Zeit seines Lebens war Patrick McGoohan irgendwie immer das, was er nicht war. Er war der Schauspieler, der die Rolle des James Bond abgelehnt hatte. Der die Rolle des Simon Templar abgelehnt hatte. Der in den sechziger Jahren den Sprung zum Weltruhm verpasst hatte.
Tragisch, oder?
Aber dann ist das, was McGoohan war. In den sechziger Jahren der bestbezahlte Schauspieler im britischen Fernsehen. Ein charismatischer Megastar, berühmt geworden durch seine Rolle als Danger Man in der gleichnamigen Serie. Der alles aufs Spiel setzte, sogar den Bond, um sein eigenes Projekt zu verwirklichen. The Prisoner war diese Herzensangelegenheit, eine Serie mit einer so unmöglichen Prämisse, wie sie nur in Britannien möglich ist: ein namenloser Agent kommt auf eine Insel und soll von den Mächtigen vor Ort gezwungen werden, sein Wissen preis zu geben. Welches Wissen? Das sagt ihm keiner. Warum, wofür, für wen? Fehlanzeige. Die grosse Frage, wer die ominöse Nummer 1, der Lenker aller Ereignisse auf der Insel, sei, versprach Antwort.
The Prisoner war von 1967 – 1968 die erste grosse Mystery-Serie des Fernsehens. Als solches war sie ihrer Zeit weit voraus. Erst in den achtziger und neunziger Jahren machten vergleichbare Formate mit Anfang, Mittelteil und Schluss und Spannungsbögen über viele Episoden hinweg wirklich Karriere. Twin Peaks, Akte X, Lost und ähnliche Serien wären ohne die Vorarbeit McGoohans nicht denkbar.
Denn der spielte nicht nur die Hauptrolle des namenlosen Agenten. Sondern hatte auch das Konzept verfasst. Und wenn ihm ein Regisseur nicht passte, schmiss er den kurzerhand raus und übernahm selbst die Regie. Drehbücher schrieb er auch dafür. Oder änderte sie nach eigenem Gutdünken ab. The Prisoner war eine unvergleichliche One-Man-Show, unverwässert, nie entradikalisiert.
Und sie war radikal. In keiner anderen Serie vorher oder danach wurde dem Zuschauer so konsequent der Boden unter den Füssen weg gezogen. Ein Verwirrspiel mit Klischees und Archetypen, in denen die Hauptfiguren Nummern statt Namen haben und fast jeder ersetzbar ist, eine verwirrende Dystopie einer gleichgeschalteten Mini-Gesellschaft, die sich um Themen wie Gedankenkontrolle, sich über die Sinnlosigkeit demokratischer Wahlen mokierte (die Folge wurde in Deutschland sicherheitshalber gar nicht ausgestrahlt), auch schon mal auf den Hauptdarsteller oder den Vorspann verzichtete … es war eine Science-Fiction-Serie mit seltsamen Apparaten und durchgeknallten Wissenschaftlern. Es war eine Agentenserie mit dubiosen Hintergrundorganisationen und verwirrenden Doppelspielen. Und wenn es McGoohan wollte, dann war The Prisoner auch ein Western, wie in der Episode „Living In Harmony“. Ein Western allerdings, als hätte ihn Philip K. Dick geschrieben, mit einem entsprechenden, realitätsverwirrenden Ende.
Nach 14 Folgen drängte der TV-Sender McGoohan, mal irgendwie zum Punkt zu kommen. McGoohan schüttelte an einem Wochenende das Skript für ein Finale aus dem Ärmel, das bis heute alles in den Schatten stellt, was je für das Fernsehen produziert wurde. Die Rätsel des Prisoner wurden aufgelöst – aber wie! Oder doch nicht? Die Antworten waren so verstörend und gegen den Strich, so bunt und wild, das McGoohan Drohbriefe bekam und gezwungen war, Großbrittanien zu verlassen.
Danach konnte er nie wieder wirklich irgendwo Fuss fassen. Zwar spielte er mehrmals den Mörder bei Columbo und in grossen Filmen wie Braveheart mit. Aber für Hollywood war dieser Darsteller, der sich weigerte, vor der Kamera eine Frau zu küssen oder Schusswafen zu verwenden, zu kantig, nicht glattgewaschen genug. McGoohan hatte seine Überzeugungen, und er setzte sie durch.
Dazu zählte auch, kein Kapital aus dem Prisoner zu schlagen. Sein Lebtag weigerte sich McGoohan, all zu viel seiner Serie zu erklären. Er rannte nicht, wie die Kollegen von Star Trek, von Convention zu Convention, um alten Ruhm aufzuwärmen. Wohl auch deshalb steht The Prisoner als singuläres Kunstwerk eines Meisters da: Been there, done that. Friss oder stirb.
Was bleibt, sind siebzehn Folgen und ein Credo, dessen verblüffende Aktualität zeigt, welchen Wert diese Serie (die komplett auf DVD erhältlich ist, auch heute noch hat:
I will not be stamped, filed, numbered, briefed, or debriefed. I am not a number! I am a free man!
Patrick McGoohan war also nicht nur, was er nicht war. Er hat mit dem Prisoner ein singuläres Kunstwerk geschaffen, ein Werk von bleibendem Wert. Patrick McGoohan starb im Alter von 80 Jahren am Mittwoch in seinem Haus in Santa Monica.
PS: Eine sehr lesenswerte Analyse der Serie findet sich bei Telepolis.
PPS: Evan Dorkin hat aus gegebenen Anlass einen älteren Comicstrip über McGoohan online gestellt, der tatsächlich sehr sehr lustig ist – wenn man die Serie kennt. Ein weiterer deutscher Mini-Nachruf findet sich hier.
Zeit seines Lebens war Patrick McGoohan irgendwie immer das, was er nicht war. Er war der Schauspieler, der die Rolle des James Bond abgelehnt hatte. Der die Rolle des Simon...