John Cullen Murphy übernimmt Hal Fosters Großwerk „Prinz Eisenherz“ – jedenfalls ein bißchen. Cortegianni und Dumont lassen „Blueberry“ weiterreiten. Und Jean Laidin versucht die altgedienten Piloten „Tanguy & Laverdure“ nochmal abheben zu lassen. Drei Serien, die ihre Schöpfer überlebt haben – oder sich selbst?

Foster & Murphy
Prinz Eisenherz 1 – 1971/ 72

Ich gebe zu, ich hatte etwas Angst vor dem Zeitpunkt, als John Murphy die Ausführung der Zeichnungen in „Prinz Eisenherz“ übernahm. Der Wechsel war nicht ganz ruckfrei gelaufen: als er sich die Zeichenarbeit noch mit Foster teilte, neigten seine Figuren zum Chargieren, zu dramatisch übertriebenen Posen.

Die Angst war fast unbegründet. Sicher auch durch den Einfluss von Foster, der weiterhin skriptet und die Vorzeichnungen macht, bleibt die Geschichte kontrolliert, von ruhiger Hand erzählt, die Grafik von effektivem Understatement geprägt.

Hier beginnt auch die Phase, wo man eigentlich aufhören müsste, die Serie „Prinz Eisenherz“ zu nennen. Mehr und mehr rückt sein Sohn, Prinz Arn, in das Zentrum des Geschehens. Der wird von seinem Vater in einem langen Reiseabenteuer selbst in den Beruf des Serienhelden eingearbeitet, ehe er sich in einem umfangreichen Schlachtgetümmel bewähren darf.

Prinz Eisenherz bleibt hier, noch, der von Ironie und feinfühliger Figurenzeichnung geprägte Abenteuercomic, dem man nicht anmerkt, dass sein Autor und Erfinder, Hal Foster, inzwischen über Siebzig ist. Murphys Zeichnungen sind nicht ganz so brillant, nicht annähernd so detailliert wie die Fosters zuvor.

Trotzdem sticht „Eisenherz“ auch mit diesen Jahrgängen aus der Masse der Abenteuercomics heraus – nicht nur der seiner Zeit, sondern bis heute.

Bocola, 112 S.; € 24,90

+ + + + +

Cortegianni/ Blanc-Dumont
Das Lincoln-Komplott
(Die Blueberry-Chroniken 15)

Es war ein holpriger Übergang: nach dem Tod des Autors Charliers musste Cortegianni mitten im laufen Erzählzyklus die schwierige Aufgabe übernehmen, die „Blueberry“-Saga fortzuschreiben. Colin Wilson, dessen feinziselierter, erdiger Zeichenstil ideal für den neuen Western ist, blieb leider ebenfalls nur eine Handvoll Alben bei der Serie.

Erst mit dem vorliegenden Band hatte die moderne, nach Charliers Tod sich entwickelnde „Blueberry“-Serie damit endgültige Form angenommen. Blanc-Dumont ist der Zeichner, der den Abenteuern bis heute, 15 Jahre nach seinem Einstieg treu ist.

Manches an diesem Team, das letztlich das alte Team Chjarlier/ Giraud vollständig abgelöst hat, war besser. Cortegiannis Skripte bedeuteten einen Modernisierungsschub hinsichtlich Erzählökonomie und Dialogfluss, die Dialoge waren sparsamer aber wirkungsvoller, dem Bild wurde mehr Spielraum zugestanden.

Und doch fällt dieser erste große Erzählzyklus der Serie nach Charlier drastisch, ja tragisch im Vergleich zu früheren Alben der Serie qualitativ ab. Nicht nur, weil Blanc-Dumont lange braucht, um sich zeichnerisch in den bestehenden Bildkosmos der Serie einzuarbeiten. Man beachte hier vor allem die Gesichtszüge des Titelhelden, die ihm über drei ganze Alben immer wieder entgleisen, ehe er sie im vierten und letzten Album dieses Bandes endlich im Griff hat.

Es sind viel mehr die fast clownesken Widersprüche und Fallstricke der Erzählung über eine absurd gewaltige Verschwörung, Präsident Lincoln umzubringen. Nahezu jeder Akteur in der Geschichte spielt ein drei- und vierfaches Spiel. Blueberry selbst wechselt mitten im Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südstaaten so oft die Seite, bis der Leser selbst nicht mehr weiss wo er steht.

Es sind die Erzählmethoden der Soap-opera, in der keiner je wirklich tot ist und keiner das ist, was er zu sein scheint, durch endlose Wiederholung ins Absurde überhöht. Zweihundert Seiten lang entspinnt sich ein infolgedessen eher verwirrendes als komplexes Gegenspiel diverser Kräfte. Spannend kann es schon deshalb nicht sein, weil die Erzählung 1864 angesiedelt ist.

Lincoln starb aber erst ein Jahr später.

Ehapa Comic Collection, 208 S.; € 29,95

+ + + + +

Laidin/ Fernandez/ Garetta
Operation Opium
(Tanguy & Laverdure Gesamtausgabe 9)

Noch ein Erbe von Charlier. Von allen Serien des hyperproduktiven Autors war diese wohl die umstrittenste, zumal in Deutschland. Nationalchauvinismus, späte Rechtfertigung französischer Kolonialbestrebungen und gnadenloser Techporn machen sie in der Gesamtheit heute kaum noch geniessbar. Es sind vor allem die zeichnerischen Leistungen, erst des frühen Uderzo, später von Jije, die die Serie vor vollständiger Unlesbarkeit retten.

Wie kaum eine andere Serie war „Tanguy & Laverdure“ ein Kind ihrer Zeit, der Sechziger- und Siebzigerjahre, mit grenzenloser Technikbegeisterung und einem klaren politischen Weltbild.

Sie Anfang des neuen Jahrtausends wiederzubeleben, war also möglicherweise von Anfang an keine gute Idee. Wirklich zuschande geritten wird sie aber erst durch die Umsetzung.

Denn Jean Laidin, hauptberuflich Journalist, ist vieles, aber kein guter Comicautor. Sein Versuch, die beiden Heldenfiguren in die politische Gegenwart der Jahrtausendwende zu versetzen (erst nach Bosnien, dann Afghanistan), scheitert vor allem daran, dass er eigentlich gar nicht weiss, was er erzählen soll.

Seitenweise referriert er in den papierdünnen Plots technische und politische Details bis hin zur Lächerlichkeit. (Eine Fussnote etwa erläutert den begriff der „strategischen Vorgehensweise“ als, ja genau, „Kampfplanung“.) Von den knapp fünfzig Seiten jedes der zwei hier enthaltenen Alben gehen gut vierzig für solche Sperenzchen drauf, ehe zum Finale einer der beiden titelgebenden Piloten über feindlichem Gebiet abstürzen darf und rausgehauen werden muss. Erst Laverdure, dann Tanguy.

Mag sein, dass die Welt früher einfacher war. Dafür waren die Plots der Serie komplexer. Sicher aus gutem Grund wurde „Tanguy & Laverdure“ nach diesen zwei erzählerischen Totalausfällen stillschweigend begraben.

Ehapa Comic Collection, 100 S:; € 24,99

Verwandte Texte:

  • TANGUY & LAVERDURE – die Gesamtausgabe
  • PRINZ EISENHERZ von und nach Hal Foster
  • Comments are closed.