Da war doch noch was. Mindestens vierundzwanzig Texte, die schon längst in diesem Blog stehen sollten, aus diesem oder jenem Grund aber nicht hier landeten. Als kleiner Weihnachtskalender finden sie jetzt Verwendung. Heute: dreimal Mörderisches vor Weihnachten.
Klammheimlich hat sich das Noir-Label von Schreiber & Leser zur ersten Adresse für Krimicomics entwickelt. Zählt man Titel wie „Canardo“ oder die laufende Loustal-Edition hinzu, die nicht unter dem „Noir“-Signet laufen, ist der Verlag aktuell die beste Adresse für Krimicomics überhaupt.
Dabei kann naturgemäß nicht alles so gut sein wie „Die Packard Gang“. Marc Malès‘ Bankräuber-Thriller ist ein verschämt wehmütiger, aber niemals rührseliger Abgesang auf das Gangster-Genre, mit einer wunderschönen Verfolgungsjagd als Opener und einem verzwickten Plot über eine Bankräuberbande, deren Handeln noch zwanzig Jahre später Spuren im Leben der Beteiligten hinterlassen hat.
Die zeitliche Verschachtelung ist komplex, die psychologische Verschachtelung noch komplexer. Es ist ein seltsamer Noir, weil er sogar ein Stück Hoffnung läßt, aber gerade aufgrund dieses Abweichens von den Regeln des Genres (und weil er sehr versiert erzählt ist) ein gelungenes Beispiel für die Möglichkeiten dieser Erzählform im Comic.
„Umsonst ist der Tod“ wagt sich dagegen keinen Schritt von ausgetretenen Pfaden fort. Das Duo Fornies/ Álvarez versucht sich an einem ähnlich komplexen Stoff wie Malés: der Erzählung über einen Serienmörder, in dessen Taten auf verblüffende Weise die halbe Stadt verstrickt zu sein scheint, von den politischen Herren bis zu den Straßendirnen.
Verwoben in die Comicerzählung sind belletristische Stückchen, die zusätzlichen Einblick in das Innenleben einiger Akteure bieten.
Allerdings ist das eher Matsch. Die Grundannahme, dass jeder Dreck am Stecken habe, ist flau, und wird hier durch eine übertrieben pathetische Darstellungnoch weniger annehmbar. Die belletristischen Stückchen sind pathetisch, der Comicanteil oft undurchschaubar: Diverse Figuren sind in dem skizzenhaften Stil des Zeichners kaum auseinanderzuhalten. Grade wiederkehrende Nebenfiguren geraten undeutlich, schlecht identifizierbar.
Das ist um so hinderlicher, da „Umsonst ist der Tod“ aufgrund seiner Anlage ein Vielpersonenstück ist. Am Ende bleiben nur ein paar Klischees über kaputte Bullen, schleimige Gangster und tote Schönheiten. Unterhaltsam, aber von der Stange.
Ein Multipersonenstück ist auch Andreas Dierßens „Die besten Zeiten“. Dierßen ist einer der markantesten Krimicomicerzähler deutscher Herkunft, mit Veröffentlichungen u.a. bei Carlsen und dem Leipziger Kleinverlag EEE. In den letzten Jahren war es allerdings still um ihn geworden. „Die besten Zeiten“, bei Carlsen erschienen, ist ein Beispiel dafür, wie man die Randzonen des Noir-Genres ausloten kann.
Auf den ersten Blick fällt der Comic kaum in den Kriminalbereich. Dierßen erzählt ein paar lose verknüpfte Episoden: ein alter Mann, der anscheinend Wunder wirken kann, ein Rentnerpärchen, das in der U-Bahn Brieftaschen klaut, zwei Freunde, die durch die Stadt laufen und seltsamen Gestalten begegnen.
Diese Form der verschachtelten Episodenerzählung kennt man vor allem aus dem Film(„Magnolia“, „Schwarze Schafe“), und es muß gleich gesagt werden, dass Dierßen die Transition in den Comic nicht ganz geglück ist. Die Übergänge zwischen den Episoden sind nicht fließend, kaum etwas fügt sich am Ende wirklich zusammen und nicht alle Plots erhalten Auflösungen.
Und doch ist es gelungener, immerhin unterhaltsamer Noir über einsame Menschen, die permanent mit dem Verbrechen in Berührung kommen und bei dem sogar ein scheinbarer Fantasyplot in eine Racheepisode kippen kann. Kann man lesen.
Die Packard Gang: Schreiber & Leser, 144 S.; € 17,80
Umsonst ist der Tod: Schreiber & Leser; 144 S.; € 18,80
Die besten Zeiten: Carlsen Comics, 160 S.; € 19,90
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