Am 10. Mai ist wieder Gratis-Comic-Tag. Wie in jedem Jahr bringe ich vorab ein paar kurze, launische, absolut nicht vollständige und ganz und gar subjektive Besprechungen einzelner Titel.

Mawil
Kinderland
(Reprodukt)

Die Emotionen des Lesers durch Vertrautes zu triggern, zählt zu den leichtesten Übungen des Erzählers. Insofern wird dieses Buch, das von den letzten Wochen der DDR aus Teenagerperspektive erzählt, seine begeisterten Leser vor allem bei denen finden, die diese Zeit erlebt haben.

Denn da ist alles da. Nicht nur die Mode und wie die Busse aussahen und wie der Sportunterricht ablief. Sondern auch diese ganze ostdeutsche Achtzigerjahresprache („Orr nee!“) und „Detektiv Pinky“ und überhaupt. Den rauen ostdeutschen Schulhofton – ein Großteil des Heftes spielt in der Schule – trifft Mawil perfekt.

Das sollte man aus genau dem Grund natürlich kritisch lesen: kein Zeitkolorit, auch kein so perfektes wie hier, kann eine gute Geschichte ersetzen. Wie die wird, kann man nur ahnen. Das Heft enthält weniger als die ersten 10% der ganzen, fast dreihundert Seiten starken Graphic Novel, bildet grade mal sowas wie den Prolog. Bis jetzt freilich hat Mawil als Erzähler noch nie enttäuscht – wieso sollte sich das jetzt ändern?

+ + + + +

Von Kummant/ von Eckartsberg
Gung Ho
(Cross Cult)

Das Autoren-/ Zeichnerduo Kummant/ Eckartsberg war zuletzt ein wenig in der Versenkung verschwunden. Ihre Wolfgang-Hohlbein-Adaption „Die Chronik der Unsterblichen“ vor allem von immer neuen, massiven Terminverzögerungen bestimmt.

Insofern scheint ihr neues Projekt gewagt: fünf Bände, im 18-Monatsabstand (bei den Chroniken betrug der Abstand zuletzt Jahre) – schaffen die das? Zu wünschen wäre es, auch so reden wir hier von immerhin sechs Jahren, um diese Geschichte von der unruhevollen Jugend auszuerzählen.

Worum es da geht, bleibt nach dieser Leseprobe schwammig. Das Topos der Menschen, die nach einer Katastrophe in hermetisch nach außen abgeschotteten Orten Leben, erinnert an herkömmliche Zombie-Geschichten, von denen bis jetzt aber weit und breit nichts zu sehen ist. Eine „weiße Plage“, also wohl eine Art Antipest, verrät der Klappentext.

Wo man nichts weiß, kann man wenigstens festhalten, dass das atemberaubend gut aussieht. Und auch, dass zumindest die ersten Seiten trotz gelegentlichen Tunkens im Klischee beim Figurenaufbau bei weitem ökonomischer und versierter erzählt sind als die meisten deutschen Produktionen dieser Art. Da steckt ein großes Versprechen drin, in der Erzählung und im Erscheinungsrythmus, das hoffentlich gehalten wird.

+ + + + +

Ahndongshik
Lindbergh
(Kazé)

Hier schreit schon das Cover mit seinen Fliegern und Wolken und freudigen Kinderaugen nach Hayao Miyazaki – und der Innenteil erst recht. Das liest sich wie eine Hommage an den meister des poetischen Anime.

Wir haben einen kleinen Jungen und seinen, ja was eigentlich, Affenhund mit Flugzeugschwanz, dessen verschollener Papa ein großer Flieger war und der gern selber Pilot wäre. Nur leider ist Fliegen verboten. Da ist der Konflikt, und sicher wird die Serie genau den mit genau diesen überaus liebenswerten Figuren ausbauen.

Das ist handfest, wenn auch gelegentlich grafisch etwas zu exaltiert aufgebaut, niedlich natürlich, und trotz des Gegenspielers aus der Klischeekiste (ja, so ein richtig finst’res Grafengör) durchaus spannend. Wenn die Serie es schafft, etwas mehr von der poetischen Eleganz des Covers in den Comic zu übertragen, und den Figuren etwas mehr Kontur zu geben, sollte man’s zufrieden sein.

+ + + + +

Und wo gibt es diese Hefte? Hier.

Die Artikel zum Gratis-Comic-Tag 2014:

  • Teil 1
  • Teil 2
  • Teil 3
  • Teil 4
  • Man bleibt unter sich. – Ein (Vorab-)Fazit zum Gratis Comic Tag 2014
  • Die Artikel zum Gratis-Comic-Tag 2013:

  • Teil 1
  • Teil 2
  • Teil 3
  • Teil 4
  • Teil 5
  • Die Artikel zum Gratis-Comic-Tag 2012:

  • Alben
  • Funnies
  • Action
  • Indies
  • Helden und Verlierer
  • Anthologien
  • Die Artikel zum Gratis-Comic-Tag 2011:

  • Die Funnies
  • Die Fiesen
  • Fantasy & Science Fiction
  • Die Indies
  • Die Artikel zum Gratis-Comic-Tag 2010:

  • Götter, Spötter, kleine Mädchen
  • Unter Indies
  • One Response to “Gratis Comic Tag 2014 (04)”

    1. Stefan Pannor » Blog Archive » Gratis-Comic-Tag 2014 (03) says:

      […] Impressum « Gratis-Comic-Tag 2014 (02) Gratis Comic Tag 2014 (04) » 04 05 […]