Isabel Franc greift das Thema Brustkrebs auf – leider so, dass sich wenige Frauen damit identifizieren dürften. Die großartige Faith Hicks wird endlich für den deutschen Markt entdeckt, und „Pacific Rim“ bekommt ein Prequel, das aus Versehen in Comicform erscheint.

Isabel Franc/ Susanna Martín
Alicia im wahren Leben

Paninis Graphic-Novel-Programm ist schon deshalb so spannend, weil es Titeln von und für Frauen mehr Platz einräumt als jeder andere Verlag, und weil es das glaubwürdiger tut als etwa Carlsens eher mißratener Versuch einer „for Ladies“-Comics-Schiene.

Davon zeugen Titel wie „Israel verstehen in 60 Tagen oder weniger“ oder „Marzi“. „Alicia im wahren Leben“ kann als erster wirklicher Ausfall dieser bis dahin erzählerisch wie künstlerisch gelungenen Reihe gelten.

Natürlich, das Thema – Brustkrebs – ist gut und wichtig. Und die über weite Strecken eher karikaturistische Annäherung an die Darstellung von Strahlenbehandlung, zeitweisem körperlichen Verfall, dem Hadern mit der eigentlichen Endlichkeit ist bei aller graphischen Schwächen des Bandes sicher angemessener als eine düster-realistische Darstellung.

Dennoch ist die Hoffnung, die Band (ganz zurecht!) machen will, begrenzt. Weil das Umfeld der Figuren zu spezifisch ist. Alicia, die Intellektuelle, agiert in einem Umfeld aus feministischen, gutverdienenden Frauen. Sie bieten ihr den sozialen und emotionalen Rückhalt, und natürlich verdient sie auch gut genug, um finanziell ohne Sorgen durch die Zeit der Behandlung zu gehen.

Wie viele Frauen, die Brustkrebs haben, betrifft das wohl? Welcher betroffenen Frau, vielleicht mit Mann und Kind, vielleicht Hausfrau und/ oder alleinerziehend, können mit dem Ratschlag, mal eben für zwei Wochen in die Toskana zu düsen, wenn es ihnen zu schlecht geht, real etwas anfangen.

„Alicia“ ist die „Bridget Jones“-Version des Mutmachbuches für Brustkrebserkrankte. Optimismus versprechend, aber völlig unpraktisch in der Anwendung. Es fehlt ihm die Bodenhaftung, die es durch Schickeria-Poesie ersetzt.

Panini Comics, 144 S., €19,95

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Neil Druckmann/ Faith Erin Hicks
The Last of Us

Man soll ja andererseits nicht von allen Begleitcomics zu Filmen, Serien oder Spielen die Finger lassen – dieser Band zeigt wieso.

Faith Hicks zählt zu den interessantesten der jüngeren nordamerikanischen Comicerzählerinnen. Mit Witz, graphischer Finesse, vor allem aber Einfühlungsvermögen hat sie es sogar geschafft, eine Geschichte über Mädchen im Internat und Einhörner nicht nur lesbar, sondern begeisterungswürdig zu machen.

„The Last of Us“ ist meines Wissens nach ihre erste deutschsprachige Veröffentlichung – und das ist schade. Nicht trotz, sondern weil es sich um einen sehr guten Comic handelt.

Ich kenne das zugrundeliegende Game nicht. Lassen wir also jeden Vergleich beiseite. Übrig bleibt: ein Endzeit-Comic, der kein Endzeit-Comic ist, sondern berührendes Psychogramm einer Teenagerin in außergewöhnlichen Zeiten. Ein Action-Comic, der mehr auf ruhige Momente setzt. Die Darstellung einer Mädchenfreundschaft, die glaubwürdig wie selten im amerikanischen Mainstream-Comic ist.

Und es sieht, mit dem zurückhaltend reduzierten dicken Strich, dem anatomischen Realismus, den kargen, düsteren Hintergründen, bezaubernd aus. Ein wenig wie Ryan Kelly („Local“), nur etwas lockerer.

Kein großes Meisterwerk. Aber ein Comic über zwei Menschen, glaubwürdig und lebensecht. Meine Bitte: mehr von Faith Hicks auf deutsch.

Cross Cult, 112 S.; € 14,80

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Travis Beacham/ Diverse
Pacific Rim – Geschichten aus dem Jahre Null

Man soll ja von Begleitcomics zu Filmen oder Serien die Finger lassen – dieser Band zeigt wieso.

Offiziell ist das ein Prolog, eine Vorgeschichte oder etwas in der Art zu del Toros gleichnamigen Kinofilm (der wohl auch nicht so gut gelaufen ist, wie man sich das erhofft hat). Tatsächlich braucht es weder zum Verständnis des Films den Comic, noch andersherum.

Oder kurz: die Geschichte, wie die Menschheit mal eben mit Riesenrobotern gegen nicht minder große Dinos aufrüstet (so formuliert klingt es dämlicher als es ist), erzählen beide Werke weitgehend für sich. Dass sie was miteinander zu tun haben, ist eher Behauptung. Sie stehen beide in der Tradition der japanischen Gummimonsterfilme, das ist die ganze Verwandtschaft.

Natürlich könnte „Pacific Rim“ trotzdem ein guter Comic sein. Eine Hommage. Eine Ergänzung des Genres durch ein anderes Medium. Leider ist es nur ein Comic, der gern ein Film wäre.

Nicht nur, weil Travis Beacham, der auch am Filmskript mitgearbeitet hat, der Autor ist. Das ist im Gegenteil eine seiner Stärken, weil Beacham durchaus nette, knackige Episödchen schreibt und sich ganz gut damit auskennt, eine nicht berauschende, aber stabile Dramaturgie zu führen. Beacham scheint noch am ehesten das Medium Comic verstanden zu haben.

Nein, der Haken sind die Zeichner (fünf insgesamt), die sich Mühe geben, alles möglichst nach Mainstream-Kino aussehen zu lassen. Perspektiven, Gesten, Mimik – alles ist dem Pathos des Actionfilms entnommen, nicht der Beobachtung von Menschen. Als wäre eine Comicseite nicht viel anderes als eine Leinwand (tatsächlich sind die Unterschiede fundamental) biedert sich das Zeichnerkollektiv an die Filmsehgewohnheiten an.

Das will kein Comic sein. Aber wozu braucht man einen Comic, der keiner sein will?

Cross Cult, 112 S.; € 14,80

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