, und weil das im Oktober der Fall sein wird (seinen ersten Auftritt hatte der haarige Kanadier in Ausgabe 180 des Incredible Hulk), feiert Marvel seinen Geburtstag bereits im April.

Bizarrer ist die Party. Marvel schmeisst einen „Wolverine Art Appreciation Month“ für gut drei Handvoll seiner monatlichen Heftserien. Das sind Cover, die sich an den Werken bekannter Maler und Illustratoren orientieren. Magritte, van Gogh, Dali … Marvel-Chefredakteur Joe Quesada erklärt: „Was, wenn Wolverine seit hundert, wenn nicht sogar tausend Jahren lebt? Welche grossen klassischen Künstler hätten sich darum gerissen, ein Wolverine-Cover zu zeichnen?“

Leider, der Mut, diese charmante Idee in den regulären Ausgaben umzusetzen, fehlt ihnen. Nein, es sind nur die Variantcover. Die regulären Cover sind das übliche uninteressante Poser-Gedöns, das leider seit den späten Neunzigern zunehmend echtes Cover-Artwork verdrängt. Und auch die Inhalte der Comics bleiben natürlich von den Covern unberührt.

Dennoch: Respekt für die bis dato charmant-bekloppteste Nichtgeburtstags-Idee des Jahres.

Alle Cover können hier eingesehen werden.

In der Bibliothek der ungeschrieben Bücher (wie sie Neil Gaiman in seiner Sandman-Serie wunderbar beschreibt) hätte Alan Moore inzwischen vermutlich ein eigenes kleines Regal. Neben Twilight of the Superheroes, einem geplanten Abenteuer mit den Superhelden von DC, und Minutemen, einem Prequel zu Watchmen, neben abschliessenden Kapiteln seiner Superhelden-Hommagen 1963, Supreme, Glory und Youngblood stünde dort auch eine prachtvolle Gesamtausgabe von Big Numbers, einer zwölfteiligen Serie, die 1989 (prallel zu From Hell) begonnen, aber nie beendet wurde.

In unserer Welt ist es müssig, über diese Titel zu spekulieren. Die Ursachen für das Scheitern der Projekte (oft mitten im Lauf) ist vielfältig und reicht von Verlagspleiten bis zum Zerwürfnis Moores mit beteiligten Künstlern, Verlegern oder Redakteuren. Für Moore liegen all diese Dinge hinter ihm, er wird sie nie fortsetzen.

Im Falle von Big Numbers ist das allerdings wirklich tragisch. Ebenso wie das annähernd parallel begonne From Hell (jüngst auf deutsch wieder aufgelegt bei Cross Cult) stellt die Serie um den Bau eines Einkaufszentrums in England einen Versuch dar, sich durch die Zuwendung zum absolut realistischen von den eskapistischen und phantastischen Themen zu lösen, wie er sie vor allem bei DC Comics in den Jahren zuvor produziert hatte. Schon die Grafik beider Projekte macht klar, dass Moore (der seine Zeichner stets selber auswählt) mit der bunten Welt von DC nichts mehr zu tun haben wollte. Die in Schwarztönen und Schatten schwelgenden Seiten, die Campbell für From Hell zeichnete, und die schlierigen,fliessenden und kippenden Seiten Bill Sienkiewiczs für Big Numbers sind die Antithese selbst noch zuden realistischsten Superhelden-Comics.

Auch inhaltlich stellen beide Titel völlig unterschiedliche Ansätze dar, größtmöglichen Realismus zu erreichen. Ist es beim Jack-the-Ripper-Epos From Hell die bereits ans Manische grenzende Recherche (die Moore dann auch jeweils in den Anhängen der einzelnen Kapitel ebenso akribisch darlegte) zwecks der Rekonstruktion einer vergangenen Epoche, so kommt der Realismus bei Big Numbers über die Vielzahl von Charakteren zum Tragen, die jeweils ihre Sicht auf das scheinbar bedeutungslose Ereignis der Eröffnung eines Einkaufszentrum vermitteln.

Es steckt in dieser Zersplitterung und Zusammenfügung des Banalen (bei Moore fliesst auch noch eine ordentliche Portion Fraktalgeometrie und Chaostheorie mit hinein) viel von Thomas Pynchon oder von den Montageromanen eines Dos Passos. Oder anders gesagt: es steckt viel Literatur darin. Big Numbers ist ein verlorenes Kernwerk von Moore.

12 Bände sollten es werden. Zwei Ausgaben erschienen 1990, ehe Bill Sienkiewicz, der das ganze zeichnen sollte, den Kram hinschmiss, weil er mit der Komplexität der Aufgabe nicht zu Rande kam. Sienkiewiczs damals gerademal 19jähriger (!) Assistent Al Columbia übernahm die Aufgabe, scheiterte nach angeblich zwei weiteren produzierten Ausgaben aber ebenfalls. Die Gründe hierfür sind unklar. Es erschienen jedenfalls keine weiteren Ausgaben mehr, nur zehn Seiten von Columbias Arbeit Jahre später in einer Fachzeitschrift. Gerüchte gingen, Columbia hätte beim Zerwürfnis das gesamte Artwork vernichtet.

Zumindest letztere Aussage kann als falsch bewertet werden. Am 26.03. 2009 postete ein User namens Glycon eine vollständige Ausgabe 3 von Big Numbers. In Copyshop-Qualität, aber vollständig. Die Geschichte geht wie folgt.

Angeblich hat er im Januar die geposteten Kopien bei Ebay ersteigert. Der Bieter hatte diese Kopien wiederum von einer Bekannten aus einer Newsgroup, die wiederum über drei Ecken mit Moore bekannt war. In den neunziger Jahren sei sie in den Besitz des Artworks gelangt und habe für einige Mitglieder jener Newsgroup eine Handvoll Kopien angefertigt. Eine dieser Kopien wurde nun versteigert.

Alan Moore (der angeblich selbst keine Kopien dieser Seiten besitzt) hat die Echtheit der Ausgaben indirekt bestätigt und die Publikation im Netz gestattet. Es handelt sich um insgesamt 40 Seiten. Sie sind vollständig ausgearbeitet und gelettert.

Lesen kann man diese vollständige Ausgabe hier.

Und auch wenn man Bibliothekare nicht verärgern soll, weil sie einen wichtigen Job machen – es ist gut, dass der Bibliothek der unveröffentlichten Bücher ein weiterer Moore-Band entrissen wurde.

Edit: „Glycon“ ist Pádraig Ó Méalóid, ein irischer SF-Fan.

Entschuldigung, ich konnte nicht wiederstehen.

Zum Thema:

Cover von 'Little Mouse'Wenn Art Spiegelman sich Kindercomics zuwandte, waren das immer eher zwiespältige Ergebnisse – Little Lit, die von ihm und seiner Frau Francoise Mouly herausgegebene dreibändige Anthologie, in der sich Underground-Künstler wie Chris Ware am Comic für Kinder versuchten, scheiterte auf hohem Niveau: ein Fest für Afficionados, aber an den meisten Kindern deutlich vorbei produziert.

Seit 2008 geben Mouly & Spiegelman erneut Kindercomics heraus, diesmal unter dem Label Toon Books. Die wahlweise hoch- und querformatigen und schmalen Bücher erfüllen tatsächlich alle Ansprüche des klassischen Bilderbuches (klare, einfache Geschichten), vermengt mit Comicelementen. Natürlich sind auch hier die Ergebnisse durchwachsen zu nennen. Der von Spiegelman produzierte Band Jack and the Box wirkt deutlich zu unterkühlt und trotz kindlichen Themas (ein Hase und ein Springteufel) deutlich eher auf Erwachsene zugeschnitten.

Erfreulich darum, dass mit Jeff Smith der vermutlich erfolgreichste All-Ages-Comiczeichner der Gegenwart einen Band zu den Toon Books beigesteuert hat. Smiths Gesamtauflage liegt inzwischen im Millionenbereich, und durch seinen Deal mit dem US-Kinderbuchverlag Scholastic ist vor allem seine Bone-Serie zu einer Grösse im Bereich der Schul- und öffentlichen Bibliotheken geworden. 2008 hat Smith einen Millionen-Dollar-Vertrag für die Verfilmung von Bone unterschrieben.

Little Mouse wird das Comicchen heissen und – ganz simpel – die Geschichte einer jungen Maus erzählen, die sich ankleidet. Ein klassisches Kinderbuch also, und in dem Falle, da von Smith, ein wunderbarer cute-overload, wie die bisher bekannten Bilder zeigen.

Geplanter Erscheinungstermin ist der 07. Setember diesen Jahres. Das Buch wird 32 Seitem im Hardcover und Querformat umfassen und $12,95 kosten. Über eine deutsche Ausgabe – sowohl dieses Buches als auch aller Toon Books-Bücher – ist derzeit noch nicht bekannt.

(c) für alle Bilder Jeff Smith/ Toon Books; News via ICV2.

Panel von 'Little Mouse'

Der Held CVR 1Ein Superheld in Mannheim ist da sicher ebenso am rechten Platz wie ein Cowboy in Neukölln. Beide Genres – Western und Superhelden – sind so exakt auf den amerikanischen kulturellen Kontext geeicht, auf Landnahme und den Traum vom immerwährenden Fortschritt, dass sie in einem deutschen oder sogar europäischen kulturellen Rahmen befremdlich wirken.

Wohl auch deshalb sind entsprechende Versuche – wie z.B. Dorn von IPP – im Sande verlaufen wenn nicht gar dramatisch gescheitert: erinnert sich noch jemand an Power Freaks? Dem Vernehmen nach blieben die Absatzzahlen gut im dreistelligen Bereich, und das zum Höhepunkt der deutschen Superhelden-Heftchen-Welle um die Jahrtausendwende herum.

Es ist also völlig okay, bei neuen Versuchen skeptisch zu sein. Dieser Tage flatterte mir – nach einem Anruf aus dem Verlag – Der Held ins Haus, eine, wie man mir am Telefon gesagt hatte, „neue Superhelden-Serie“. Gleich zwei Nummern auf einmal, jeweils zwanzig Seiten dick, Kostenpreis 2,50 EUR pro Heft. Gezeichnet von Alex Knuettel.

Knuettel war mir vor einigen Jahren schon aufgefallen aufgrund seiner Produktion der Wobbles – angeblich eine supererfolgreiche TV-Trickfilmserie der fünfziger Jahre über eine komplett verstrahlte und mutierte Landei-Familie. Zwar gibt es diese Serie nicht, dafür aber wohl eine Ausstellung (die ich nie gesehen habe) und eine wunderbare Homepage, die einen verspielten und überaus kreativen Einblick in das fiktive Wobbleversum gibt.

Auch sonst ist Knuettels Portfolio beeindruckend: „BASF, BULLYLAND, Dittmeyer Fruchtsäfte, Dresdner Bank, Elopark, Frankfurter Lions, John Deere, MAD, MVV Verkehrsbetriebe, Steigerwald Arzneimittel, York“ vermeldet seine Agentur. Der Mann hat zu tun.

Der Held CVR 2Und weil dem so ist, ist Der Held nicht der weitere Versuch eines Fans, einen deutschen Superhelden-Comic zu etablieren. Auch wenn am Ende von Heft 2 eine dritte Ausgabe angekündigt wird – die wird es vermutlich nie geben. Nicht, weil der Comic vielleicht zu erfolglos ist. Sondern weil beide Hefte, ein dazugehöriges Puppentheaterstück und eine Ausstellung Bestandteil eines weiteren Kunstprojektes sind, das Knuettel, wie schon die Wobbles, gemeinsam mit Maren Kaun gestaltet hat. Gefördert wurde das Projekt u.a. vom Kulturamt der Stadt Mannheim – dass hiesige Kulturämter Comics fördern, hat man auch nicht alle Tage.

Oberflächlich bewegt sich Der Held in den üblichen Superhelden-Parametern – bzw. den Klischees davon. Held-Held ist der mehr oder minder erfolgreiche Comiczeichner und -verkäufer Kurt Haase, der nach dem Einatmen einer übersüssten Puddingwolke und dem Kauf eines Raketenrucksacks zum Mannheimer Superhelden wird. Gegenspieler sind u.a. der verrückte Puddingprofessor von Schlott sowie ein gigantisches Puddingmonster. Die offensichtliche Parodie ist versiert gemacht – Knuettel zeichnet in einem Stil irgendwo zwischen den klassischen MAD-Comics (Superduperman von Wally Wood fällt hier sofort ein) und den Marvel-Comics der siebziger Jahre, insbesondere der Horror-Titel wie Man-Thing.

Der Held InnenseiteAber da liegt auch das Problem des Comics. Er ist technisch perfekt – Knuettels Zeichnungen sind dynamisch, elegant, nur die Schwarzflächen und das übermässige Lettering verwirren das Auge gelegentlich zu sehr. Aber das ist alles Teil des Spiels – so sahen Superhelden-Comics einmal aus (nur meist in bunt statt schwarz-weiss). Knuettel treibt das Spiel bis in die Metaebene: auch der von Haase gezeichnete Comic „Powermilkman“ ist offenkundig veraltet, offenkundig eine weitere Hommage bzw. Parodie an klassische Comics.

Nur verpufft so der gesamte satirische Effekt des Experimentes. Worum geht es in der Held? Superhelden-Comics? Puddingproduzenten? Mannheim? Wo etwa Woods Superduperman ein klares erzählerisches Ziel hatte, die Auseinandersetzung mit den ganz realen Klischees des Genres – Martin Freis Superbabe tat ein ähnliches, indem er auf dem Sexismus von Superheldencomics, nun ja, herumritt – spielt Knuettel nur mit Klischees und Formen von ehedem.

Der Held ist darum bei allem Spass, den die Lektüre des Comics macht, ein Spiel mit sich selbst, eine Geschichte um sich selbst, eine Erzählung über ein Klischee. Der Freude über das grafisch geglückte Projekt steht eine Enttäuschung über dessen inhaltliche Leere und frapante Inaktualität gegenüber. Hier wurde, insbesondere angesichts der medialen Allpräsenz von Superhelden rund um Batman, Iron Man, Heath „Joker“ Ledger, Hugh „Wolverine“ Jackman und vielen weiteren mehr, die täglich die Feuilletons und Klatschspalten füllen, eine Chance vertan.

Der Held wird ab Februar in Mannheim und Umgebung erhältlich sein. Hier wird eine Vernissage wohl für den 8. Februar angekündigt. Inwieweit es den Comic auch anderswo geben wird, weiss ich leider nicht.

dunkel und zäh:

By the end, the most shocking moment of Final Crisis isn’t that the multiverse has been saved and lesser heroes have been lost, but the fact that grant morrison pulled a fast one on the DC readers by revealing that Batman is still alive.

[über Final Crisis #7]

Ich hab’s euch ja gesagt. Immerhin noch pünktlich, bevor Heath Ledger den Oskar erhält, holt also DC Comics den Fledermausmann wieder raus aus der Kiste – fast auf den Tag genau ein Jahr, nachdem sein Sterben öffentlich angekündigt angedeutet worden war.

Und ob das jetzt eine clevere Story, ein übermässig aufgeblasener PR-Gag oder Feigheit vor den Konsequenzen war, darüber kann man vermutlich noch lange debattieren. Sofern da was zu debattieren ist.