Parodie, Provokation oder beides? Miller stellt in seiner Graphic Novel „Holy Terror“ die islamistischen Terroristen als so doof, verklemmt und verbohrt dar, dass man sich fragen muss, wieso sie überhaupt als Gegner für eine Actiongeschichte taugen. Doch nicht daran allein scheitert der Band.

Fortsetzung von —> Teil 1.

Es ist also gar keine Frage, dass Miller mit diesem Band wirklich jeden anpisst. Vor allem die amerikanische Linke und die Muslime. Miller, erklärt er in Interviews, habe seinen Patriotismus wieder gefunden, „zum ersten Mal weiss ich, wie sich eine grundlegende Bedrohung anfühlt“, erzählte er im amerikanischen Rundfunk.

Da setzt er nach Erscheinen des Bandes sogar noch einen drauf. In seinem Blog zog er Ende November 2011 über die Demonstranten auf der Wall-Street, die sogenannte Occupy-Bewegung her, sie seien nur „Flegel, Diebe und Vergewaltiger“, deren Ziele nebensächlich seien gegenüber der eigentlichen Bedrohung, Al-Qaeda und dem Islamismus.

Vielleicht, poltert Miller, hätten die IPhone- und IPad-Gören ja zwischendurch schon mal davon gehört, wenn sie grade nicht über ihr Schicksal jammern. Sie sollen nach Hause gehen, oder besser noch, sich bei der Army einschreiben: „Vielleicht kriegt das Militär euch hinerzogen“, schliesst er und mit dem jiddischen Schmimpfwort „Schmucks“, Schwachköpfe.

Comicszene im Aufruhr

Die Äußerungen sorgten innerhalb der US-Comicszene für einen Aufruhr. Von einem Boykott aller Miller-Werke war die Rede. Einige empfahlen Miller, gefälligst selber zur Armee zu gehen, so wie sein großes Vorbild Will Eisner.

Andere, vor allem Comiczeichner, reagierten deutlich kreativer: Ty Templeton illustrierte Millers Worte, indem er ihn zeichnete, wie er den Kopf im eigenen Hintern stecken hat. Und Richard Pace lieferte ein in mehrtägiger Feinarbeit gezeichnetes Miller-Pastiche im „Dark Knight Returns“-Stil, in dem er Frank Miller als wirren alten Mann darstellt, der vor dem Fernseher hockend auf die Weltschimpft.

Die entspanntesten Wort dagegen fand Alan Moore. „Das ist, was ich von ihm erwartet habe“, fasst er seinen Eindruck zusammen und listet auf, dass er bereits „Sin City“ sexistisch und „300“ schwulenfeindlich und ahistorisch fand.

Viele Occupy-Demonstranten tragen Guy-Fawkes-Masken, in der Version, wie sie durch die Verfilmung von Moores Comic „V for Vendetta“ berühmt geworden ist. „Ich bin sicher“, gibt Moore einen Seitenhieb darauf, „wären diese Demonstranten gewalttätige Soziopathen mit Batman-Make-up, Miller stünde voll hinter ihnen.“

Das nennen wir Schrecken

Möglich, dass Moore recht hat. „Holy Terror“, ein verblüffend doppeldeutiger Titel, ist eben auch als Zelebrierung intensivster Gewalt zu lesen. „No wonder we call it terror“, kein Wunder, dass wir es Schrecken nennen, ist der letzte Satz im Comic, mit dem Miller offenbar zuallererst seine eigene Gefühlslage zu verarbeiten scheint, der aber genauso auf die intensive Gewalt in der Erzählung hindeutet.

Davon abgesehen freilich ist es zuerst einmal kein besonders gut erzählter Comic. Die Dramaturgie hängt bedrohlich schief, mit der exzessiven Altherren-Fick-Fantasie zu Anfang, der unmotivierten Verfolgungsjagd im Mittelteil und schliesslich den hastig zusammengeschusterten Erklärungen am Schluss.

Sobald die Erzählung ins Stocken gerät, und das tut sie oft, führt Miller eine neue Figur ein oder definiert die Rolle einer bisherigen Figur komplett neu.

Auch die Monologe sind eher monoton. Auffällig die Verwendung des Wortes „goddamn“, gottverflucht, das er schon in „All-Star Batman“ exzessiv verwendet hat. Und den Spruch „My city screams“, der zwischen den islamistischen Bombardements mehrfach runtergerasselt wird, kennt man aus „The Spirit“, Frank Millers Regiedebüt, in dem er Will Eisners klassischen Comic für die Leinwand zerlegte. Meine Stadt hat Schmerzen: ist es vielleicht das, was Miller sagen will?

Die Methode Miller wird an diesen Stellen durchscheinend. Als Erzähler scheint Miller in sich selbst gefangen zu sein. Als Provokation taugt der Band nur bedingt. Der Band erscheint (im US-Original) bei Legendary Comics.

Das ist ein Ableger von Legendary Pictures, der Produktionsfirma von unter anderem Zack Snyders „300„ und Christoper Nolans Batman-Filmen. Ob sich Miller, der seit der Verfilmung seiner „Sin City“-Comics eine Filmkarriere anstrebt, mit denen überwerfen will, ist fraglich.

Was also bleibt? Möglicherweise ist es am Besten, man liest „Holy Terror“ als ein Stück Camp, also der spezifischen amerikanischen Version von Kitsch und schlechtem Geschmack. „Künstlichkeit, Frivolität und naive Mittelklasse-Selbstherrlichkeit“ definierte die US-Kritikerin Susan Sontag den in den sechziger Jahren. Nichts beschreibt „Holy Terror“ besser.

In dieser Fassung veröffentlicht im Herbst 2011 in der „Comixene“, gebloggt anlässlich der deutschsprachigen Erstausgabe im November 2012.

4 Responses to “Batmans Feldzug gegen den Terror (Teil 2)”

  1. Stefan Pannor » Blog Archive » Batmans Feldzug gegen den Terror (Teil 1) says:

    […] —> Weiter zu Teil 2. […]

  2. Stefan "Starocotes" Immel says:

    „Was also bleibt? Möglicherweise ist es am Besten, man liest „Holy Terror“ als ein Stück Camp,“

    Naja, vielleicht ist es auch noch besser man liest es gar nicht? Ich lese schon genug „Schund“ *hust* Marvel und DC *hust* so das ich gerne auf ein wenig heiligen Miller Schrecken verzichten kann.

  3. Stefan says:

    Aber grade in der heiligen Vorweihnachtszeit…? 😉

  4. Stefan "Starocotes" Immel says:

    DIESEN heiligen Terror hasse ich bewußt schon die letzten 34 Jahre, und da haben dann leider auch die 2 Kinder nichts dran geändert.