Archive for Februar, 2010

Via Thowi:

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Wochenkurier Leipzig, 24.02.2010

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Nächster Stammtisch 05.03. 2010!

Seine erste Abmahnwelle setzte noch auf Comics und deren Parodien, bevor er Computer und Internet als den großen Jackpot entdeckte. Er war tatsächlich beauftragt von Asterix-Zeichner Albert Uderzo, der offenbar weniger humorvoll war als von vielen angenommen. Zunächst ging es um fotokopierte oder in kleinen Auflagen verbreitete Asterix-Geschichten wie “Asterix und das Atomkraftwerk”, die mehr oder weniger verdeckt über Flohmärkte vertrieben wurden. Gravenreuth ging selbst als Testkäufer um und verschickte anschließend Abmahnungen.

Die ganze spannende Geschichte über den heute verstorbenen Anwalt Freiherr von Gravenreuth, den humorlosen Uderzo und die legendären Asterix-Polit-Comics hier.

Mehr zu Uderzo hier & hier.

Reden wir doch mal wieder über deutsche Comics.

Seit 20 Jahren zeichnet Schwarwel seine Schweinevogel-Comics, und daß er dabei auf weniger als 20 Ausgaben der jeweiligen Hefte (in diversen Reihen) kommt, wirkt auf den ersten Blick kaum beeindruckend.

Andererseits sind es so bereits 500+ Seiten zu der obskuren Figur (so eine Art Daniel Düsentrieb im Körper einer Mastsau mit Hühnerstelzen), die der Leipziger Zeichner vor allem nebenberuflich produziert hat, in zum Teil sehr langen und zum Teil dehr kurzen Geschichten. Und beachten sollte man, dass von 2000 bis 2009 fast vollkommene Funkstille hinsichtlich der Figur herrschte – in dieser Zeit erschienen lediglich ein paar Nachdrucke diverser älterer Comics, ansonsten produzierte Schwarwel vorrangig Alben- und Posterartwork, Videos, T-Shirts und derlei mehr für Bands wie Die Ärzte sowie den ersten eigenen Trickfilm. Natürlich mit Schweinevogel.

Seit dem Frühjahr 2009 publiziert Schwarwel wieder regelmäßig neue Comics, und auch wenn er die versprochene vierteljährliche Erscheinungsweise nicht schafft, sind es nach einem Jahr doch schon zwei neue Comichefte, mit einem dritten in der Pipeline und für März angekündigt – genau so viele wie im ganzen Jahrzehnt zuvor. Das Tolle: weil es Indie ist, schert sich Schwarwel wenig um das, was vorher in den anderen Geschichten erzählt wurde. (Und das ist gut so, denn da ging es viel um Zeitreisen und andere Universen und überhaupt war das Ganze sehr sehr wild.) Den neuen Schweinevogel kann man lesen, selbst wenn man nicht seit zwei Jahrzehnten in der Leipziger Szene rum rennt und notorischer Lokalkünstlerunterstützer ist.

Also: eine Continuity findet nicht statt. Oder doch? Heft 1 („Die Wunder des Schweiniversums“) enthält eine Art Prolog zum Film. Heft 2 hat dann davon komplett unabhängige Comicstrips, die Schwarwel seit einiger Zeit für die Mosaik-Fanpage Alex Online produziert. Ein Zusammenhang zwischen beiden Heften besteht nicht, mit Ausnahme der Hauptfiguren.

Von den beiden Ausgaben ist die jüngere auch die bessere. Krankt der Film-Prolog noch an den gleichen Schwächen wie der Film selbst (einen Tick zu lang, einen Tick zu unkonzentriert und abschweifend), wirken sich genau diese bei der Stripsammlung zum Vorteil aus. Gerade das bizarre Herummäandern der Geschichte, die in den fortlaufenden Strips erzählt wird, die Befreiung von einem irgendwie rational erfassbaren Erzählkonzept macht das Ganze unglaublich lustig. Oder kurz: ich kann beim besten Willen nicht erklären, was in Heft 2 passiert, aber es ist gut.

Zum Mosaik hat Schwarwel sowieso eine erstaunliche Connection. Zumindest verwirrt es, wenn ausgerecnet der Altpunk/ Altundergroundler Schwarwel ein Crossover zwischen den Digedags und seinem Schweinevogel zeichnet. Der sechsseitige Kurzcomic ist enthalten in Alex #31 (der Druckversion von Alex Online, wenn man so will, siehe oben), das ebenso liebenswerte wie bizarre Heftchen enthält zudem noch ein Interview mit Schwarwel, in dem er den Mosaik-Erfinder Hannes Hegen mal eben „Gott der Ost-Comics“ nennt. Faszinierend, wenn man ein Herz für das Obskure hat, und ziemlich lustig.

Der Alex #31 kann, wenn überhaupt, noch hier bestellt werden. Ein Preis ist auf dem Heft nicht angegeben. Die regulären Schweinevogel-Hefte bekommt man in jedem Comicshop mit Kompetenz und hier. Die Hefte haben 32 Seiten Umfang und kosten 3,90 EUR. Eine Gesamtausgabe aller Schweinevogel-Frühwerke ist für irgendwann 2010 angekündigt – darüber wird dann noch mal extra zu reden sein.

Schon mal den 08.05.2010 vormerken!

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Ted Naifeh
Courtney Crumrin
Modern Tales

Andere Menschen fürchten sich im Dunkeln. Courtney dagegen ist die Art Mensch, vor der sich die Schatten fürchten.

Courtney ist das Gegenteil zu allen braven Mädchen. Sie lebt bei ihrem Onkel Aloysius, der ein Magier ist, und von dem sie sich einiges abgeguckt hat. Und das ist gut so, denn gleich hinter Onkel Aloysius‘ Haus fängt ein tiefer Wald an, in dem schreckliche Monster hausen. Dahinter liegt der Eingang zum Reich des Zwielichtkönigs, in dem noch mehr Monster hausen. Und habe ich schon die Monster erwähnt, die von Aloysius‘ Kollegen regelmäßig freigesetzt werden?

„COURTNEY CRUMRIN“ ist eine düster-romantische Horrorserie über ein außergewöhnliches Mädchen in außergewöhnlichen Umständen. Mit viel Einfühlungsvermögen und schwarzem Humor zugleich beschreibt Ted Naifeh die Irrfahrten seiner Heldin, die sich regelmäßig dazu gezwungen sieht, für andere die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Alle Bände der Serie liegen auf deutsch vor.

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Jimmy Gownley
Amelia ist die Größte!
Comikat

Amelia ist … Amelia. Im Lauf des letzten Jahres ist sie in eine neue Stadt gezogen, wurde zum Superhelden, hat einen Ninja geküßt, war mal ganz kurz der Weihnachtsmann, und mußte ganz oft zum Direktor ihrer neuen Schule. Und das ist noch nicht einmal die halbe Geschichte.

„AMELIA IST DIE GRÖSSTE!“ ist Jimmy Gownleys einfühlsame Slapstick-Serie über ein neunjähriges Mädchen mit manchmal zu viel Phantasie, vor allem aber einer unbändigen Lebenslust, die ihr hilft, sich nach der Scheidung ihrer Eltern in ihrer neuen Umgebung zurechtzufinden. Mit ihren Freunden schlägt sie sich durch ein normales Kleinstadt-Leben, das durch ihre Anwesenheit vollkommen ungewöhnlich wird. Von den Buchausgaben wurden in den USA eine Viertel Million Exemplare verkauft. Auf Deutsch erscheint die Serie fortlaufend bei Comikat.

Dieses Heft enthält eine exklusive Kurzgeschichte, die nirgendwo sonst zu finden ist!

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Mehr Informationen hier!

Ralf König
Schillerlöckchen

Wenn einer bald dreissig Jahre im Geschäft ist, und dabei noch erfolgreich, ist oft genug fast alles über ihn gesagt. Was wäre also noch über diese Sammlung von Strips und verstreuten Werken zu sagen, kompiliert wie üblich zum größten Teil aus seinen Beiträgen für das Schwulenmagazin Männer aktuell, was sich nicht z.B. hier bereits nachlesen ließe? Mit deutlich mehr Sex (und Sexappeal) setzt Ralf König seine Alltagsgeschichtsschreibung fort, die schon lange nicht mehr nur eine der homosexuellen Kultur ist, sondern in der Tat eine Chronik bürgerlicher Befindlichkeiten, zwischen Sex, Zukunftsangst und DVD-Abend. Drastischer, als ihm die FAZ das wohl gestatten würde, mithin ehrlicher und ein wenig undergroundiger – Crumb läßt grüßen, wie König überhaupt nicht nur in seiner Themenwahl, sondern auch seiner kulturellen Bedeutung den Status eines deutschen Robert Crumb einzunehmen beginnt.

Nennenswert: das Album enthält neben seinem vollständigen Beitrag zur Wilhelm-Busch-Hommage auch noch zwei weitere Busch-Verbeugungen, die ihrerzeit für das Zeit-Magazin entstanden. In der Häufung (16 Seiten am Stück) ist das Gereime dann aber doch ein wenig ermüdend. Ansonsten groß wie immer. (MännerSchwarm, 64 Seiten, 12,00 €)

Loisel & Tripp
Das Nest: Bekenntnisse

Der Traum vom hohen Norden als Utopia des einfachen Lebens wurde bereits in den Achtzigerjahren in der TV-Serie Ausgerechnet Alaska durchdekliniert. Als der Tonfall der Serie vom intellektuell-märchenhaften ins Gemeine kippte, war alles gesagt und die Serie wurde danach ziemlich bald gecancelt.

Auch Loisel und Tripp träumen ihren Traum vom hohen Norden. Ihr Notre-Dame am See, irgendwo in der kanadischen Provinz gelegen und in der Zeit zwischen den Weltkriegen, ist ihr Dörfchen-mein-Dörfchen-Utopia, eine weitere jener diversen Kleinstädte, in denen sich der Überschaubarkeit der Handlungsorte und Akteure wegen soziale Prozeße viel leichter darstellen lassen als in Großstadt-Erzählungen.

(mehr …)

Dieser Text entstand ursprünglich für das Berliner Stadtmagazin zitty, dort wurde der Auftrag aber an zwei Autoren gleichzeitig vergeben.

Mein Strohhalm war kürzer.

Deshalb hier die ganze Rezi.

Philip K. Dick
Unterwegs in einem kleinen Land

Vier Sterne

Vielleicht ist es ein Mißverständnis, dass Philip K. Dick („Blade Runner“, „Der dunkle Schirm“) als Science-Fiction-Autor betrachtet wurde. Klar ist, der Kalifornier wollte lange Zeit keiner sein. Ende der fünfziger Jahre verabschiedete er sich für eine Weile ganz vom Genre. In dieser Zeit entstand über ein Dutzend absolut realistischer Romane. Kein einziger von ihnen fand zu Lebzeiten Dicks einen Verleger. „Unterwegs in einem kleinen Land“ gehört dazu. In Dicks Werk verdient er die Stellung als autobiographischer Schlüsselroman des damals noch nicht dreissigjährigen Autors.

Unschwer ist in dem unzufriedenen TV-Verkäufer Lindahl Dick zu erkennen (der sich selbst lange als Verkäufer über Wasser hielt), und in dessen unglücklicher Ehe Dicks eigene frische Scheidung. Lindahl versucht es mit Fremdgehen und beruflicher Verbesserung, aber am Ende fährt er doch immer wieder die selben Strecken auf den kalifornischen Highways, hin und zurück und nirgendwo sonst hin – ein kleines Land. Ein perfekt konstruierter Roman, in dem Dick einmal mehr seine volle Zivilisationsskepsis offenbart. (Stefan Pannor)

Liebeskind, 380 S.; € 22,00

Deliege/ Piroton
Die Gifticks

Was war das eigentlich damals mit Rolf Kauka und den ganzen Winzfiguren in seinen Comicheften? Neben den Schlümpfen erschienen in Fix & Foxi und den zahlreichen Ablegerprodukten noch regelmäßig die Minimenschen, die nur unschwer als Schlümpfe-Rip-Off konzipierten 7 Schnuckel und die Gifticks. Allesamt gnomenhafte Gestalten von jeweils kaum handspannenhoher Größe.

War es einfach nur eine Vorliebe für winzige Figuren, oder zeigte sich darin ein David-Komplex des im Vergleich zu den Disney-Comicheften kommerziell und imagemäßig stets Zweiten Rolf Kauka?

Nachdem die Minimenschen bereits seit geraumer Zeit eine sauber durchkonzipierte Comic-Gesamtverwertung erfahren, schließen sich die Gifticks an. Der rührige Mirko Piredda, ehemaliger Zack-Chefredakteur und seit geraumer Zeit Betreiber seines eigenen Albenverlages, veröffentlicht sämtliche Comicgeschichten der in den siebziger Jahren von Paul Deliege und Arthur Piroton kreierten Figuren neu. Viel Material ist es nicht nicht – drei Bände á 112 Seiten decken alles ab.Es sind Comics aus Zeiten, in denen man Männer noch daran erkannte, dass sie wie Schlote rauchten und Frauen daran, dass sie dumme Fragen stellten, in denen Kinder noch im Wald spielten und man Sachen sagte wie „Potzteufel“. Kurz: es sind Geschichten aus einer gemütvolleren Zeit und sie haben seither ordentlich Staub und Patina angelegt. Deshalb vermag die Ruppigkeit der dereinst wohl als Anti-Schlümpfe konzipierten Gifticks auch nur noch bedingt zu begeistern. Ja, sicher, sie spielen mit Messern und Pistolen, planen die Weltherrschaft an sich zu reißen (Denkst du das Gleiche, was ich gerade denke, Pinky?) und überhaupt steckt kein Funken Sympathie für irgendetwas an ihnen.

Im damaligen Kontext der Comic-Knuddel-Figuren mag diese radikale Abkehr von jeglicher Liebenswürdigkeit und Herzigkeit faszinierend gewirkt haben. Aus heutiger Sicht kommen die Geschichten behäbig daher, wirken die Figuren blaß (zumal sich deliege mit sich selbst nicht ganz einig zu sein scheint, was seine drei Gnome nun alles können und wollen, und was nicht) und die Bedrohung durch sie konstruiert. In der Tat haben es die um einiges biedereren Schlümpfe aufgrund häufig hintergründigen Humors sehr viel besser geschafft, ihren Charme und ihre Frische zu bewahren.

So bleibt ein Viertel-Klassiker, nicht ganz uninteressant, aber auch nie wirklich mitreißend. (112 S.; € 27,50)

Mehr zu Mirko Pireddas Comics hier, hier, hier und hier. Eine Leseprobe zu den Gifticks auf der Seite des Verlages.

Giffen/ DeMatteis/ Watson
Hero Squared

Unter den wenigen nennenswerten Superhelden-Comics der Neunzigerjahre wird stets die Interpretation der Justice League von Keith Giffen und Jean-Marc DeMatteis herausragen: eine herrliche Serie über drittklassiger Helden, die mehr damit beschäftigt waren, sich gegenseitig vollzutexten als vertragsgemäß die Welt zu rennen. Es war der vielleicht erfolgreichste Ausflug der Superhelden-Comics in das Genre der Screwball-Comedy, und es dauerte fünf ganze Jahre und rund hundert Hefte, ehe DC den Stecker zog.

War damals alles erzählt? Seither gab es immerhin zwei kurze Wiederbelebungsversuche des damaligen Erfolgsrezeptes, und ein dritter steckt in den Startlöchern. Und auch Hero Squared scheint nicht viel anderes als eine Resteverwertung damaliger Ideen. Mit einem Unterschied: wo DC als großer Verlag damals noch ein paar respektable Zeichner hat springen laßen, müssen sich die Autoren beim Kleinverlag Boom! für Hero Squared mit dem begnügen, was übrig bleibt. Das war schon bei den ersten zehn oder so Heften der eher mäßig talentierte Joe Abraham, der sich dann auch noch selber inken mußte. Für die abschließende Trilogie wurde ein No-Name-Zeichner namens Nathan Watson engagiert, der seinen Vorgänger nochmal ordentlich untertrifft und die eigentlich ganz nette Serie um einen Filmfreak und dessen Doppelgänger aus einem anderen Universum, der in Wirklichkeit ein Superheld ist, eher unwürdig zu Ende bringt.

Aber an Watson allein liegt es nicht. Das Garn mit den interdimensionalen Verwicklunge ist abgespult und die Auflösung der Geschichte nur noch das nötige Aufräumen. Wie zwei Wonder Boys spulen Giffen und Matteis hier nochmal ein paar ihrer alten Dialog-Kunststückchen runter, mit Figuren, die zum Teil verblüffend jenen ähneln, die sie damals für die Justice League geschrieben haben. Und wie jede Reunionen, und wenn sie noch so geglückt ist, haftet auch dieser etwas Tragisches an: so gut wie früher wird’s nie wieder.