Es passiert nicht jeden Tag, dass eine Story von mir weltweit Schlagzeilen verursacht. Die über den „Holocaust“-Reprofehler im aktuellen „Micky Maus Comics“ tut es gerade.
Zuzusehen, wie Journalisten von Journalisten abschreiben, die von mir abschreiben, ist allerdings ein wenig, als würde man einer globalen Runde Stille Post zusehen.
Das fängt damit an, in welchem Heft die inkriminerte Stelle überhaupt erschien: „In der aktuellen Ausgabe von ‚Micky Maus Comics‘, einem Ableger der bekannten ‚Micky Maus‘,“, steht im ersten (!) Absatz meines Artikels.
Oder, wie die Kollegen vom Kurier es lesen:
in der deutschen Ausgabe des aktuellen Mickey Mouse Comics
War der „Holocaust“-Fauxpas ein Übersetzungsfehler?
„Nein, wiegelt Elke Schickedanz ab, Pressesprecherin des Ehapa-Verlages. Der Übersetzer habe nichts damit zu tun. In seinem Manuskript tauche der Ausdruck ebenfalls nicht auf. Es sei ‚ein Reprofehler‘, so Schickedanz.“ So steht es bei mir im Manuskript.
„Übersetzungsfehler“ nennt es folgerichtig der österreichische Kurier, ebenso wie Endstations Rechts. Letztere kurven haarscharf an etwas, was man wohl Geschichtsrevisionismus nennen muss:
Die Übersetzer haben schlecht gearbeitet, musste der Verlag gegenüber dem Spiegel einräumen.
Eine ganz eigenwillige Erklärung des Vorfalles hat der britische Telegraph:
In the story a duck-like cartoon character rounds off an address to the Duckburg fire brigade with the word „Holocaust“ instead of the intended „Congratulations“.
Also, dass das Wort „Holocaust“ den beabsichtigten Begriff „Glückwunsch“ ersetze. Der allerdings war nie geplant. Es dürfte sich um eine sehr freie Interpretation meines Textvorspanns handeln:
Es ist wohl eher keine neue Gratulationsformel in Entenhausen. […] Und fügt an, als wäre es ein ganz besonderer Glückwunsch: „Holocaust!“
Ganz eigen sind MSN USA, die schreiben, der geschwärzte Ausruf „made Donald Duck look like he was a secret Nazi sympathizer.“ Donald Duck taucht in dem Panel gar nicht auf, es geht auch nicht um ihn – sondern um das Fähnlein Fieselschweif.
Wann genau ist die Schwärzung denn geschehen?
Laut meinem Artikel: „Aus diesem Grund wurde die gesamte Auflage des Heftes, das eigentlich am 8. Mai erscheinen sollte, zurückgerufen. In sämtlichen Exemplaren wurde in der Druckerei der Begriff in Handarbeit mit einem Edding geschwärzt. In dieser Version ist das Heft seit dieser Woche im Handel.“
Oder wie die weltweite Presse es liest:
a new and corrected edition of the comic will come out later this week.
A new version of the comic will be out later in the week.
A corrected version of the comic will go on sale later this week,
The new, Nazi-free issue will be on shelves later this week.
Nur woher stammt dann der Scan mit der geschwärzten Textstelle, den alle diese Magazine zur Illustration des Textes verwenden, wenn es das Heft noch gar nicht im Handel gibt?
Überhaupt die Bebilderung…
dadurch, dass die gesamte Auflage von Hand geschwärzt wurde, sind die Balken recht individuell. Der Balken in meiner Ausgabe von „Micky Maus Comics“ ist an der Wellenform ziemlich leicht zu erkennen. Ich habe das Bild für SPIEGEL-Online produziert.
Wiedergefunden habe ich es inzwischen in britischen, US-amerikanischen, italienischen, norwegischen, dänischen, belgischen, holländischen und armenischen (!) Medien.
Ebenso wie den Scan der englischen Originalfassung, ebenfalls für SPON produziert, wiedererkennbar am nicht ganz passgenauen Bildrand. Auch der findet sich bei diversen der die Geschichte aufgreifenden Medien.
Und während ich noch Verständnis für die Kollegen in Armenien habe, die das Heft nicht bei sich am Kiosk finden, wird es bei den Kollegen von der Basler Zeitung etwas peinlich.
Sind Schweizer Zeitungen inzwischen so klamm, dass sie nicht mal sechs Franken für den Kauf einer eigenen Ausgabe übrig haben und darum auf meinen Scan zurückgreifen müssen? Der Ehapa-Verlag beliefert natürlich auch Schweizer Kioske.
Faszinierend auch die Scham des Stern, die Quelle ihres zügig zusammengeklöppelten Videos anzugeben: „In der aktuellen Ausgabe der Micky Maus Comics ist auf der letzten Seite ein Wort geschwärzt. Das haben aufmerksame Leser entdeckt.“ Nun, nicht ganz falsch, aufmerksamer Leser bin ich ja irgendwie.
Dann gäbe es noch Details zu berichten.
Etwa, was die von mir angeführte Elke Schickedanz vom Ehapa Verlag gesagt hat, und was ich geschrieben habe und ihr untergschoben wird. Oder wie aus der von mir erwähnten Tatsache, dass in der Barks-Geschichte „April, April“ einmal Hitlers „Mein Kampf“ auftaucht, durch seltsame Vermehrung ein mehrmaliges Auftauchen wird.
Wer mag, kann das vergleichen.
Hier ist das Original auf SPIEGEL-Online.
Hier die bisher von mir gefundenen internationalen Versionen:
Standaard
Knack
Radio 1
Hypervocal
Comicbookressources
Zap2It
MSN USA
Telegraph
Newser
Die Presse
Kurier
Basler Zeitung
Tert
Giornalettismo
Kampanje
NRK
Telegraph India
Endstation Rechts
DAPD
Stern
Werben & Verkaufen
Kann mir wer helfen, das hier kurz zuzuordnen?
PS: Liebe Bildblog-Leser, neue Kommentierer müssen einmalig von Hand freigeschaltet werden. Darum kann es bei Erstkommentaren einen Augenblick dauern, bis die im Blog sichtbar werden. Danach geht aber alles automatisch. Bitte haben Sie etwas Geduld. Flattrn Sie ruhig in der Zwischenzeit ein wenig oder schauen Sie sich auf den übrigen Seiten um. 😉
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Mai 31st, 2012 at 21:56
Auch wenn wir oft unterschiedlicher Meinung waren und sind, erfreut es mich dennoch das dein Artikel nun so erfolgreich ist. Leider ist es wie es immer ist und Informationen werden aus welchen Gründen auch immer verfälscht. Am Ende wird dann wohl nur der Artikel der bekanntesten Quelle überleben und die Wahrheit wird verschwinden.
Schon traurig in einer Zeit in der es eigentlich nichts leichteres gibt als an Informationen zu kommen. 🙁
Juni 1st, 2012 at 08:15
Wen wundert die Verfälschung, wenn schon im SPON-Vorspann von einem „Übersetzungsmalheur“ die Rede ist? 😉
Juni 1st, 2012 at 08:39
Guten Morgen,
ich habe Ihren Artikel nicht gründlich gelesen, aber ich freue mich über die Darstellung, wie sich eine Botschaft beim Gang durch die Sprachen verändert. Oder: verfälscht wird. Hat was von stiller Post und der Sache mit dem Kometen und der Bundeswehr.
Den Artikel selber habe ich beo SPON gelesen. Ich bin in den 1970ern in der Micky Maus Phase gewesen. Das Schwärzen jedes Heftes hätte seinerzeit sicherlich viele Dutzend Arbeitskräfte beschäftigt. Dass der Verlag dies tut und nicht die alte Auflage einstampft und neu druckt, mag als Zeichen dafür gelten, dass auch dieses Printmedium in Zeiten des Internet an Auflage verloren hat.
Beste Grüße
Thomas Berscheid
Juni 1st, 2012 at 08:42
Morgen steht dann in der Zeitung, dass Donald Duck ein Kind im Rollstuhl zusammengeschlagen hat.
Juni 1st, 2012 at 09:18
Da wundern sich div. Zeitungen und Verleger, warum die Leute ihnen nicht mehr vertrauen bzw. nicht mehr kaufen? Urheberrechtsverletzungen, komplett falsche Tatsachenbehauptungen, unterschlagenen Quellenangaben. Und das gerade mal auf ein paar Zeilen bei einem eher „unkritischen“ Thema. Traurig. Was ist dann erst bei echten Spezialthemen oder Weltgeschehen?
Juni 1st, 2012 at 11:17
Was den Punkt Übersetzungsfehler ja oder nein angeht ist es geradezu schwachsinnig zu lamentieren. „Übersetzungsmalheur “ steht doch auch im Vorspann des Spon-Artikels – offensichtlich ist der Autor selbst nicht in der Lage seinen eigenen Text zu verstehen und fehlerfrei vorzustellen.
Aber dann „Übersetzungsfehler“ in anderen Medien als „Geschichtsrevisionismus“ brandmarken – gehts vielleicht auch ne Nummer kleiner?
Für so einen Versuch sollte die eigene Veröffentlichtung frei von Widersprüchen sein.
Juni 1st, 2012 at 11:47
Der Vorspann wurde von der Redaktion verfasst, nicht von mir.
Juni 2nd, 2012 at 00:33
„Kann mir wer helfen, dass hier kurz zuzuordnen?“
Kann mir jemand kurz helfen, d a s hier zuzuordnen?
„Journalist – Übersetzer – Lektor – PR-Texter.“
Na ja.
Juni 2nd, 2012 at 07:43
Danke für den Hinweis auf den Fehler, auch wenn er evtl. einen Tick höflicher hätte sein können. 😉
Juni 2nd, 2012 at 10:35
إتصل بنا
http://translate.googleusercontent.com/translate_c?hl=de&prev=/search%3Fq%3Delaph%26hl%3Dde%26biw%3D1280%26bih%3D570%26prmd%3Dimvns&rurl=translate.google.de&sl=ar&u=http://www.elaph.com/contactus.htm&usg=ALkJrhh90-EXpD29HdbqpwYJshjVicQLVw
Juni 2nd, 2012 at 10:57
@gerald: Anhand Deiner für Schweizer typischen Rechtschreibung und Formulierung darf ich davon ausgehen, dass Du ein beleidigter BAZ-Fan bist? Ist ja putzig!
Juni 2nd, 2012 at 16:40
[…] Impressum « Stille Post mit Holocaust 02 06 […]
Juni 2nd, 2012 at 16:46
Wie üblich habe ich jetzt auch die unredigierte Manuskriptfassung des Artikels online gestellt:
http://www.pannor.de/?p=1161
Juni 4th, 2012 at 16:10
Der noch zuzuordnende Text steht auf dem Newsportal Elaph, Sitz in Dubai ( http://whoswho.mediame.com/profile-view/91).
Und der Autor verweist sogar auf das sprachliche Problem (im der englischen Version als großes Feuer gedacht) und den Fehler beim Übertragen… mehr oder weniger
Juni 29th, 2012 at 00:58
[…] aus dem Boden des Internets. Ich kenne längst nicht alle, aber empfehlen möchte ich den Blog von Stefan „L.N.Muhr“ Pannor und den hier schon prämierten Blog der Leserin von […]
Dezember 30th, 2012 at 16:59
[…] —> Hier weiterlesen… […]