Klassische Detektivgeschichten haben im Comic einen schweren Stand, vermutlich weil sie relativ wenig Schauwert bieten – sieht man einmal von der unvermeidlichen Leiche ab, bestehen sie in der Regel aus Menschen, die miteinander reden. Trotzdem gibt es immer mal wieder Comics, die sich an diesem Sujet versuchen. Aktuell zwei.

Der erste ist „Tod auf dem Nil“ von Francois Rivière nach dem gleichnamigen Buch von Agatha Christie. Deren Romane gehören zum unvisuellsten und statischsten in der Kriminalliteratur: an belanglosen Orten ergehen sich belanglose Figuren in verstaubten Ritualen, und irgendwer stirbt.

„Tod auf dem Nil“ zählt mit seinem exotischen Schauplatz zu den Ausnahmen, aber auch damit, dass die Figuren – Teilnehmer einer Kreuzfahrt – hier nicht nur permanent an einem Ort verharren. Wohl deshalb wurde gerade dieser Roman als Auftakt einer ganzen Reihe von Christie-Adaptionen gewählt.

Denn hier bietet sich die Gelegenheit, die eher pappigen Dialoge der Vorlage mit wunderbaren Landschaftsansichten zu würzen.

Es ist nicht ohne Ironie, wenn Francois Rivière die Geschichte im klassischen Stil der ligne claire adaptiert, was Erinnerungen an Abenteuercomics wie „Tim & Struppi“ weckt, während die handelnden Figuren gleichzeitig so unabenteuerlich wie nur möglich sind: bleiche, steife Briten, die von der ganzen Welt um sie herum eigentlich nichts mitbekommen, weil sie nur mit ihren eigenen Intrigen, Neurosen und Morden beschäftigt sind. Allerdings ist diese Ironie wohl eher unfreiwillig.

Deutlich leichter hat es da schon Erik, der mit „Sind Sie tot, Madame?“ keinen Kriminalroman adaptiert, gleichwohl aber ein Vorbild hat: den französischen Roman Noir mit Autoren wie Leo Malet, dessen Detektiv Nestor Burma durch eine umfangreiche Albenserie von Jaques Tardi auch im Comic einen großen Bekanntheitsgrad hat.

Das ist ganz willentlich, zumindest in Teilen, eine Komödie. Hauptfigur ist der ein wenig abgewrackte Privatdetektiv Deschamps, der in diesem Band von einem mysteriösen Auftraggeber von einem Haus zum nächsten geschickt wird, in dem stets die Leiche einer alten Dame auf ihn wartet.

Dieser Deschamps ist ein klassischer Trenchcoat-Sohlengänger, ein bißchen Burma im Verhalten, ein bißchen Maigret im Aussehen, ein bißchen langsam mit den Schlußfolgerungen.

Erik, alias Frank Weißmüller, löst die launische Geschichte in viele kleine Panels auf, was manchmal ein wenig verwirrend ist, und zeichnet in einem Stil irgendwo zwischen aktuellem frankobelgischen Funny und spätem „Fix & Foxi“.

Obwohl keine Action-Erzählung, entsteht so der Eindruck von Tempo und Abwechslung, unterstützt natürlich durch die zunehmende Häufung toter Damen.

Genau wie Rivières Christie-Comic ist „Sind Sie tot, Madame?“ Auftakt einer Reihe, der zweite Band mit Deschamps Detektivfällen liegt bereits vor.

Tod auf dem Nil: Knesebeck, 48 S.; € 16,95
Sind Sie tot, Madame?: Epsilon, 48 S.; € 12,50

5;

One Response to “Aktuelle Comicrezension (179): ‚Tod auf dem Nil‘ & „Sind Sie tot, Madame?‘”

  1. Stefan Pannor » Blog Archive » Der Rest vorm Fest (03): Comic Noir says:

    […] Sind Sie tot, Madame? […]