Das wollte keiner, das brauchte keiner, aber jetzt sind sie da: die Prequels zur epochalen Graphic Novel „Watchmen“. Es lohnt also nicht darüber zu streiten, wie sinnvoll es ist, ein derart für sich stehendes Werk fortsetzen zu wollen. Fragen wir stattdessen lieber: was taugt es denn nun, dieses „Before Watchmen“?

Dass Alan Moore nicht begeistert war, war klar. Nur andererseits: wie sinnvoll ist die Idee eines Prequels? Wer käme auf die Idee, die Vorgeschichte der Brüder Karamasow, von Doktor Schiwago oder die Jugend von Sherlock Holmes zu erzählen? Okay, letzteres ist geschehen – aber das war eindeutig keine gute Idee.

Das also in „Watchmen“, diesem Großroman vom Sündenfall des Superhelden-Genres, alles drinsteckt, was man zu „Watchmen“ wissen muss, grade in seiner vielschichtigen, hyperdetailierten Erzähltextur, ist eine unumstößliche Wahrheit. Ebenso aber auch, dass Moore selbst mindestens einmal mit dem Gedanken spielte, ein Prequel zum Comic zu verfassen, mit den Minutemen, den Ur-Superhelden in „Watchmen“.

War also doch nicht alles erzählt? Vielleicht beantwortet sich diese Frage, wenn man schaut, was in den nun real erschienenen Prequels „Before Wacthmen“, mit denen Moore nichts zu tun hat und von denen er sich öffentlich distanziert hat, drin steckt.

Es sind sieben Miniserien, je eine zu den zentralen Figuren aus „Watchmen“, und eine mit dem von Moore angedeuteten Minutemen-Prequel. Während diese Serien in den USA merkwürdig verzahnt erschienen, zu Anfang in wöchentlichem Abstand mal von dieser, mal von jener Miniserie ein Heft, später dann, als mehr und mehr der beteiligten Zeichner an den Deadlines scheiterten, immer dann mal was, wenn’s fertig war, erscheint die deutsche Ausgabe wohlgeordnet nach Figuren.

Das ist gut, weil man so einige der, nun ja, weniger gelungenen Prequel-Titel meiden kann. Wie „Rorschach“. Der maskierte Psychopath ist merkwürdigerweise eine der beliebtesten Figuren aus „Watchmen“, sicher weil er oberflächlich eine hyperbrutale Mischung aus Batman und dem Punisher ist. (Unter der Oberfläche ist er bei Moore natürlich noch viel mehr.)

Brian Azarello, der mit „100 Bullets“ vermutlich die längste Killersaga des Mediums geschrieben hat, greift genau dieses Image auf, um… ja, was eigentlich zu tun? „Rorschach“ ist ein hundertseitiges Gemetzel, eine merkwürdige Geschichte um einen sadistischen Serienkiller, der vom kaum weniger sadistischen Rorschach gejagt und – Überraschung – zur Strecke gebracht wird.

Neben der bald ins Lächerliche überbordenden Brutalität fallen hier vor allem zwei Dinge auf. Zum einen, dass entweder Azzarello oder sein regelmäßiger Zeichenkumpan Lee Bermejo keine Ahnung von „Watchmen“ haben. Viele der zentralen Hintergrundelemente der Vorlage, die Elektroautos, die krebsfreien Zigaretten, fallen weg zugunsten einer Darstellung der späten Siebzigerjahre, die in ihrer regenassen Lichtarmut eher an „Taxi Driver“ erinnert.

Zum anderen, dass wenn überhaupt „Rorschach“ eine Hommage an Frank Millers „Batman: Year One“ ist. Mehr als eine der Straßenszenen mit dem Schmutz und den Prostituierten stellen fast direkte Zitate an Millers statt an Moores Klassiker dar.

Bloß wieso erscheint es dann als „Before Watchmen“?

Bei „Minutemen“ ist der Fall klar. Darwyn Cooke, der schon Will Eisners „Spirit“ sehr überzeugend wiederbelebt hat, sucht sich Nischen in der originalen Erzählung, in die er seine eigene Geschichte reingiesst.

Das ist dann am Überzeugendsten, wenn er vom Aufbau jenes Ur-Superheldenteams in den Dreissigerjahren erzählt. In ruhiger, unaufgeregter Art reiht er Anekdötchen aneinander, stellt dem Image der strahelnden Helden ein paar ziemlich bodenständige, mehr oder weniger verkorkste Typen gegenüber, die halt manchmal gegen ein paar Übeltäter angehen, ansonsten aber vor allem versuchen über die Runden zu kommen.

Nach hinten, wenn die Nischen kleiner werden und die Geschichte zwangsläufig in das von Moore skizzierte Szenario mündet, geht der Erzählung der Saft aus.

Und natürlich finden sich auch hier die Widersprüche zu „Watchmen“, die fragen lassen müssen, wie sehr der Titel wirklich als Prequel zu begreifen ist. Cooke, der genauso wie Kurt Busiek („Astro City“) zu den Autoren gehört, die sich eher für die nostalgische Seite der Superheldencomics interessieren, und der mutmaßlich wenig Lust auf Dekonstruktion hat, legt hier eine Art „Anti-Watchmen“ vor.

„Minutemen“ handelt über weite Strecken vom Aufbau eines Teams, sobald es ums Zerlegen geht, verliert die Geschichte an Saft. Es funktioniert als nostalgische Fahrt die Erinnerungslandstraße runter, dann sogar ziemlich gut. In der Hinsicht macht es, anders als „Rorschach“, durchaus Spaß.

Aber genau wie bei „Rorschach“ stellt sich die Frage, wieso man dafür unbedingt „Watchmen“ filzen musste?

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Minutemen: Panini Comics, 172 S.; € 16,95
Rorschach: Panini Comics, 104 S.; € 12,95

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