Jean Dufaux verspricht „Zauber“ und liefert doch nur Standard-Fantasy, Moebius hinterlässt ein faszinierendes Fragment und Pedrosa weiss über Portugal doch nur aus Bauchnabelperspektive zu berichten. Drei aktuelle Kurzrezensionen.

Jean Dufaux/ Jose Luis Munueras
Zauber

Jean Dufaux einen Vielschreiber zu nennen, ist wohl weder falsch, noch ist es abwertend gemeint. Mehr als sechzig Alben hat der rührige Franzose in den letzten Jahren getextet.

„Zauber“ zeigt die Vor- und die Nachteile einer solchen extremen Rührigkeit. Natürlich, Dufaux kann einen Plot so zusammenbauen, das er hält. Die etwas verquere Geschichte von der Prinzessin Blanche, die durch viel Magie und etwas Intrige in einen Krieg gezwungen wird, ist ja nicht in der Anlage schlecht.

Außerdem hat Dufaux als etablierter Szenarist Zugriff auf zeichnerische Spitzenkräfte, wie in dem Fall Jose Luis Munueras. Der ist schon seit seligen „Merlin“-Zeiten Fachmann für lebenspralle, obskure Fantasiewelten. In „Zauber“ tobt er sich in einer Art düstererem Disneystil aus, der leicht selbstironisch angelegt ist und vor allem durch hinreißendes Figurendesign und clevere Perspektivwahl besticht.

Die Schattenseite ist die unbekümmerte Dämlichkeit, mit der Dufaux seine Figuren anlegt, handeln und sprechen läßt. Vielleicht liegt es am Übersetzer, dass die Figuren bis zum Erbrechen nervig schwurbeln. Für die erschreckende Motivlosigkeit der Figuren kann der allerdings nichts.

Die Geschichte verläuft in den bekannten Bahnen von Magie und Gemetzel. Und würde Munuera den Figuren nicht durch sein Design wenigstens etwas Sympathie anzeichnen, sie wären dem Leser mangels sämtlicher innerer Werte vollkommen egal.

Und das ist schade. „Zauber“, das ist ein toller Anblick (allein das Cover ist hinreißend), bloß leider ohne jede Substanz, nach dem Lesen zugeschlagen und vergessen.

Ehapa Comic Collection, 64 S.; € 15,00

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Moebius
Arzak – Der Raumvermesser

Es ist tragisch, dass Moebius in Deutschland erst dann wieder Aufmerksamkeit bekam, als er starb. Jahre, fast jahrzehntelang waren seine Titel nur antiquarisch erhältlich, erst seit seinem Tod und der darauf folgenden Medienaufmerksamkeit hat sich das geändert.

Und sicher auch deshalb ist „Der Raumvermesser“ bei der Ehapa Comic Collection gelandet statt beim ansonsten sehr rührig um Moebius‘ übrige Werke bemühten Kleinverlag Cross Cult.

Moebius‘ Rückkehr zu einer seiner frühen Figuren, Arzak auf dem weißen Riesenvogel, ist, das muß vorweg geschickt werden, Fragment geblieben. Entstanden aus ein paar Konzeptzeichnungen, stellt sie Moebius‘ späten Versuch dar, noch einmal eine große Albenserie zu schaffen. Wohin die Geschichte geführt hätte, wäre der Zeichner nicht nach Vollendung des ersten Bandes gestorben, läßt sich nicht ahnen.

Nicht zuletzt, weil „Der Raumvermesser“, gemäß der nicht-geplanten Erzählweise, die Moebius bevorzugte, grade als Fragment erschreckend planlos, ach sagen wir es direkt: konfus wirkt. Moebius verbindet zwei seiner Lieblingsgenres, den Western und die Space Opera, zu einer deutlich mehr als nur ein wenig im selbstironischen suhlenden Megaerzählung um ein abstürzendes Raumschiff und die Odyssee des Raumvermessers durch eine semi-futuristische Western-Landschaft.

Das narrativ zu bewerten, muß zur Katastrophe führen. Die Handlungswendungen sind beknackt, und immer wenn die Erzählung ins Stocken zu geraten droht, wirft Moebius eine neue Figur in die Geschichte.

Nein, Moebius erzählt hier allein für das Bild. Nicht in allen, aber doch in vielen Panels zeigt er, warum er ein Ausnahmekünstler unter den europäischen Comiczeichnern war, der mit sehr wenigen Strichen verblüffende Figuren, hinreißende Settings darstellen konnte.

Im Anhang an das „Raumvermesser“-Fragment finden sich Konzeptzeichnungen, zusätzliche Illustrationen und ein wenig bis nichts erklärendes Nachwort von Moebius. Ein visuell praller, prachtvoller Band, der noch einmal alle Stärken und Schwächen des Zeichners vermittelt, und wohl grade wegen seiner Fragmenthaftigkeit mit einer Träne im Auge gelesen werden muß.

Ehapa Comic Collection, 80 S.; € 25,00

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Cyril Pedrosa
Portugal

Cyril Pedrosa hat hierzulande viel Lob für sein Kunstmärchen „Drei Schatten“ bekommen, warum eigentlich? Vermutlich wegen der atemberaubenden visuellen Umsetzung, denn die Geschichte selbst war eher vorhersehbar und zerdehnt.

Vielleicht muß man sich an den Gedanken gewöhnen, dass Pedrosa ein wundervoller Grafiker, aber kein herausragender Erzähler ist. Denn auch „Portugal“, obwohl übergroßer, überlanger, farb- und formensatter Prachtband, scheitert letztlich daran, dass Pedrosa eigentlich nicht weiß was er erzählen soll.

Der Künstler in der Midlife-Crisis, von seiner Frau verlassen, der in seine alte Heimat Portugal reist und dort zu sich selbst findet, ist Stoff für eine gute Komödie, vielleicht auch für ein Drama. Bei Pedrosa ist es reine Kontemplation. Seitenlang folgt die Erzählung der Figur, wie sie nichts tut. Und anschließend nichtstuend darüber grübelt, was man tun könnte.

Oh, es sieht wunderbar aus, Pedrosas karikaturistischer Strich und die scheinbar mit leichter Hand eingefangenen großen und kleinen Details des portugiesischen Alltags. Es macht Spaß, das anzusehen. Es ist auch nicht ohne liebenswerte Ironie. Aber wollte Pedrosa nicht eine Geschichte erzählen?

Ohne darüber spekulieren zu wollen, wie autobiografisch diese Geschichte ist, läßt sich in der dürren Erzählung selbst das Problem dieses Buches erkennen: es ist eine Geschichte über Nichts. Was funktionieren kann, keine Frage. Aber nicht in der aufgeblasenen, großformatigen, epischen 250-Seiten-Form dieses Buches. Die wenige erzählerische Substanz wirkt in der gewaltigen Form fast ein wenig verloren.

Reprodukt, 264 S.; € 39,00


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