Am 10. Mai ist wieder Gratis-Comic-Tag. Wie in jedem Jahr bringe ich vorab ein paar kurze, launische, absolut nicht vollständige und ganz und gar subjektive Besprechungen einzelner Titel.

Terry Moore
Strangers in Paradise
(Schreiber & Leser)

Dass das nochmal auf Deutsch kommt, darauf hätte ich auch nicht gewettet. „Strangers in Paradise“, Terry Moores ebenso komische wie einfühlsame Dreiecksgeschichte, erschien vor 15 Jahren in schmalen Bändchen bei Speed, wo es sich wohl eher nicht so gut verkaufte.

Grade mal ein Drittel, vielleicht sogar weniger, der gesamten Serie schaffte Speed damals. Schreiber & Leser greift für seine Taschenbuchausgabe, die mit rund 400 Seiten je Band alles andere als schmal ist, auf die schon länger vorliegenden Pocket Books zurück. Die enthalten alles wichtige Material in fünf Bänden, allerdings fehlen aus diesem oder jenem Grund diverse Sondernummern, Kurzgeschichten und Verstreutes.

Wie dieses Heft, das eigentlich nur die #1 der Serie ist – allerdings in Farbe statt wie im Original und im Paperack schwarzweiss. Grafisch steht Moore da noch sehr am Anfang, manches gelingt ihm noch nicht so sicher wie nur wenige Hefte später. Auch die hier noch sehr dominanten Slapstickelemente gehen später zugunsten einer einfühlsamerein Erzählweise zurück. Dennoch ist es, natürlich, der bestmögliche Einstieg in eine der besten Independentserien der letzten 20 Jahre. Fällt unter Pflichtlektüre.

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Erik
Dede
(Epsilon)

Vorbild? Natürlich, der klassische französische Noir, wie er sich um den Zweiten Weltkrieg und vor den Sechzigerjahren durch Autoren wie Leo Malet entwickelte. Dessen Detektiv Nestor Burma hat ja nicht zuletzt in der Comicszene durch eine umfangreiche Albenserie von Jaques Tardi einen großen Bekanntheitsgrad.

Das ist ganz willentlich, zumindest in Teilen, eine Komödie. Hauptfigur ist der ein wenig abgewrackte Privatdetektiv Deschamps (daher der ungewöhnliche Titel), der in diesem Band von einem mysteriösen Auftraggeber von einem Haus zum nächsten geschickt wird, in dem stets die Leiche einer alten Dame auf ihn wartet.

Obwohl keine Action-Erzählung, entsteht so der Eindruck von Tempo und Abwechslung, unterstützt natürlich durch die zunehmende Häufung toter Damen. Dennoch gemütvoll: dieser Deschamps ist ein klassischer Trenchcoat-Sohlengänger, ein bißchen Nestor Burma im Verhalten, ein bißchen Maigret im Aussehen, ein bißchen langsam mit den Schlußfolgerungen.

Erik, alias Frank Weißmüller, löst die launische Geschichte in viele kleine Panels auf, was manchmal ein wenig verwirrend ist, grade im verkleinerten Heftformat, und zeichnet in einem Stil irgendwo zwischen aktuellem frankobelgischen Funny und spätem „Fix & Foxi“. Das macht er aber richtig gut, wie er überhaupt ein sehr guter Erzähler ist, wenn er wie hier eine konzentrierte kleine, böse Geschichte macht.

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William Vance/ Greg
Bruno Brazil
(Egmont)

„Bruno Brazil“ war eine jener typischen semi-erwachsenen „Tintin“-Serien der Siebzigerjahre, die – gestrickt um die Idee eines unbesiegbaren supercoolen Sondereinsatzteams, das in der Weltgeschichte aufräumt, u.a. mittels Bomben in Absatzschuhen und ähnlich kruden Gimmicks – nicht an der Grenze zur Trivialität angesetzt war, sondern gelegentlich tief drin im Territorium des Unfugs.

Denn mit Realität hatte es nicht viel zu tun, wenn etwa Brazil und seine Mannen eine Bombe beseitigen sollen, die von Militärs des extrem rückständigen Thailand im 2. Weltkrieg gebaut wurde und nach Lesart des Plots die ganze Welt vernichten sollen kann. Orientiert eher an amerikanischen Fernsehserien, ging es beim Aufräumen dieses herrlichen Unfugs für einen französischen Jugendcomic schon mal ungewohnt heftig zur Sache, der Tod von Hauptfiguren inbegriffen.

Und dann war da Vance. Der fing schön, aber etwas steif an, bis er sich, ungefähr in der Mitte der Serie, in einen Rausch an Formvielfalt, naturalistischer Einfühlsamkeit und Zeitkolorit steigerte.

Es war das Beste, was der Serie passieren konnte, die Auflösung der politischen Traumwelten in eine zwar einerseits hyperrealistische, klar in der Gegenwart verankerte, andererseits durch exzessive Bildmittel radikal überhöhte Bildsprache. Ein teilweise fast schon selbstironischer Spass, bei dem die Erzählung nur noch Mittel war zum grafischen Zweck.

Das Heft enthält das erste Album der Serie, die wirklich spaßigen Geschichten kamen erst später. Einen Blick lohnt sich dennoch, weil sich Vance eigentlich immer lohnt.

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Und wo gibt es diese Hefte? Hier.

Die Artikel zum Gratis-Comic-Tag 2014:

  • Teil 1
  • Teil 2
  • Teil 3
  • Teil 4
  • Man bleibt unter sich. – Ein (Vorab-)Fazit zum Gratis Comic Tag 2014
  • Die Artikel zum Gratis-Comic-Tag 2013:

  • Teil 1
  • Teil 2
  • Teil 3
  • Teil 4
  • Teil 5
  • Die Artikel zum Gratis-Comic-Tag 2012:

  • Alben
  • Funnies
  • Action
  • Indies
  • Helden und Verlierer
  • Anthologien
  • Die Artikel zum Gratis-Comic-Tag 2011:

  • Die Funnies
  • Die Fiesen
  • Fantasy & Science Fiction
  • Die Indies
  • Die Artikel zum Gratis-Comic-Tag 2010:

  • Götter, Spötter, kleine Mädchen
  • Unter Indies
  • 2 Responses to “Gratis-Comic-Tag 2014 (03)”

    1. Stefan Pannor » Blog Archive » Gratis-Comic-Tag 2014 (01) says:

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    2. Stefan Pannor » Blog Archive » Gratis-Comic-Tag 2014 (02) says:

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