Da war doch noch was. Mindestens vierundzwanzig Texte, die schon längst in diesem Blog stehen sollten, aus diesem oder jenem Grund aber nicht hier landeten. Als kleiner Weihnachtskalender finden sie jetzt Verwendung. Heute: zwei klassische Comicstrips als Buchausgaben.
Vor allem aufgrund des rührigen Kleinverlages Bocola erleben klassische amerikanische Comicstrips derzeit eine Renaissance. Dabei ist aber nicht alles Gold, wie zwei aktuelle Editionen beweisen.
Dass sich Comicstrips in gediegener Aufmachung verkaufen lassen, hat die Komplettedition der „Prinz Eisenherz“-Abenteuer bewiesen, die mittlerweile 17 Bände und einen Sonderband umfasst. Allerdings ist Hal Fosters Ritterserie ein Ausnahmecomic, in grafischer wie erzählerischer Hinsicht.
Man kann also schwerlich eins draufsetzen. Und tatsächlich wirkt „Lance“, die jüngst in ähnlicher Aufmachung im selben Verlag erscheinende Westernserie, wie ein Rückschritt, wenn auch wie ein unvermeidlicher.
„Lance“ lief von 1955 bis 1960, und ganz offensichtlich war Warren Tufts, der die Serie zeichnete und schrieb, von Hal Foster beeinflußt.
Sein Held, der seinen Namen in Ahnlehnung an Lanzelot, Ritter der Tafelrunde, trägt, erlebt seine Abenteuer zur Frühzeit Hochzeit des Wilden Westens, in den 1830er-Jahren. Wie Eisenherz zu Beginn seiner Serie ist aber auch Lance ein jugendlicher Draufgänger mit Hang zu übermütigen Aktionen und schönen Frauen.
Vor allem aber ist die Serie ebenso wie Fosters Strip als opulenter ganzseitiger und vollfarbiger Strip angelegt. Das zeichnerische Vorbild leugnet Tufts nicht: diverse Bilder sind direkte Foster-Zitate, auch hinsichtlich Figurengestaltung, bevorzugter Perspektivwahl, Gestik und Mimik, schwelgerischer Landschaftsmalerei läßt sich Fosters Einfluß nicht übersehen.
Allerdings ist Tufts der deutlich behäbigere Erzähler. Foster erzählte seine Rittergeschichte nicht nur mit Verve, sondern auch mit funkelnder Ironie und ein wenig unterschwellig glimmender Erotik, und in der Regel brauchte er nicht lange, um ein Abenteuer zu starten.
Tufts hingegen erzählt ausschweifend, braucht mitunter Seiten, um einen Plot in die Gänge zu bekommen und meint vieles davon trotz einer gewissen unfreiwilligen Komik sehr ernst. Wie viele Filmwestern aus den Fünfzigerjahren wirkt „Lance“ schnell bieder und vorhersehbar.
Damit ist er einer jener Comics, die von aufsehenerregender grafischer Gestaltung sind (er war auch einer der letzten Strips, denen eine ganze Zeitungsseite zugestanden wurde), aber nicht unbedingt von bleibendem erzählerischem Wert.
Ein ganz anderes Genre ist „King Aroo“, ein Tierfunny, der aufgrund seines gefällig-eleganten Strichs und der Ähnlichkeit der Figuren immer wieder mit „Pogo“ verglichen wird, Walt Kellys satirischem Comicstrip aus den Fünfzigerjahren. Während „Pogo“ allerdings aktuelle politische Ereignisse in Tierform behandelte, ist „King Aroo“ ein reiner Gagstrip ohne tagesaktuelle Bezüge.
Gemeinsam ist beiden der Hang zum Wortwitz, darum ist „Pogo“ so gut wie nie auf deutsch erschienen, und auch bei „King Aroo“ könnte es sich als größtes Hindernis erweisen. Ist doch bereits der Titel (King Aroo = Känguruh) so gut wie unübersetzbar, diverse Kalauer im Inhalt sind es noch mehr.
Leider baut die Handlung des Strip im Original immer wieder auf genau diese Kalauer, was nichts anderes bedeutet, als das ein Großteil der Pointen verloren geht. (Wofür der Übersetzer nicht zu beschuldigen ist. Vieles ist schlicht nicht übersetzbar.) Die Figuren im Original sprechen in einem herrlich schnoddrig-schnattrigen Tonfall voller Wortspiele und verbaler Stolperfallen, im deutschen dagegen eher gepflegt.
Dadurch bleibt von „King Aroo“ der Eindruck eines dezent märchenhaften Strips über einen König und dessen tierisch absurdes Gefolge, das in einem winzigen Königreich ein paar leidlich komische Abenteuer erlebt, und manchmal das Gefühl des Verlustes, wenn eine Pointe zu offensichtlich aufgrund Unübersetzbarkeit fehlt.
Lobenswert ist, dass beide Bände mit ausführlichem bio- und bibliografischen Zusatzmaterial zu den Comics und den Künstlern aufwarten, wobei im Fall von „King Aroo“ das Material der US-Vorlage genutzt wurde, bei „Lance“ dagegen eine Eigenproduktion steht.
Warren Tufts, Lance: Bocola, 80 S.; € 17,90
Jack Kent: King Aroo, Bocola, 340 S.; € 29,90
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Dezember 4th, 2012 at 23:34
„Zur Hochzeit des Wilden Westens, in den 1830er-Jahren“:
Hast nicht gerade du bislang die (von mir ansich nicht geteilte) These vertreten, das Westerngenre „beginne überhaupt erst nach dem Sezessionskrieg“?
Dezember 5th, 2012 at 01:16
Spontane Antwort: das Westerngenre ist nicht „der“ Wilde Westen. Du hast aber völlig recht, die Hochzeit des Wilden Westen lag nach 1864. Als historischer Prozeß erstreckte er sich aber fast über das ganze 19. Jahrhundert. Für den Mythos elementare Dinge wie der Oregon-Trail und der Pony-Express datieren alle prä-Szezessionskrieg.
Der Satz von der Hoch-Zeit ist also falsch, aber zumindest eine Art Proto-Wilder-Westen existierte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Mai 29th, 2013 at 18:32
[…] Der Western-Eisenherz: “Lance” […]