Bio statt Autobio: das Leben des Nobelpreisträgers Richard Feynman als Graphic Novel, Pablo Picasso während seiner blauen Phase in flammendem Rot als Album und Willy Brandt mit der Mandoline – drei Lebensgeschichten, drei Comics.

Ottaviani/ Myrick
Feynman – Ein Leben auf dem Quantensprung
(Egmont)

Der deutsche Untertitel des Buches, das im Original ganz pragmatisch „Feynman“ heisst, ist natürlich dümmlich.

Gar nicht dümmlich ist dagegen Feynmans Gedankengebäude, das sich mit dem Titel seines Buches „Unten ist noch sehr viel Platz“ grob zusammenfassen lässt. Zwar gemünzt auf Atomphysik und die gewaltigen Räume, die sich im subatomaren Bereich zwischen den Partikeln auftun, steht es auch für eine geistige Abkehr vom „höher, schneller, weiter“, das bis dahin nicht nur in der Physik, sondern auch in der Gesellschaft vorgeherrscht hatte.

Feynman war ein Einmischer, ein Aufklärer im besten Sinne, der Wissenschaft als etwas ansah, das nicht nur in akademischen Zirkeln stattfand. Damit ruht sein Ruhm, ähnlich etwa wie der Hawkings heute, auf zwei Säulen: einmal als Autor und Moderator populärwissenschaftlicher Werke, mit denen er ein Publikum auch außerhalb der Hochschulen erreichte.

Und natürlich als Nobelpreisträger, als Forscher, der auf einer Vielzahl Gebiete tätig war, der bei der Entwicklung der ersten Atombombe dabei war.

Nur leider war sein Leben, trotz aller Lust an Veränderung und Neuem, recht normal und spielte sich mehrheitlich in akademischen Zirkeln ab. Visuell macht das nicht viel her, jede Feynman-Biografie muss automatisch vor allem davon handeln, was in seinem Kopf vorging.

Ottaviani und Myrick machen das Beste aus dem Verfügbaren: „Feynman“ ist eine Komödie des Menschlichen, mit einem Querkopf in der Hauptrolle, der, wenn er nicht grade bahnbrechende Entdeckungen macht, zu seltsamen Scherzen neigt.

Verknüpft mit Feynmans physikalischem Gedankengebäude wird das zum Großteil erst zum Schluss hin, was ein wenig für Ungleichgewicht sorgt: weshalb er so ein großer Denker war und was er überhaupt dachte, vermitteln Ottaviani und Myrick erst auf den letzten 50 Seiten in einer freilich sehr unterhaltsamen Physikvorlesung mit dem Professor.

Bis dahin macht der Comic freilich mehr Spaß, als man denken möchte, im Deutschen nicht zuletzt aufgrund der wunderbar lebendigen Übersetzung von Ebi Naumann (dem vor einigen Jahren ja auch das Kunststück glückte, Elzie Segars „Popeye“ angemessen zu übertragen). Ein wenig Interesse an moderner Physik und den wissenschaftlichen Denkgebäuden des 20. Jahrhunderts sollte allerdings gegeben sein.

276 S.; €24,99

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Julie Birmant/ Clément Oubrerie
Pablo 1
(Reprodukt)

Das geht nicht gut aus.

Das ist eine Montmartre-Künstlergeschichte, der Pablo aus dem Titel ist Picasso, und bei aller Dramatik (Unerwiderte Liebe! Selbstmord! Homosexualität! Skandal!) und Sinnenfreude der Erzählung, die im ersten Band ungefähr die Jahre 1900 bis 1907 abdeckt, sollte man sich bewusst machen, dass der für den ersten Band titelgebende Max Jacob 1944 im Konzentrationslager stirbt, dass Fernande Olivier, die hier als Erzählerin fungiert (wobei ihre Memoiren gut Pate gestanden haben dürften), nach einer ziemlich holprigen Beziehung mit Picasso später verarmt stirbt, so wie den meisten der Personen aus Picassos Künstlerkreisen kein Happy-end gegönnt war.

Bis auf Picasso. Der war schon vor dem II. Weltkrieg der bekannteste Maler der Welt und er blieb es bis zu seinem Tod.

Das geht nicht gut aus, wie gesagt. Noch lauert das ganz große Drama etwas um die Ecke. „Pablo“ ist im ersten Band eine noch eher unfertige Künstlerbiografie, klebt wohl auch etwas zu sehr an den Klischees der Montmartre-Boheme von Wein, Weib und Gesang, sieht dafür aber in seinen feuerroten Farben (mitten in Picassos blauer Periode!), den großen, emotionsgeladenen Tableaus, den krakelig-vernarrten Ansichten eines Künstlers auf dem Weg nach oben atemberaubend gut aus. Und zu den dunklen Seiten, bin ich sicher, kommen wir später.

88 S.; €20,00

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Heiner Lünstedt/ Ingrind Sabisch
Willy Brandt Knesebeck
(Knesebeck)

Willi Brandt knorzig auf der Mandoline klampfend, dieses Bild gab es in den Siebzigern als Poster zu kaufen, nachgängige Ergänzung zum unvermeidlichen Che-Wandbehang.

Was soll uns die Auswahl dieses Motives als Cover sagen? Ikonischer, vor allem aber typischer und bedeutsamer ist doch wohl das Bild von Brandts Kniefall in Warschau. Vermutlich unbewusst offenbart die Auswahl eines Posters, eines Image-Bildes statt eines bedeutsamen Bildes, als Cover den tieferen Sinn dieses zum und im Brandt-Jahr 2013 entstandenen Bio-Comics. Er ist Merchandising.

Und wohl auch zügig entstanden. Das liest sich wie ein Abtrampeln des Willy-Brandt-Gedächtnispfades, etwas Widerstand, etwas Wahlkampf, etwas Weibergeschichten. Die Figuren bekommen keine Kontur, kein Motiv: sie handeln, weil eben in den Geschichtsbüchern steht, dass sie so gehandelt haben.

Der Hang zum Simplifizierenden und Karikaturistischen in den Bildern ist sicher ganz hübsch, sorgt aber grade in Verbindung mit dem steifen Skript oft eher für komische Momente sogar da, wo es ernst sein soll.

Das ist Brandt-Leben im Schnelldurchlauf, und in seiner Art, mit übersimplifizierten Zeichnungen und trocken zusammengerumpelten Faktbrocken leblos und ohne jeden Einblick in das Innenleben der Akteure fast 100 Jahre deutsche Geschichte zusammenzufassen, tut der Comic das, was sicher keiner der beiden Macher im Sinn hatte: er erfüllt das alte Vorurteil, dass Comics nur was für Leute sind, die keine Bücher lesen wollen. Schade.

112 S.; €22,00

One Response to “Bio, Bio, Bio. Drei Lebensgeschichten im Comic”

  1. Frank Böhmert says:

    Alle drei Titel standen auf meiner Interessant-Liste; nun fliegt der Brandt-Band raus, weil er genau so zu sein scheint, wie ich befürchtet habe … Auf Picasso und Feynman bin ich nun umso neugieriger. Danke also!