Archive for the 'Neues' Category

Ganz verdünnisiert wurde von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien ein Pro-Ana-Blog, also eines, das sich mit den angeblichen Vorteilen von Anorexie beschäftigt. Es ist damit das erste Mal, das ein Blog indiziert wurde. (Ein Schritt, der vor allem die Unbeholfenheit der Behörede im Umgang mit dem Internet zeigt – ein Blog aus dem Netz zu nehmen ist ungefähr so sinnvoll wie einen Eimer Wasser aus dem Fluss zu nehmen und zu hoffen, dass da dann ein eimerförmiges Loch bleibt. Mal davon abgesehen, dass der Eimer eigentlich eher ein Sieb ist und es keine Erfahrungen beim Umgang mit diesem Sieb gibt.)

Mehr Infomationen dazu beim Rechts-Fachverlag Beck.

Frederik Pohl liegt mit 90 Jahren jedenfalls gut im Rennen. Am 5. Januar hat er angefangen, und Science-Fiction-Altmeister*, der er ist, gleich mit einer Episode über seinen Freund Arthur C. Clarke.

Pohl verdanke ich auch mein Zitat des Tages. Über Wernher von Braun:

I could not readily forgive him for having been an officer in the Nazi SS who used slave labor to build his rockets. True, as the title of his book said, he had always aimed at the stars, but what he had hit had been London.

Das Blog finden Sie hier. (Und da zerfetzen sich die Leute das Maul, wenn noch ein Junge das Netz mit noch mehr Jungskram füllt, während das wahre Erdbeben anderswo läuft.)

PS: Ja, ich weiss, ich muss hier einiges nachtragen. Die Arbeit an einem Artikel für’s Börsenblatt dauerte leider länger als geplant. Aber dafür sollte es das Ergebnis auch wert sein …

*Brian Aldiss listete ihn einst in einer Reihe mit Isaac Asimov, Robert Heinlein, Frank Herbert, Arthur C. Clarke und A.E. van Vogt als einer der „grossen Dinosaurier“ der SF. In Deutschland wurde Pohl leider nie so bekannt wie diese seine Kollegen.

'The Prisoner' von Gil Kane Der Verweis auf Evan Dorkins The Prisoner-Parodie gestern hier war gegebener Anlass, nach den wenigen Spuren zu suchen, die Patrick McGoohans Figur im Comic hinterlassen hat.

Links sehen Sie die erste Seite eines unvollendeten und unveröffentlichten Projektes, das Autor Steve Englehart und Zeichner-Legende Gil Kane ca. 1976 für Marvel produzierten. Siebzehn Seiten wurden laut Checklist der Prisoner Official Appreciation Society „Six of One“ produziert (diese Angabe muss freilich nicht stimmen, da auch die Jahreszahl falsch ist). Aufgrund eines Wechsels des zuständigen Redakteurs wurden die Seiten allerdings nie vollendet oder gar gedruckt, lediglich die links gezeigte Abbildung existiert als vollständige Seite.

Marvel bzw. angeblich sogar Stan Lee selbst setzte Jack Kirby darauf an, sich ebenfalls an einem Prisoner-Comic auszuprobieren. Kirby hatte zuvor schon Kubricks 2001 für Marvel adaptiert und 1968 zusammen mit Stan Lee einen Vierteiler für Die Fantastischen Vier gezeichnet, der inhaltlich wie grafisch einige absichtliche Parallelen zu McGoohans TV-Show aufwies. (Siehe hierzu z.B. das links unten abgebildete Cover und vergleiche mit diesem Bild.)

The Fantastic Four #85Auch Kirby produzierte Ende 1976 siebzehn Seiten, die meisten davon freilich nur als Rohfassung. Neben einer düsteren Umsetzung des Vorspanns der Serie mit erläuterndem Text fällt vor allem eine unglaublich aufwändige Doppelseite auf (siehe unten), in der Kirby McGoohans Vorstellung des Village mit den surrealen Phantasien eines M.C. Escher zu vermengen scheint. Alle noch erhaltenen Seiten des Projektes sind hier zu finden.

Man muss nicht erwähnen, dass auch Kirbys kantig-surreale Vorstellung keinen Gefallen bei Marvel mit den damals noch sehr bunten und zuschlagenden Helden fand. Für Marvel Comics war die Idee eines Prisoner-Comic damit erledigt.

Erst Jahre später erschien bei DC Comics eine Art Fortsetzung, die alle offenen Fragen der TV-Serie klären sollte. Shattered Visage war ein autorisiertes Sequel, das zwanzig Jahre später ansetzt und Nummer Sechs als einzigen Bewohner der ansonsten verlassenen Insel zeigte.

'The Priosner' von Dean Motter und Mark AskwithAuch wenn die Miniserie sich viel Mühe gab, mittels Zitaten und Reminiszenzen an die TV-Serie anzuschliessen, so fehlte es ihr doch am surrealen Touch des Originals. Motters Erklärung der Ereignisse auf der Insel war gut zu lesen, aber unbefriedigend, da viel zu rational. Nichts desto Trotz war die Miniserie erfolgreich genug, um als Tradepaperback nachgedruckt zu werden.

Eine ausführliche Inhaltsangabe der zweihundertseitigen Episode, die natürlich auch wieder eine schöne junge Frau beinhaltet, findet sich hier.

Und das war es dann auch schon. Nur vereinzelt finden sich noch The Prisoner-Zitate in Comics (wie etwa hier bei Walter Moers), die etwas vom Eindruck vermitteln, den diese Serie sogar auf Menschen gemacht hat, die sie nur unvollständig bzw. verstümmelt zu sehen bekamen (das ZDF sendete die Serie nur unvollständig und zu nachtschlafener Stunde).

Der Prisoner hat sich geweigert, Comicfigur zu werden, Merchandising zu werden, obwohl seine Rechte immer wieder verkauft wurden, wie eben an Marvel und DC. Ein weiterer Sieg für McGoohan, der zumindest in diesem Medium seine Schöpfung weitgehend für sich behalten konnte.

'The Prisoner' von Jack Kirby

Krazy KatEs gibt Leute, die haben davon mehr Ahnung als ich, deshalb verweise ich nur kurz darauf: Allround-Genie Craig Yoe hat eine Tribute-Site an George Herriman eingerichtet. Zentrum der Seite ist natürlich Krazy Kat, der Comicstrip, den Herriman von 1913 bis 1944 zeichnete.

Neben ein paar wunderbaren farbigen Sonntagsstrips und einer Biographie des Ausnahmekünstlers finden sich dort auch diverse Raritäten wie ein selbstverfasster und illustrierter Lebenslauf Herrimans, Krazy-Kat-Ölgemälde und dergleichen mehr.

Wem das noch nicht an altem genug ist, der sei auf die wunderbare Barnacle Press verwiesen, eine Sammlung amerikanischer Comicstrips zwischen ca. 1900 und 1918, die anhand Dutzender Serien erstmals die ungeheure Bandbreite der frühen Comicszene vermittelt, zu der die heute Comicstrip-Auswahl im vergleich armselig ist.

Oben: Ignatz Mouse, Officer Pupp, Krazy Kat
Unten: Selbstportrait Herrimans mit seinen Figuren.

Herriman

Zeit seines Lebens war Patrick McGoohan irgendwie immer das, was er nicht war. Er war der Schauspieler, der die Rolle des James Bond abgelehnt hatte. Der die Rolle des Simon Templar abgelehnt hatte. Der in den sechziger Jahren den Sprung zum Weltruhm verpasst hatte.

Tragisch, oder?

McGoohanAber dann ist das, was McGoohan war. In den sechziger Jahren der bestbezahlte Schauspieler im britischen Fernsehen. Ein charismatischer Megastar, berühmt geworden durch seine Rolle als Danger Man in der gleichnamigen Serie. Der alles aufs Spiel setzte, sogar den Bond, um sein eigenes Projekt zu verwirklichen. The Prisoner war diese Herzensangelegenheit, eine Serie mit einer so unmöglichen Prämisse, wie sie nur in Britannien möglich ist: ein namenloser Agent kommt auf eine Insel und soll von den Mächtigen vor Ort gezwungen werden, sein Wissen preis zu geben. Welches Wissen? Das sagt ihm keiner. Warum, wofür, für wen? Fehlanzeige. Die grosse Frage, wer die ominöse Nummer 1, der Lenker aller Ereignisse auf der Insel, sei, versprach Antwort.

The Prisoner war von 1967 – 1968 die erste grosse Mystery-Serie des Fernsehens. Als solches war sie ihrer Zeit weit voraus. Erst in den achtziger und neunziger Jahren machten vergleichbare Formate mit Anfang, Mittelteil und Schluss und Spannungsbögen über viele Episoden hinweg wirklich Karriere. Twin Peaks, Akte X, Lost und ähnliche Serien wären ohne die Vorarbeit McGoohans nicht denkbar.

Denn der spielte nicht nur die Hauptrolle des namenlosen Agenten. Sondern hatte auch das Konzept verfasst. Und wenn ihm ein Regisseur nicht passte, schmiss er den kurzerhand raus und übernahm selbst die Regie. Drehbücher schrieb er auch dafür. Oder änderte sie nach eigenem Gutdünken ab. The Prisoner war eine unvergleichliche One-Man-Show, unverwässert, nie entradikalisiert.

PrisonerUnd sie war radikal. In keiner anderen Serie vorher oder danach wurde dem Zuschauer so konsequent der Boden unter den Füssen weg gezogen. Ein Verwirrspiel mit Klischees und Archetypen, in denen die Hauptfiguren Nummern statt Namen haben und fast jeder ersetzbar ist, eine verwirrende Dystopie einer gleichgeschalteten Mini-Gesellschaft, die sich um Themen wie Gedankenkontrolle, sich über die Sinnlosigkeit demokratischer Wahlen mokierte (die Folge wurde in Deutschland sicherheitshalber gar nicht ausgestrahlt), auch schon mal auf den Hauptdarsteller oder den Vorspann verzichtete … es war eine Science-Fiction-Serie mit seltsamen Apparaten und durchgeknallten Wissenschaftlern. Es war eine Agentenserie mit dubiosen Hintergrundorganisationen und verwirrenden Doppelspielen. Und wenn es McGoohan wollte, dann war The Prisoner auch ein Western, wie in der Episode „Living In Harmony“. Ein Western allerdings, als hätte ihn Philip K. Dick geschrieben, mit einem entsprechenden, realitätsverwirrenden Ende.

Nach 14 Folgen drängte der TV-Sender McGoohan, mal irgendwie zum Punkt zu kommen. McGoohan schüttelte an einem Wochenende das Skript für ein Finale aus dem Ärmel, das bis heute alles in den Schatten stellt, was je für das Fernsehen produziert wurde. Die Rätsel des Prisoner wurden aufgelöst – aber wie! Oder doch nicht? Die Antworten waren so verstörend und gegen den Strich, so bunt und wild, das McGoohan Drohbriefe bekam und gezwungen war, Großbrittanien zu verlassen.

Danach konnte er nie wieder wirklich irgendwo Fuss fassen. Zwar spielte er mehrmals den Mörder bei Columbo und in grossen Filmen wie Braveheart mit. Aber für Hollywood war dieser Darsteller, der sich weigerte, vor der Kamera eine Frau zu küssen oder Schusswafen zu verwenden, zu kantig, nicht glattgewaschen genug. McGoohan hatte seine Überzeugungen, und er setzte sie durch.

Dazu zählte auch, kein Kapital aus dem Prisoner zu schlagen. Sein Lebtag weigerte sich McGoohan, all zu viel seiner Serie zu erklären. Er rannte nicht, wie die Kollegen von Star Trek, von Convention zu Convention, um alten Ruhm aufzuwärmen. Wohl auch deshalb steht The Prisoner als singuläres Kunstwerk eines Meisters da: Been there, done that. Friss oder stirb.

The PrisonerWas bleibt, sind siebzehn Folgen und ein Credo, dessen verblüffende Aktualität zeigt, welchen Wert diese Serie (die komplett auf DVD erhältlich ist, auch heute noch hat:

I will not be stamped, filed, numbered, briefed, or debriefed. I am not a number! I am a free man!

Patrick McGoohan war also nicht nur, was er nicht war. Er hat mit dem Prisoner ein singuläres Kunstwerk geschaffen, ein Werk von bleibendem Wert. Patrick McGoohan starb im Alter von 80 Jahren am Mittwoch in seinem Haus in Santa Monica.

PS: Eine sehr lesenswerte Analyse der Serie findet sich bei Telepolis.

PPS: Evan Dorkin hat aus gegebenen Anlass einen älteren Comicstrip über McGoohan online gestellt, der tatsächlich sehr sehr lustig ist – wenn man die Serie kennt. Ein weiterer deutscher Mini-Nachruf findet sich hier.

Aus dem heute erschienenen Final Crisis #6, via The Hand of Messi ((c) für alle Bilder natürlich DC Comics). Mehr Bilder und eine ausführliche Beschreibung (auf englisch) hinter dem Link.

Ich persönlich glaube es nicht. Nein, das heisst nicht, dass ich es nicht fassen kann. Nur, dass ich es nicht glaube.

Batmans Tod?

ArchetypAls mir Andreas Knigge neulich erzählt hat, dass die Veröffentlichung von Ralf Königs täglichem Comicstrip Prototyp in der FAZ für Aufsehen unter den Lesern gesorgt hat, war ich doch etwas überrascht. Ralfs Comic ist seine Version des Buches Genesis aus dem Alten Testament, mit Adam, Eva und einer verblüffend sympathischen Schlange. Eine Darstellung, die offenbar vielen Lesern nicht passte. Von harter Kritik bis zur Androhung der Abokündigung war alles dabei.

Die FAZ ist nur zu loben, dass sie hier vor den Lesern nicht eingeknickt ist. Im Gegenteil: seit Anfang Januar läuft Archetyp von Dienstag bis Freitag in der FAZ, wieder Ralf König, diesmal seine Version der Geschichte von Noah.

Und diesmal scheinen die Proteste härter zu werden.

Der Tagespiegel vermeldet einen bösen Brief des christlichen Medienverbundes KEP (das steht für „Konferenz Evangelikaler Publizisten), namentlich gezeichnet von KEP-Geschäftsführer Wolfgang Baake: „Wenn biblische Überlieferungen mit kaum zu überbietbarem Spott überzeichnet werden, hört der Spaß auf.“

Nun, zuerst einmal Danke für die wunderbare Feststellung, dass bei Spott der Spass aufhöre.

ArchetypAber wer ist nun dieser Wolfgang Baake? Wolfgang Baake ist dafür, dass Kreationismus an den Schulen gelehrt werde. Wolfgang Baake mag es nicht, wenn Schwule sich outen oder gar Regierungsmacht erhalten. Wolfgang Baake ist der Meinung, dass man Mohammed nicht karikieren darf.

Und dazu kann ich nur sagen: wenn Ralf König diese Menschen aufschreckt, die sich mit ihren Äußerungen nur selbst vorführen, dann macht er offensichtlich etwas richtig. All zu oft wird vor einem radikalen Islamismus gewarnt, der unsere westliche Gesellschaft bedrohe. Der radikale Evangelismus, wie ihn Personen wie Wolfgang Baake betreiben, und der in seinem Bestreben, grundlegende gesellschaftliche Werte zugunsten einer einseitigen Religionssichtweise auszumerzen, nicht minder gefährlich ist, gerät dabei in Vergessenheit. Comics wie Archetyp jagen solche Menschen aus ihren Löchern, und das ist gut so.

Gehen Sie zur Faz. Lesen Sie den Archetyp.