Da war doch noch was. Mindestens vierundzwanzig Texte, die schon längst in diesem Blog stehen sollten, aus diesem oder jenem Grund aber nicht hier landeten. Als kleiner Weihnachtskalender finden sie jetzt Verwendung. Heute: zwei mal Leichenfledderei an Franquin – „Gastoon“ und „Marsu Kids“.

Was tun, wenn eine Comicserie erfolgreich ist, aber man sie nicht fortsetzen kann, weil der Schöpfer tot ist und keine Fortsetzung gewünscht hat? Man entwirft eine Figur, die der Vorlage so nahe wie nur möglich kommt. Zwei aktuelle frankobelgische Serien wildern im Bereich des Beinahe-Plagiats – beide nach Vorbildern von Altmeister Franquin.

„Gaston“ war Franquins chaotischer Bürobote in einer Reihe ganz- und halbseitiger Strips, aber spätestens in der zweiten Hälfte seiner Laufzeit noch deutlich mehr: eine liebenswerte, zutiefst emotionale Liebeserklärung an Außenseiter und Sonderlinge, zu denen die Figur zählte.

„Gastoon“ – mit Doppel-“o“ – ist der Fama des Strips nach Gastons Neffe und sieht diesem mit Gurkennase und Rollkragenpullover verblüffend ähnlich. Darin erschöpfen sich die Ähnlichkeiten der Comics zueinander freilich schon.

Denn Yann und Leturgie, beide eher als Massenproduzenten frankobelgischer Comics bekannt, erzählen nicht von Sonderlingen. Sondern reihen ein paar Schulhofabenteuer um den minderjährigen Gastoon zusammen.

Das ist manchmal sogar recht witzig, meist aber ziemlich fade. Ursache: Weder die Figur des kleinen Gastoon noch die eines seiner Mitschüler bekommt irgendwie erzählerisches Profil, auch keiner der Lehrer, die hier als dauernde Antagonisten herhalten müssen.

Anders gesagt, die Figuren sind egal. Im Bereich der Kids- und Teenagercomics gab es in den letzten Jahren einige erstaunliche Neuentdeckungen aus Frankreich, etwa die warmherzige und schrille Serie „Lou“ (dt. bei Tokyopop).

„Gastoon“ dagegen ist formelthaft und einfühllos zusammengeschusterte Massenware. Das einzig Angenehme an diesem Comic ist der Versuch, Franquins Strich aufzugreifen und dezent zu modernisieren. Der Rest ist leider ziemlich egal.

Das Marsupilami erlebt aktuell in Frankreich einen gewaltigen Boom aufgrund eines jüngst gestarteten Trickfilms. Infolgedessen bekommt die reguläre Albenreihe um das in den Fünfzigerjahren von Franquin geschaffene Wundertier einen Ableger.

Wie der Titel „Marsu Kids“ schon sagt, handelt es sich um Abenteuer des Marupilami-Nachwuchs. Das Problem des Comics ist allerdings das Gleiche wie das fast aller Marsupilami-Comics: die Titelfigur.

Von Franquin als Nebenfigur eingeführt, taugt das Marsupilami nicht als Handlungsträger. Es kann nicht sprechen, agiert rein instinktiv und interagiert kaum mit den Figuren um es herum. Das hat zur Folge, dass die Geschehnisse in den „Marupilami“-Alben eigentlich immer um die Figur drumherum laufen.

Das ist bei den „Kids“ nicht anders. Von einem Plot zu sprechen, wäre übertrieben, aber die Handlung geht so: drei Jäger gehen in den Dschungel, um Marsupilamis zu fangen, und scheitern.

Die 48 Seiten des Albums werden vorrangig damit gefüllt, wie eines der Marsu-Kids durch den Dschungel hüpft ohne eine Ahnung zu haben, was um es herum geschieht. Eher gelegentlich wird dann der Winz-Plot vorangetrieben und kurz und schmerzlos rechtzeitig vor Schluss beendet.

Das ist so belanglos, wie es hier klingt, aber immerhin recht niedlich gezeichnet.

Beide Comics: je 48 S.; je 12,95 €

Der Rest vorm Fest:

01 – Israel verstehen in 60 Tagen oder weniger
02 – King Aroo
03 – Comic Noir
04 – Habibi
05 – House of Mystery
06 – Alan Moores Neonomicon
07 – The Unwritten
08 – Frostfeuer
09 – Zahra’s Paradise
10 – Spirou
11 – Johann & Pfiffikus
12 – Kimba vs. Gon
13 – Asja Wiegand & Ulf Salzmann
14 – Asterios Polyp
15 – Der Tod des ultimativen Spider-Man
16 – „Jerusalem“ von Guy Delisle
17 – „Packeis“ von Simon Schwartz
18 – Ich habe Adolf Hitler getötet
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2 Responses to “Der Rest vorm Fest (19): „Gastoon“ und „Marsu Kids“”

  1. Stefan Pannor » Blog Archive » Der Rest vorm Fest (22): Marzi says:

    […] “Packeis” von Simon Schwartz 18 – Ich habe Adolf Hitler getötet 19 – “Gastoon” und “Marsu Kids” 20 – 2 x Isabel Kreitz 21 – Das Inferno! 22 23 […]

  2. Stefan Pannor » Blog Archive » Der Rest vorm Fest (24): Bettgeschichten says:

    […] “Packeis” von Simon Schwartz 18 – Ich habe Adolf Hitler getötet 19 – “Gastoon” und “Marsu Kids” 20 – 2 x Isabel Kreitz 21 – Das Inferno! 22 – Marzi 23 – Don Quijote 24 […]