Da war doch noch was. Mindestens vierundzwanzig Texte, die schon längst in diesem Blog stehen sollten, aus diesem oder jenem Grund aber nicht hier landeten. Als kleiner Weihnachtskalender finden sie jetzt Verwendung. Heute: zwei grafische Noveletten des Norwegers Jason.

Völlig verblüffend erfährt der Norweger Jason eine Renaissance auf dem deutschen Comicmarkt. Zehn Jahre sind seine letzten Veröffentlichungen hierzulande her. Jetzt gibt es gleich zwei neue Alben von ihm bei Reprodukt.

Das dem Titel nach interessantere ist „Hemingway“. Darin erzählt Jason von der „verlorenen Generation“, jenen Autoren, Malern und anderen Künstlern, die sich, ernüchtert von den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges, im Paris der Zwanzigerjahre trafen, um eine neue, realistischere Kunst zu kreieren.

Was als Historiencomic anfängt, auch wenn Jason seine Figuren wie üblich als vermenschte Tiere zeichnet, dreht ziemlich schnell in einen komplexen Heist-Plot ab: Hemingway und ein paar andere brauchen Geld und planen einen großen Bruch.

Das ist natürlich ahistorisch und soll auch so. Die Idee, reale Ereignisse der Geschichte durch den Fleischwolf zu drehen, ist nicht neu und vor allem bei den Künstlern der französischen L’Association verbreitet.

Vorbilder für das bizarre Garn sind Manu Larcenets Reihe der „Wundersamen Abenteuer“ (ebenfalls bei Reprodukt), aber ebenso diverse Comics von Lewis Trondheim oder Sfar.

Nur dass es sich bei Jason nicht fügt. Der Norweger ist ein Comiczeichner von schwerem Gemüt, seine Geschichten dialogarm, die Zeichnungen karg. Sein typisch langsames Erzähltempo fügt sich nicht mit dem komplexen Multi-Personen-Plot. Die Geschichte wirkt gedrängt, die Figuren bleiben oberflächlich, dem Geschehen ist schwer zu folgen.

Deutlich besser ist „Ich habe Adolf Hitler getötet“. Die Originalausgabe erschien bereits vor einigen Jahren in den USA, durfte aber nicht nach Deutschland importiert werden. Für die deutsche Ausgabe wurde das Cover, das im Original ein großes Hakenkreuz ziert, entschärft.

Hier fügt sich alles. Aus der an sich banalen Idee, einen Auftragskiller mittels einer Zeitmaschine Hitler töten zu lassen, bastelt Jason ein stummes kleines Zweipersonen-Drama, bei dessen Handlung der Diktator nur eine Nebenrolle spielt.

Stattdessen erkundet Jason das Zerfallen einer Beziehung, beschleunigt durch die Nebeneffekte der Zeitmaschine. Der Killer und seine Frau, so hätte man das auch nennen können.

Es ist ein Lob- und Hassgesang auf den repetitiven Alltag, auf Kreisläufe aus Schweigen, Warten, Wut, Einsamkeit. Referenz ist hier eher das skandinavische Kino in seiner ganzen staubtrockenen, lichtarmen Poesie.

Was aus Hitler wird, ist am Ende so ziemlich wurscht. „Scheiss auf Adolf Hitler“, brüllt der Killer in der Kneipe, und damit ist dieser Handlungsstrang durch. Stattdessen schenkt Jason seinen zwei Hauptfiguren eine Art Happy-end, das ein wenig böse und ein wenig gut ist, ein wenig melancholisch und ein wenig sarkastisch – so wie der gesamte Comic.

Reprodukt, beide Alben: 48 S.; € 13,00

Der Rest vorm Fest:

01 – Israel verstehen in 60 Tagen oder weniger
02 – King Aroo
03 – Comic Noir
04 – Habibi
05 – House of Mystery
06 – Alan Moores Neonomicon
07 – The Unwritten
08 – Frostfeuer
09 – Zahra’s Paradise
10 – Spirou
11 – Johann & Pfiffikus
12 – Kimba vs. Gon
13 – Asja Wiegand & Ulf Salzmann
14 – Asterios Polyp
15 – Der Tod des ultimativen Spider-Man
16 – „Jerusalem“ von Guy Delisle
17 – „Packeis“ von Simon Schwartz
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One Response to “Der Rest vorm Fest (18): Ich habe Adolf Hitler getötet”

  1. Stefan Pannor » Blog Archive » Der Rest vorm Fest (21): Das Inferno! says:

    […] von Guy Delisle 17 – “Packeis” von Simon Schwartz 18 – Ich habe Adolf Hitler getötet 19 – “Gastoon” und “Marsu Kids” 20 – 2 x Isabel Kreitz 21 22 23 […]